Story XXXIX - Die Furcht vorm Lieben

Clive77

Serial Watcher
„Das Leben ist eine Krankheit, die durch Geschlechtsverkehr übertragen wird und ausnahmslos tödlich endet.“ Das waren die Worte, die Sarah sich ihre Kindheit über von ihrem alleinerziehenden Vater anhören musste. Sarahs Gedanken an ihre Jugend und ihren Erzeuger ließen sie nicht los, als sie ihren Kopf in der Decke von Samuel vergrub und heulte, wie schon seit vielen Jahren nicht mehr.

- Er hat Mamas Suizid nicht verkraftet. Das hat alles kaputt gemacht.

Sie weinte wie nur eine Mutter weinen kann, die kurz davor ist ihrem eigenen Kind Lebewohl zu sagen. Sie dachte zurück an die gemeinsame Zeit mit ihrem Sohn, der ihr Leben und auch sie entscheidend veränderte.

- So ein Blödsinn. So vieles passiert dazwischen, so vieles vor dem Tod! Papa hatte Unrecht. All das, was Samuel und ich hatten war keine Krankheit. Er war mein Gegengift. Jedes Wort, jede Umarmung, jeder Kuss, egal wie nass er auch war, schenkte mir Glück und Frieden. Dies alles war mehr als ich mir zuvor auch nur hätte ausmalen können. Jeder Moment mit ihm war ein Kosmos für sich und jede Erinnerung an uns ist ein einzelnes Leben. Nein! Die Zeit war nicht um sonst. Sie war so viel mehr!

Traurig blickte Sarah auf die Kanüle in Samuels Arm. Danach kramte sie ein Foto aus ihrer Jeanshose und blickte auf ihre Familie. Sie sah ihren Mann, Amy, Samuel und sich selber an einem lauwarmen Sommertag im eigenen riesigen Garten. Alle strahlten vor Glück um die Wette.

- Geld, Liebe und Geborgenheit. Ich habe all dies erreicht, aber der dumme alte Spruch mit der Gesundheit bleibt der einzig wahre.

Als sie sich selber auf dem Foto sah, fiel ihr wieder ein, dass sie ein Septum trug und eine eintätowierte schwarze Rose von ihrer Brust bis zu ihrem rechten Auge emporragte. Dazu betrachtete sie ihre stolzen blauen Augen und ihren glatt rasierten Schädel. Ihr rebellisches Aussehen hatte sie durch die Anstrengung der letzten Monate fast vergessen. Sie fühlte sich nur noch wie eine Mutter, die Angst hat ihr Kind zu verlieren und nicht mehr wie ein vollkommen eigenständiges Wesen, aber dies war überhaupt nicht schlimm für sie. Sarah hatte sich noch nie besser gefühlt. Vorsichtig tastete sie ihr Septum ab, als ob es ein Fremdkörper an ihr war, das nicht mehr zu ihr passte. Danach fuhr sie mit ihren Fingern über ihre Kopfhaut, um ihre kurzen Stoppel zu spüren, bis sie bemerkte, dass sie eine Mütze trug. Sie erinnerte sich zurück an das, was Samuel noch kurz vor der Diagnose zu ihr sagte.

- Du bist keine typische Mama. Du kannst beatboxen, du fährst Longboard mit uns und niemand kann sooo schön singen, wenn wir nachts nicht einschlafen können. Deshalb bist du toll. Wir lieben dich. Unsere Mama ist ein Kunstwerk und sie hat uns mit Liebe gemalt.

Diese Worte wärmten Sarah, aber das schlechte Gewissen für die Todesangst ihres Sohnes verantwortlich zu sein ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie fühlte sich so allein, als ob niemand mehr zu ihr hielt, bis auf Amy. Sie wusste ganz genau, was die Ärztin von ihr wollte, als sie an Sarah herantrat und zu ihr sprach.

- Es ist nicht Ihre Schuld. Glauben Sie mir, sein Körper war schwach. Sie haben Ihr Bestes gegeben und um das Leben Ihres Sohnes gekämpft. Sie haben ihn mit Ihrer Liebe so lange wie es nur ging am Leben gehalten.
- Das Beste? Er hatte Angst. Er wollte nicht fliegen und ich habe ihn gezwungen. Ich bin dafür verantwortlich, dass er jetzt so schwach ist. All seine Freunde wussten, dass er das Fliegen hasst. Ich habe ihn dennoch überredet. Wie kann ich dann eine gute Mutter sein?

