Story VI - Lost Souls

Calibane

Well-Known Member
Oh ja. Ich hätte besser in der Nacht, als ich die Geschichten zuerst gelesen hatte, sofort Kritiken schreiben sollen, jetzt ists doch immer ne neue Rekonstruktions-Arbeit :biggrin: .

Die Geschichte ist ganz eindeutig eine der stärksten.
Das Zitat zu Anfang ist eigentlich nicht neu, wurde aber in diesem Wettbewerben wenn ich mich recht entsinne noch nicht richtig eingesetzt und sitzt hier eindeutig, da es auch nicht beliebig, sondern durchdacht ist. Ein Bibel Zitat, und dazu auch noch aus dem Johannesevangelium, dem apokalytischen Action-Part der Bibel :biggrin: . Im Zusammenhang mit der stärksten Machtperiode des Christentums im Mittelalter.

Da mein ganz subjektiver erster Angriffspunkt. Ich persönlich wehre mich inzwischen mehr und mehr gegen diese Verteufelung des Mittelalters, wie diese Periode auch hier gezeichnet wird. Wenn ich mich nicht täusche, ist die Inquisition auch eher ein spätmittelalterliches Phänomen, wenn man es überhaupt noch da einorden kann.
Dafür werde ich jetzt nicht sofort extra nachrecherchieren (augenscheinlich hat aber in einigen Aspekten zumindest dies der Autor gemacht, der für diese Aufwand bereits zu loben ist), ich meine mich einfach so zu entsinnen und würde daher diese historische Verklärung und Ungenauigkeit ein wenig mit einem Stirnrunzeln betrachten.
Sagen wir so, ich für mich ändere nach und nach diese uns indoktrinierte und oft fehlerhafte Einstellung zum Mittelalter, daher ist dieser thematische Aspekt mir ein wenig unlieb.

Mal beieite, dieser Titel, hach, lateinisch, italienisch, spanisch oder halt deutsch, von mir aus sogar hebräisch wäre mir lieber und hätte auch besser gepasst als dieser platte englische, scheinbar reißerisch klingend sollende Titel. Allein dasselbe in deutsch und es wäre mir nicht aufgefallen.

Sprachlich sonst sehr lobenswert, kurze Absätze, flüssige, richtig dosierte Bildlichkeit in einem gepflegten Ausdruck.
Ebenfalls sehr originell ist die Art und Weise der Erzählung, nämlich die eines "bösen" Märchens. Auch das ist, weiß Gott ob gewusst oder nicht, eine so passende Form, wo sich Konzept vermuten lässt.
Dieser Zeitabschnitt ist ja vor allem später in die Wahrnehmung eingeprägt worden durch Sagen, Mythen und Märchen weniger durch handfeste Berichte oder große zeitgenössische Faktizitäts-Romane. Zudem ist dieses zwielichtige der Erzählung ein perfekter Guselinitiator, es sind diese Gutenachtgeschichten,bei denen man am liebsten die Taschenlampe anlassen möchte :biggrin: .

Jetzt die inhaltliche Entfaltung. Sehr interessant, nach und nach, ganz im märchenhaften Stil, werden die Personen eingeführt, die Beziehungen abgestimmt und nach und nach scheint der Hauptcharakter mehr durch, desses Wahnsinn plötzlich aufgedeckt und beleuchtet wird und den abwartenden Leser plötzlich in Abgründe blicken lässt, sowohl was Williams Taten als auch seine Psyche und gleichso eine marode, bigotte Gesellschaft angeht. Spätestens ab dem Moment der Umarmung der Leiche "seiner" Hexe wird das deutlich.
Das Berechnende, Kühle Williams ist erschreckend und schockt wirklich.

Sehr schön ist das auch gegen Ende diese bewusste Verwischung von Realität und Fiktion und das ironisierende Element, das betont, wie sehr der Text zwar eigentlich erfunden ist, lässt aber die Schranktür im Schlafzimmer, wo das Monster lauern könnte, doch noch einen Spalt breit auf :wink: .

Es ist hier ein düsteres Bild, ein passendes, durchdachtes Gebäude, sprachlich und wirkungstechnisch sehr schön.
Wie gesagt, mir gefällt das Mittelalter-Bild nur bedingt, die versteckten Intentionen neben der Unterhaltungsgeschichte sind vielleicht nur Einbildung von mir, aber da schwebt so dies und das im Subtext für mich mit, mit dem ich mich irgendwie nicht anfreunden will, um mal ebenso schwammig zu bleiben wie der Verfasser gegen Ende.

