Story LIII - Der Sack

HurriMcDurr

Well-Known Member
Okay, das Beste kommt offenbar doch zum Schluss. Fantastisches Ding!
Innerhalb sehr kurzer Zeit wurde hier einiges geleistet. Ich habe während des Lesens häufiger inne gehalten und ein bisschen über das grade Beschriebene nachgesonnen. Die ganzen Beschreibungen und Details haben mir Bilder vor die Augen gezaubert und durch das Ende wirkte die Story größer als sie es bisher war - ein bisschen als würde man einem historischen Moment beiwohnen. :ugly:
Themen wie freier Wille und Handlungsmotivation wurden angeschnitten und am ende pointiert kommentiert.
Manchmal gibt es hier Geschichten die mich sofort abholen und nicht wieder loslassen, zuletzt fallen mir da die nautische Lovecraftstory und das verschwundene Kind im neuen Haus ein - diese hier gesellt sich ab sofort dazu.
 

Rantman

Formerly known as Wurzelgnom
Ich hatte im Diskussionsthread ja geschrieben, dass mir persönlich hier zu wenig konstruktives Feedback gegeben wird. Insofern möchte ich gerne damit anfangen. Ich möchte vorwegnehmen, dass ich niemanden verletzten möchte, sondern gut gemeinte Kritik geben möchte um in Zukunft etwas besser zu machen. Und natürlich alles, was ich schreibe, immer subjektiv ist und meine persönliche Meinung darstellt.
Wer daran kein Interesse hat, kann das auch gern ignorieren.

Für mich sind bei der Bewertung einer Kurzgeschichte folgende Punkte relevant:

- Inhaltliche Umsetzung / Interne Logik
- Idee / Bedeutung & Interpretation
- Sprache / Stil


Idee:
Sacktragen als Extremsportart. Mega gut. Dass dies nur durch Zufall entstanden ist, weil jemand etwas vertuschen wollte: Mega gut.
Ich könnte mir die Geschichte perfekt in einer Anthologie Serie wie Black Mirror vorstellen. Müsste man gar nicht viel daran ändern. Hut ab.
Und ich mag auch die Analogie. Dickerer Sack, Schwanzvergleich. Sozialer Druck. Immer mehr Tragen. Dadurch ist auch eine gewisse Gesellschaftskritik vorhanden.
9/10

Inhaltliche Umsetzung / Interne Logik:
Ich finde es schön, dass um die Idee eine komplette Geschichte gespannt wurde. Zuerst wird die Welt näher gebracht, damit man versteht, was Sacktragen ist und was es für die bedeutet, die das tun. Dann wird ein Konflikt aufgebaut. Es gibt eine Schießerei. Dabei werden spannende Details revealed. Wir erfahren, dass Sackschleppen nur durch ein Verbrechen und eine Ausrede entstand. Und dass danach noch einmal alles hinterfragt wird. Das ist von Anfang bis Ende schlüssig erzählt und damit eine perfekt unterhaltende Geschichte.
Kritikpunkte sind daher nur Kleinigkeiten. Für mich persönlich ist die Gesellschaftskritik ein wenig zu sehr mit dem Vorschlaghammer präsentiert. Das der Protagonist am Ende einen inneren Monolog hält und ganz plötzlich den Sinneswandel hat, dass selbstbewusste Menschen keinen Geltungsdrang haben und Verlangen nach Anerkennung von Minderwertigkeitskomplexen zeugt, ist mir zu platt. Das hat die Geschichte bereits vorher subtil gesagt. Da muss man das nicht auch noch aussprechen. Gleichzeitig fühlt es dadurch nicht an wie eine Aussage des Charakters, sondern wie eine Meta Aussage des Autors. Und das reißt mich aus der Immersion.
Generell wirken für mich die Figuren alle extrem überzeichnet, comichaft. Das kann so gewollt sein. Für mich persönlich würde aber die Geschichte und die Gesellschaftskritik besser wirken, wenn es ein wenig glaubwürdiger erzählt werden würde. Ja, man kann auch so etwas unrealistisches wie sackschleppen in einer ansonsten stimmigen Welt mit glaubwürdig agierenden Charakteren schreiben. Hier ist der/die Autor nah dran, aber es ist noch Luft nach oben. Wie gesagt, totale Geschmackssache. Für mich trotzdem sehr gute 8/10



Sprache:
Insgesamt gut gemacht, mit einem Haken. Der gleichbleibende Ton der Geschichte. Meiner Meinung nach passt der Ton nicht immer zur Situation. Dass mitten in einer Geschichte die Hand gehoben wird, um ein Bier zu bestellen, klingt im ersten Moment witzig. Ist aber ein Joke auf Kosten der Ernsthaftigkeit der Situation. Dadurch verliert die Schießerei ihre Bedrohlichkeit. Das kennt man ja aus Actionfilmen, wenn der Held einen coolen Spruch nach dem nächsten reißt. Das ist cool und witzig, nimmt aber die Spannung aus der Situation. Klar ist die ganze Geschichte eher humorig geschrieben, trotzdem bin ich ein Freund davon, dass sich Charaktere "echt" verhalten. Und so ein Verhalten reißt zumindest mich aus der Immersion. Ich will lesen, dass die Leute Angst haben, sich bedroht fühlen. Nur dann bin ich auch investiert und mache mir Sorgen um die Charaktere. Daher ist es wichtig, auch bei einer humorvollen Geschichte, den Ton der Situation anzupassen.
Insgesamt fand ich es sprachlich ansonsten in Ordnung. 4/10


Fazit: 21/30 Punkten
Tolle Geschichte. Mit ein bisschen Feinschliff kann ich sie mir gut in einer Kurzgeschichten Anthologie vorstellen. Und würde das gerne auch filmisch umgesetzt sehen.
 