Sarahs Stimme brach langsam weg. Sie zog nervös ihre Mütze aus und strich über ihre Haare, die gar nicht mehr so kurz waren, wie sie dachte. Die Ärztin schaute sie irritiert an.

- Die Operation war seine letzte Chance. Er musste in die Schweiz transportiert werden, da sein Zustand kritisch war. Es ist die beste Spezialklinik für Leukämie, mit dem besten Equipment und mit tollen Kollegen. Es war die einzig richtige Entscheidung ihn dort operieren zu lassen. Deswegen habe ich Sie begleitet, wie auch in den letzten Monaten.
- Er wollte es aber nicht! Verstehen Sie das nicht! Ich habe ihn gezwungen. Ich wollte ihn niemals zwingen zu fliegen. Er hatte doch so große Angst dem Himmel so nah zu sein. Er wollte doch nur hier auf der Erde bei seiner Familie bleiben, als er erfuhr, dass sein Körper schwächer ist als andere. Das ist alles nur meine Schuld und nun liegt er da.

Sarah fing an zu weinen. Behutsam wählte die Ärztin jedes Wort. Sie sprach langsam und verständnisvoll zu Sarah.

- Samuel hat Sie geliebt und er wusste, dass Sie das Richtige tun. Sie sind eine gute Mutter, vielleicht die Beste, dich ich jemals gesehen habe. Sie haben für ihren Sohn gekämpft und das mit allen Mitteln! Aber der Kampf ist verloren und zwar seit Wochen. Doch Sie können andere Menschen retten, wenn Sie Ihren Sohn endlich gehen lassen.
- Wenn ich das Richtige getan hätte würde er jetzt nicht einfach so da liegen. Lassen Sie mich also nun in Ruhe! Bitte! Ich kann nicht mehr!

Sarah fühlte sich bedroht. Ein Blitzen war in ihren Augen zu erkennen. Wie eine Löwin umklammerte sie den Körper ihres Sohnes, küsste seine Stirn und sah die Ärztin mit einem Blick an, den nur eine Mutter entwickeln konnte. Die Ärztin wich erschrocken zurück, als ob sie geahnt hätte welche Konsequenzen ihr drohen könnten, wenn sie Sarahs Jungen zu nahe treten würde.

- Gehen Sie weg! Auch Sie kriegen meinen Sohn nicht!
- Bitte seien Sie doch vernünftig. Wir brauchen seine Organe, ehe es zu spät ist. Menschenleben hängen davon ab. Das versuche ich Ihnen die ganze Zeit zu erklären.
- Er ist ein Mensch. Es geht um sein Leben.
- Und was ist mit Amy? Sie ist sehr schwach. Sie müssen an sie denken!

Sarah erschrak in dem Moment. Die Ärztin hatte recht. Sie hatte immerhin noch eine Tochter, ein weiteres Kind, das sie ebenfalls über alles liebte. Die Müdigkeit ließ ihre Gedanken immer unklarer werden. Sarah hatte sich in ihrer Kindheit eigentlich geschworen nie jemanden zu lieben. Sie wollte nicht enden wie ihr Vater, der nach dem frühen Tod von Sarahs Mutter nie mehr in der Lage war, jemanden zu lieben wie sie und nie wieder tiefe Gefühle empfinden konnte und alles andere von sich wies. Deshalb wollte sie gar nicht erst damit anfangen ihr Herz zu öffnen, etwas zu säen das am Ende nur verwelkt und dadurch angreifbar zu sein. Doch nach Samuels und Amys Geburten wurden die Ängste zu Plattitüden und alle Vorsätze waren dahin.

Nicht nur mit ihrem Mann, auch mit ihrer Halbschwester hatte sie sich zerstritten. Beide warfen ihr vor, sich nicht um Amy, sondern sich nur um Samuel zu kümmern, selbst dann als es für Samuel viel zu spät war. In den letzten Wochen wurden die Vorwürfe immer schlimmer, bis man im Streit auseinander ging. Die Leukämieerkrankung hatte ihre halbe Familie auseinandergerissen. Amy hatte sich als einzige nie beklagt. Es schien so, als ob es ein unsichtbares Band zwischen Sarah, Samuel und ihr gab, das sie auf ewig binden sollte und das nichts und niemand jemals zerschneiden könnte, auch nicht der Tod.

Tief in ihrem Herzen spürte Sarah, dass sie etwas ändern musste. Sie drehte sich um und sah wie abgemagert und zerbrechlich ihre kleine Tochter war. Trotz der schlimmen Umstände schlief sie tief und fest. Die Ärztin trat erneut an Sarah heran, diesmal wirkte ihr Ton flehender.