Insgesamt aber der ganz klare Fingerzeig: :top:
 

Paddywise

The last man
Anfangs hat mich das ganze ein wenig an das Parfum erinnert. Aber schon nach kurzer Zeit bekommt das ganze einen mystischen Touch und setzt sich sehr gut davon ab. Die gut gewählten Bibelzitate und auch die Märchenhafte Schreibweise lassen erkennen das sich der Autor hier große Mühe gegeben hat. Einzige Sache über die ich länger nachgegrübelt habe war das 12 Opfer, das eigentlich noch gefehlt hatte. Und wieso benutzt man den Titel eines schrecklich billigen Horrorfilmes?

Das ändert aber nichts an der sehr guten Geschichte. :yeah:
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Original von Paddywise
Einzige Sache über die ich länger nachgegrübelt habe war das 12 Opfer, das eigentlich noch gefehlt hatte.
Also wenn ich das richtig verstanden habe, war das zwölfte Opfer der Inquisitor (das erste war die Hexe, dann 11 andere Menschen, von denen das elfte Opfer der Inquisitor ist, dann der Mann selbst).

Der Titel hätte wirklich etwas einfallsreicher sein können. "Lost Souls" klingt zu abgedroschen.

Der Schreibstil und die Story selbst sind recht gut, kann man lesen.
 

wurnz

New Member
hab die geschichte schon vor ein paar tagen gleich als erstes gelesen, jedoch komme ich jetzt erst zum antworten.

also ich muss sagen, wow. sehr geil.
mir gefällt die Idee, dass die Hexe einen jungen Mann für ihre Dienste bzw Rachepläne nach dem Tod verführt. Die langsame Aufdeckung ist ebenfalls gut.
Der Schreibstil könnte etwas besser sein. ab und zu sind etwas kurze ausführungen drin. aber dennock klasse. echt gut.
 

Vermouth

New Member
Die Geschichte selbst hat mir ziemlich gut gefallen. Der Schreibstil ist recht einfach, aber gut zu verstehen und sehr nett zu lesen.

Über den Titel kann man sich streiten, ich finde ihn nicht so besonders, aber darüber kann man eigentlich gut hinwegsehen, denn die Geschichte zählt! Zwar hat sie mir nicht so viel Schrecken eingejagt, dennoch gefällt sie mir sehr!
 

Joel.Barish

dank AF
Der Titel ist schwach, da muss ich mich den Anderen schon mal anschließen.

Den umfassender Erzähler, nennen wir ihn mal "Märchenonkel", fand ich sehr schön. Der Einleitungsspruch klingt zwar wirklich stark nach "Das Parfüm", aber gerade die abschließende Hinterfragung des Ganzen, ob Mythos, Hirngespinst oder Wahrheit, ist sehr interessant.

Die Handlung selbst ist auf jeden Fall originell und der Schreiber schafft es ein sehr lebendiges Szenario zu entwerfen. Hier entstehen mit Leichtigkeit gut ausgeprägte Bilder, die der Schreiber nicht alle seinen gewählten Worten zu verdanken hat, da sie einfach schon vorgeformt sind, die er aber gut nutzt. Die Figur des William ist gut dargestellt und wirkt lebendig.

Leicht enttäuschend ist der Gruselfaktor, der anfangs noch bedingt vorhanden ist, sich später aber in Williams Erlösungsfantasien verliert. Die religiösen Symbole und Hintergründe scheinen nicht so stark durch, wie man es hätte erwarten können, lediglich wird mal wieder die Inquisition in altbekannter Manier dargestellt. Ich persönlich kann damit leben, hätte aber in dieser Hinsicht auch ein bisschen mehr Originalität durchaus zu schätzen gewusst.

Negativ fallen mir Einzelheiten auf. Die Beschreibung der sexuellen Handlungen zwischen William und Jeanette sind ungewohnt explizit geraten und wirken deplaziert. Die bloße Erwähnung, dass soetwas stattgefunden hat, hätte für mich besser zur Gesamtwirkung gepasst. Das Ritual an sich klingt für mich dann zu konstruiert, um eben zu den Ideen mit Hexenverbrennung, Sohn tötet Vater und Hinrichtung Williams zu passen. Dazu gesellt sich ein recht platter Dialog zwischen William und seinem Vater.