MamoChan

Well-Known Member
Um ganz ehrlich zu sein, ich werde mit dieser Geschichte nicht war. Das Thema ist natürlich gut umgesetzt. Die damit verbundene Gesellschaftskritik war mir persönlich aber zu plakativ. Ich kann es nur schwer in Worte fassen, aber schon beim lesen hatte ich das Gefühl, unter dem Schatten eines riesigen erhobenen Zeigefingers zu sitzen.
Auch wird mir einfach zuviel in die Geschichte reingequetscht. Für mich behandelt eine Kurzgeschichte immer nur einen Ausschnitt und nicht eine große Geschichte, die auf wenige Seiten komprimiert wird.
Und die Schießerei hat mich völlig aus der Atmosphäre gerissen. Der Dialog las sich nicht angenehm, die ganze Szene mitsam Dialog und Erklärung wirkte auf mich nicht harmonisch sondern stark konstruiert. Wie gesagt, ich wurde einfach nicht warm damit. 😕
 

Sittich

Well-Known Member
Die Geschichte hat mir auch gefallen. Wie Rantman schon sagt, fühlte sie sich recht rund an, die Idee fand ich auch gut. Bei der Schießerei bin ich auch bei Rantman. Das lockere Verhalten der Figuren war ganz cool, aber dass z.B. Willie einfach so nebenbei totgeschossen wird ohne große Reaktionen, war etwas irritierend.

Das Thema ist toll umgesetzt. Der Titel auch toll doppeldeutig (auf Felix' Verhalten bezogen).

Insgesamt feines Ding mit etwas Sand im Getriebe ( :shrug: )
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Diese Story ist von mir. Vielen Dank für euer Feedback und die Punkte.

Die Geschichte wird übrigens (zusammen mit drei anderen Kurzgeschichten und einer Novelle) im nächsten Monat veröffentlicht.
 

Rantman

Formerly known as Wurzelgnom
Wie kommts zu der Kurzfristigen Veröffentlichung? Hattest du die Geschichte schon in der Hinterhand und dann passend zum Thema rausgeholt?
Oder geht sowas heutzutage so schnell?

Und wird die so veröffentlicht, wie hier gepostet oder noch überarbeitet? Mich würd ja schon interessieren, ob du das Feedback in irgendeiner Art verwertest.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Ich schreibe zu jedem Wettbewerb eine neue Kurzgeschichte und nicht irgendeine alte aus der Schublade.
Das Buch war schon länger geplant und an der besagten Novelle habe ich zwei Jahre lang gearbeitet. Eigentlich sollte anstelle von "Der Sack" eine andere Story ins Buch aufgenommen werden, aber dann habe ich mich umentschieden.
Ein bisschen werde ich sie noch überarbeiten, aber wahrscheinlich nur eine Stelle gegen Ende, wo der Erzähler einen zu belehrenden Monolog hält.
 

vampireMiyu

Well-Known Member
Puh- habe ja bereits im Abstimmungsthread geschrieben, dass ich leider nicht dazu kommen werde bis Ende der Deadline alles zu kommentieren und genauso ist es auch gekommen. Irgendwie fände ich es aber trotzdem schade jetzt gar nichts mehr zu sagen, weswegen ich das noch nachhole. Wenn nicht gewünscht, auch gut.

Insgesamt ist die Geschichte gut geschrieben. Es hat eine interessante Idee, das Thema ist auf jeden Fall ganz cool umgesetzt und hätte ich nicht in der Form erwartet. Handwerklich wenig zu meckern, aber vielleicht müsste ich dafür die Geschichte nochmal parallel zum kommentieren lesen und dafür fehlt mir leider momentan in die Zeit, in die Tiefenanalyse zu gehen.

Aber trotzdem fehlt mir irgendwas. Die Charaktere empfinde ich alle nicht als Glaubhaft, auch nicht innerhalb dieser Welt, sondern fast Comichaft. Sie wirken für mich wie Figuren aus einem Cartoon statt realen Personen. Die Auflösung war mir auch zu gestellt, in dem der "böse" dort hin kommt, Jemanden erschießt und dabei wildfremden Menschen erstmal in Ruhe alles lange erzählt. Irgendwie passt das für mich gar nicht. Am Ende dann noch der erhobene Zeigefinger, aber der wurde ja auch bereits mehrmals erwähnt. Auch im Vergleich zum stark erhobenen Zeigefinger, geht mir die Ironie zu sehr flöten, dass er dann doch ein Mitläufer ist und jetzt "Eistragen" möchte.

Insgesamt ganz gut, aber ich persönlich kann da keinen richtigen Draht zu finden, was ich ehrlich sehr schade finde, weil ich die Grundidee sehr mag und sie auch sehr angenehm zu lesen empfand.
 
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