- Hören Sie. Es ist keine Sterbehilfe wenn Sie ihn gehen lassen. Ihr Sohn lebt schon seit über einem Monat nicht mehr, aber es ist direkte Sterbehilfe, wenn Sie nicht an Ihre Tochter denken. Sie helfen ihr dabei zu sterben! Sehen Sie das denn nicht? Sie braucht Samuels Energie. Das Herz ihres Sohnes schlägt schon lange nicht mehr.
- Holen Sie bitte noch einen anderen Arzt. Ich möchte noch ein letztes Mal eine weitere Meinung hören, ob es für ihn wirklich zu spät ist. Vielleicht lebt er noch?

Sarah streichelte Sam ein letztes Mal und strich ihm seine Haare aus dem Gesicht. Für sie hatte sich sein Lächeln in den letzten Wochen nicht verändert. Die Ärztin sah Sarah ratlos an und nahm ihre Hand. Ganz ruhig sprach sie zu Sarah. Dennoch merkte man ihrer Stimme an, dass sie Schmerzen hatte. Sarah blickte auf die dünnen Finger der Ärztin, die fast nur noch aus Knochen bestanden.

- Frau Mayer, wissen Sie wirklich nicht wo wir sind? Das hier ist kein Krankenhaus! Ist Ihnen das nicht bewusst? Seit fast neun Wochen befinden wir uns woanders. Schauen Sie sich doch um. Wachen Sie auf! Sie dürfen jetzt nicht halluzinieren! Bleiben Sie bei Verstand, auch wenn es schwer fällt.

Erst jetzt registrierte Sarah wieder den kalten Atem der Ärztin sowie ihre blau angelaufenen Lippen. Sarah schaute sich die Ärztin genauer an. Die Frau trug den Joggingpullover ihres Mannes. Ihr Gesicht war mit vielen Narben gezeichnet. Die modischen schwarzen Handschuhe von Sarahs Halbschwester waren bereits abgenutzt und die knochigen Finger der Ärztin, die sie die letzten Monate begleitet hatte, stachen hervor. Sarah schaute sich nun genauestens ihre Umgebung an.

Wände und Fenster gab es nicht. Ein kalter Wind wehte ihr in diesem Moment entgegen. Sie blickte sich in der Höhle um, in der sie sich befanden. In Wirklichkeit handelte es sich eher um einen größeren Felsspalt unweit der Absturzstelle, der leicht überdacht war und in den es in diesem Moment hineinschneite. Die Ärztin ließ ihre Hand nicht los und lächelte sie an. Erst jetzt bemerkte Sarah, dass der Frau die vorderen Schneidezähne fehlten.
 

Clive77

Serial Watcher
- Ich werde Sie nicht angreifen. Sie sind bei weitem stärker als ich und ich will nicht so enden wir Ihr eigener Mann und Ihre Schwester. Sie sind eine Mutter, genauso wie ich und ich weiß wozu wir im Stande sein können. Doch Amy und ich, wir brauchen Samuel. Die neuen… Rationen… sind aufgebraucht. Ihr Sohn kann unser Leben retten. Verstehen Sie das nicht? Ich weiß, dass dies in normalen Situationen unvorstellbar ist und fürchterlich klingen mag, aber wollen Sie wirklich noch ein Kind verlieren?

Sarah blickte auf die Ärztin, die geschwächt vor ihr stand und sich ihr gebrochenes Bein hielt. Sarah griff in ihre Hosentasche und kramte ein Taschenmesser hervor. Sie betrachtete es näher. Alle Klingen waren mit Blut verschmiert. Sarah starrte mehrere Sekunden auf das Messer. Dann blickte sie mit einem stechenden Blick auf die Ärztin und fixierte wieder das Messer. Man sah ihren nervösen Pulsschlag und den Wahn in ihren Augen. Dies wiederholte sie mehrmals ehe sie das Messer resignierend in den Schnee warf.

- Er ist doch noch so jung!
- Aber er ist tot und wir leben! Ihre Tochter lebt! Verstehen Sie das endlich! Ich werde Ihre Entscheidung akzeptieren, aber Amy und ich werden nicht mehr am Leben sein, wenn das Rettungsteam eintrifft. Wissen Sie wie groß das Gebiet der Alpen ist? Es kann noch Wochen dauern bis sie uns endlich bergen, falls das überhaupt noch geschieht!