Fazit: Origineller Grundsatz mit kleineren inhaltlichen Schwächen und kleinem Gruselfaktor. Schreibtechnisch geht das absolut in Ordnung und die Mühe, die sich der Schreiber hier gemacht hat, ist deutlich erkennbar. "Gut" nennt man das wohl.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Ja, das stimmt, der Titel ist wirklich unpassend. Die Geschichte ist nämlich viel besser als der willkürlich gewählte Name vermuten lässt.

Sehr schöne Beschreibungen, ich muss zugeben anfangs auch an "Das Parfüm" gedacht zu haben, aber das ändert sich ja im Verlauf der Geschichte recht schnell.

Da sich die sexuellen Szenen in Minimalismus halten, würde ich sie auch nicht überbewerten. Insgesamt eine Geschichte, die vor allem durch ihre reife Schreibweise auffällt.

:top:
 

Deathrider

The Dude
Der Titel ist in der Tat etwas platt. Allerdings ist der Rest der Story durchaus ordentlich geschrieben und wartet mit starken Eindrücken auf.

Ob das ganze jetz 100%ig historisch korrekt ist, lassen wir mal dahingestellt (wobei ich mich mit den geschichtlichen Hintergründen nicht wirklich auskenne, aber wenn ich mir Calibanes Post so ansehe scheit es doch in gewisser Weise nicht verkehrt zu sein, sich darüber zu informieren. Fragt sich nur wo/wie). Dafür entschädigt ja anfang und ende, der das ganze wie ein Märchen wirken lässt und die Historische Seite wieder relativiert, zumal auch keine Datumsangaben gemacht wurden.

Habe sonst nicht viel zu meckern. Hat was von Sieben meets Dämonisch. Ein Schuss Gore, eine Prise Erotik, fein abgeschmeckt mit etwas Gesellschaftskritik... guter Beitrag.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Nun möchte ich mich zu dieser Geschichte bekennen und auf den einen oder anderen Kommentar von euch eingehen.
Aber zunächst einmal bedanke ich mich bei den Leuten, die meine Geschichte gelesen und ein Feedback hinterlassen haben :top:
Original von Calibane
Da mein ganz subjektiver erster Angriffspunkt. Ich persönlich wehre mich inzwischen mehr und mehr gegen diese Verteufelung des Mittelalters, wie diese Periode auch hier gezeichnet wird. Wenn ich mich nicht täusche, ist die Inquisition auch eher ein spätmittelalterliches Phänomen, wenn man es überhaupt noch da einorden kann.
Dafür werde ich jetzt nicht sofort extra nachrecherchieren (augenscheinlich hat aber in einigen Aspekten zumindest dies der Autor gemacht, der für diese Aufwand bereits zu loben ist), ich meine mich einfach so zu entsinnen und würde daher diese historische Verklärung und Ungenauigkeit ein wenig mit einem Stirnrunzeln betrachten.
Sagen wir so, ich für mich ändere nach und nach diese uns indoktrinierte und oft fehlerhafte Einstellung zum Mittelalter, daher ist dieser thematische Aspekt mir ein wenig unlieb.
Nun ja, es gab nun mal Inquisition und es gab nun mal Hexenverbrennungen. Ich wollte das Mittelalter nicht verteufeln.
Einzige Sache über die ich länger nachgegrübelt habe war das 12 Opfer, das eigentlich noch gefehlt hatte.
Das zwölfte Opfer war der Inquisitor (das erste war die Hexe, dann 11 andere Menschen, von denen das elfte Opfer der Inquisitor ist, dann William selbst).
Die Beschreibung der sexuellen Handlungen zwischen William und Jeanette sind ungewohnt explizit geraten und wirken deplaziert
Japp. Die Stelle werde ich gleich löschen. Im Nachhinein ist es mir auch aufgefallen.

Und zu guter Letzt: Der Titel. Zuerst wollte ich die Geschichte "Dear Witch" nennen, habe es dann aber in "Lost Souls" umgeändert. Das hat allerdings nichts mit dem schlechten Horrorfilm zu tun, sondern mit einem Lied von Outlawz. Den Titel werde ich auch ändern (nicht hier, sondern auf meinem Rechner). Was hält ihr von "Verlorene Seelen"? :biggrin:

Danke noch mal für eure Mühe! :top:
 
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