Sarah dachte an den Absturz und die Angst in Samuels Augen in jenem Moment.

- Seine Schreie waren soo schrill und voller Qual. Tagelang nach dem Absturz sprach er kein Wort. Wie konnte ich ihm so etwas nur antun?

Sarah dachte an die Streitereien mit ihrem Mann und ihrer Schwester und wie sie sich auf Samuels leblosen Körper stürzten, wenige Stunden nachdem sein schwacher Körper aufgehört hatte zu leben. Sie wusste nicht, ob die Geschehnisse doch nur ein schlimmer Albtraum waren.

Die Ärztin ließ nun ihre Hand los und versuchte ein letztes Mal sie zu überzeugen.

- Sie müssen ihn loslassen. Er hätte es nicht anders gewollt. Wir beide wissen doch wie viel ihm Amy bedeutete. Ich bin mir sicher er hätte gewollt, dass ihr Leben gerettet wird.
Sarah schaute auf ihre geschwächte Tochter. Sie war abgemagert und zitterte. Dann blickte sie ein letztes Mal intensiv auf den Körper ihres Sohnes. Nach langem Zögern nickte sie der Ärztin zu, küsste Samuels Stirn und ließ ihn los. Wortlos verschwand sie aus der Höhle.

Sarah begab sich langsam nach draußen, während die Ärztin die Decke von Samuels Körper nahm. Sie blickte auf seinen Unterkörper, der nur mit einer Unterhose bedeckt war. Sein Oberschenkel und seine Waden war mit Bissspuren übersäet. Die Ärztin beobachtete mit Angst in ihren Augen jeden von Sarahs Schritten. Erst als Sarah nicht mehr zu sehen war, wickelte sie die Decke zärtlich um Amy, welche allmählich aufwachte.

- Wo ist Mama? Ich habe so große Furcht. Die Hälfte von uns lebt nicht mehr. Werden wir es noch schaffen?
- Psst. Alles ist gut! Sie ist noch einmal zu dem Wrack zurückgekehrt, um nach Lebensmitteln zu suchen. Schlaf weiter. Gleich gibt es was zu essen!
- Ich vermisse Papa und Tante Christina. Ist Mama auch auf uns so böse! Ich habe Angst, dass sie mich bestraft!
- Keine Sorge, mein Kleines. Sie liebt dich über alles! Sie würde dir nie etwas antun. Und jetzt schlaf. Bald ist alles vorbei! Sei so tapfer wie bisher!

Amy schloss die Augen und schlief ein. Danach begab sich die Ärztin nach draußen. Dort schneite es stark. Die Sicht war eingeschränkt. Durch den pfeifenden Wind hörte sie ihre eigenen Schritte im Schnee nicht mehr. Sie beobachtete Sarah, wie sie sich drei Gräbern näherte und Grab für Grab deren Inhalte ausbuddelte. Aus jedem zog sie einen Leichnam, den sie gründlich inspizierte. Jede Leiche bestand zum Großteil nur noch aus Knochen.

Sarah begann zu weinen. Paralysiert blickte sie auf zwei der Skelette, nur die Überreste aus dem Grab des Piloten schienen sie nicht zu interessieren. Sarah realisierte erst in diesem Moment was geschehen war. Der Wind pfiff so laut, dass die Ärztin ihre Worte nicht verstehen konnte, als sie zu den beiden Skeletten sprach.

- Es tut mir so leid. Ich wollte euch das nie antun! Ich schäme mich so sehr, aber er konnte sich doch nicht wehren. Ich musste ihn beschützen. Das war meine Pflicht. Ihr ward selber schuld.

Sarah warf sich vor die Knochen auf den Bogen und begann zu weinen. Langsam wurde es dunkel. Ihre schrillen und wilden Schreie waren nun durch den Wind hindurch zu hören. Sarah drehte sich um. Sie bemerkte wie die Ärztin sie beobachtete. Mit einer Taschenlampe leuchtete sie auf die Ärztin. Sarah sprang auf und ging schnellen Schrittes auf die Frau zu. Als die Ärztin merkte, dass Sarah sie gesehen hatte, humpelte sie so schnell wie sie nur konnte zurück in die Höhle. Hysterisch durchwühlte sie dort den Schnee und suchte zitternd nach dem Messer. Sie merkte nicht wie sich ihre Finger im Dunkeln an zahlreichen Steinen aufschnitt. Als das Licht der Taschenlampe immer näher kam, flüchtete die Ärztin zu Amy, schloss ihre Augen und umschlang Amys Körper. Vor Erschöpfung schlief sie neben ihr ein.

Es dauerte eine halbe Stunde bis Sarah zurückkehrte. Sie beobachtete die Ärztin und ihre schlafende Tochter, die nun nur noch sehr schwach atmete. Sarah küsste Amys blau angelaufenen Lippen und begab sich danach zu Samuel. Sie beugte sich nieder und flüsterte leise etwas in sein Ohr.

- Ich danke dir für den Beweis, dass das Leben ein Geschenk ist. Vielleicht ein Geschenk mit einigen Dornen, deren schöne Erinnerung aber eine lebenslange Garantie hat. Amy und ich, wir werden dich niemals vergessen, mein Kleiner.

Sarahs Gedanken wurden immer wirrer. Sie sah für einen kurzen Moment ihren Vater vor dem geistigen Auge, der eine Zigarette rauchte und sie ignorierte.

- Nein. Nein. Nein. So bin ich nicht. Ich bin nicht wie du, Vater! Ich bin anders. Hörst du? Ich bin anders als du!

Sarah schlug sich schreiend mit ihrer Faust ins Gesicht und besann sich allmählich. Sie schaute sich mit der Taschenlampe in der Höhle um. Sie blickte wieder zu Samuel, küsste seine Stirn ein letztes Mal und das so lange bis ihre Lippen sich kaum von seiner Haut lösten.

- Danke für jede Sekunde! Danke, dass du deiner Schwester das Leben retten wirst. Und danke, dass du meines hast mit 22 Jahren beginnen lassen! Ich liebe dich.
Sarah hob ihren Sohn hoch. Als die Ärztin ihre Augen öffnete, ging Sarah an ihr vorbei und übergab ihr Samuel. Danach ging Sarah zurück und suchte mit der Taschenlampe das Taschenmesser. Als sie es gefunden hatte, steckte sie es mit der Taschenlampe in die Hosentasche der Ärztin und nickte ihr unter Tränen zu. Diese lächelte ihr verschmerzt zu und verschwand mit dem Messer nach draußen. Sarah legte sich zu Amy, küsste die Stirn ihrer schlafenden Tochter und flüsterte zart in ihr Ohr.

- Alles wird gut. Samuel, du und ich, wir sind bald auf ewig verbunden. Mach dir keine Sorgen!

Amy, die immer noch schlief, begann zu lächeln und kuschelte sich an ihre Mutter.
 

Woodstock

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Okay... :huh:

Das war ein kleiner Mindfuck aber ein paar Sachen haben mich immer wieder rausgerissen. Am Anfang habe ich nicht ganz verstanden um wen es gerade ging.
- Er hat Mamas Suizid nicht verkraftet. Das hat alles kaputt gemacht.
Erst dachte ich, damit sei Samuel gemeint und ich habe mich dann gefragt wer die Frau ist die da weint, dann erst bin ich drauf gekommen, dass es der Vater der Mutter ist.

Dann waren es solche Kleinigkeiten, wie das Krebspatienten eigentlich nur in absoluten Ausnahmefällen Organe spenden dürfen und auch nur, wenn sie geheilt waren und nicht an Krebs gestorben sind. Eine Mutter die einen Leukämiekranken Jungen hat, müsste das wissen, womit ihr Gedankenkonstrukt nicht funktionieren kann. Ich weiß das spielt später keine Rolle mehr und traumatisierte Menschen, denken nicht immer logisch aber der Leser schon. Ich hätte dem Jungen dann vielleicht ein seltenes Herzleiden oder eine schwere Kopfverletzung verpasst. Das wäre gegangen. Ich nehme an, dass sein krebs noch immer der Grund für den Flug war.

Auch ist das Gebiet der Alpen zwar groß aber ich bezweifle, dass französische, österreichische, deutsche, italienische und schweizerische Rettungsmannschaften so lange suchen müssten, dass die Überlebenden bereits dem Kannibalismus verfallen würden. Das Gebiet ist recht gut erschlossen und die Mannschaften sind einfach Profis. Klar, hier kann man es der künstlerischen Freiheit zugestehen und wer weiß, in welcher Spalte und in wieviel Neuschnee das Flugzeug liegt aber komisch fand ich es schon.

Insgesamt gefiel mir aber der Charakter der Mutter und das es eine ordentliche Wendung gegeben hat. Du hast auch ab und an ein paar sehr starke Formulierungen drin. Ich nenne mal zwei:

„Das Leben ist eine Krankheit, die durch Geschlechtsverkehr übertragen wird und ausnahmslos tödlich endet."
Starker Einstieg. :top:
Unsere Mama ist ein Kunstwerk und sie hat uns mit Liebe gemalt.
Der Letzte könnte noch etwas Arbeit vertragen aber ich finde es schön. :smile:
 

Joker1986

0711er
Woodstock schrieb:
Insgesamt gefiel mir aber der Charakter der Mutter und das es eine ordentliche Wendung gegeben hat. Du hast auch ab und an ein paar sehr starke Formulierungen drin. Ich nenne mal zwei:


Zitat „Das Leben ist eine Krankheit, die durch Geschlechtsverkehr übertragen wird und ausnahmslos tödlich endet."


Starker Einstieg.
Stimme ich zu!
Woodstock schrieb:
Zitat Unsere Mama ist ein Kunstwerk und sie hat uns mit Liebe gemalt.
Fand die Aussage für ein Kind doch etwas unpassend, bzw für mich nicht die Sprache eines (Klein)kindes.
Trotzdem war die Geschichte gut und die Kannibalensache hat mich unerwartet erwischt. Guter Twist. Leider hatte ich mit dem Schreibstil etwas Probleme und konnte die Geschichte nicht flüssig lesen.
Ist aber auch ein Punkteanwärter.
 

Clive77

Serial Watcher
Für meinen Geschmack ein bisschen zu konfus geschrieben, aber mit Blick auf die Hauptfigur kann das auch Absicht gewesen sein. Die Geschichte selbst hat mir aber gefallen, auch wenn mir "die Furcht vorm Lieben" wahrscheinlich nicht so ganz klar geworden ist.

Toll fand ich, dass dem Leser erst nach und nach klar wird, was tatsächlich passiert ist. Dachte man anfangs noch, der "Abschied" findet in einem Krankenhaus statt, erschließt sich mittendrin plötzlich, wo die Protagonisten sich tatsächlich befinden - das war schon ein kleiner Schlag in die Magengrube und die Vorstellung davon, was tatsächlich passierte, ist schon ziemlich bitter.
Die Kleinigkeiten, die Woodstock anspricht, sind mir aber auch leicht negativ aufgefallen. Um die Geschichte realistischer zu machen, hätte man da noch ein wenig recherchieren können - vielleicht den Ort des Absturzes woanders hin verlegen, die Krankheit des Jungen anders gestalten, etc.

Fehler sind mir sonst nicht großartig aufgefallen. Wie gesagt, stört mich eigentlich nur die etwas konfuse Erzählweise (die vermutlich der Hauptfigur geschuldet ist).

Punkte? Gut möglich.
 

Sittich

Well-Known Member
Ich schließe mich meinen Vorredner weitestgehend an. Mir hat diese allmählich Klarstellung der Situation auch gut gefallen. Vor allem diese "Auseinandergehen im Streit" mit der Familie sorgt rückblickend echt für Gänsehaut. :bibber:

Nicht so sehr gefallen haben mir die Dialoge. Da wirkte vieles gestelzt. Zum Beispiel

Clive77 schrieb:
Wenn ich das Richtige getan hätte würde er jetzt nicht einfach so da liegen. Lassen Sie mich also nun in Ruhe! Bitte! Ich kann nicht mehr!
Vor allem dieses "Lassen Sie mich also nun in Ruhe!" wirkt an der Stelle viel zu formal. Oder die ersten Worte des Kindes

Clive77 schrieb:
Wo ist Mama? Ich habe so große Furcht. Die Hälfte von uns lebt nicht mehr. Werden wir es noch schaffen
klingen für mich auch nicht richtig. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ihr Alter genannt wird, aber welches Kind fasst kurz nach dem Aufwachen die Ereignisse mit "Die Hälfte von uns lebt nicht mehr" zusammen? :hae:

Außerdem sehe ich keinen Vorteil darin, bei der wörtlichen Rede auf Anführungszeichen zu verzichten, aber vielleicht hat sich der Autor dabei etwas gedacht.

Dann noch eine Kleinigkeit. Ich hatte das so verstanden, dass die Mutter sich die Worte der Ärztin nicht zurechtbiegt und dementsprechend nicht verstanden, warum diese davon spricht, dass sie die Organe des Sohnes brauchen. Doch eher das gute, saftige Fleisch. Wobei das auch seltsam geklungen hätte. :squint:

Insgesamt vom formellen Standpunkt aus nicht die stärkste Geschichte, aber inhaltlich auf jeden Fall ziemlich dufte. :top:
 

MamoChan

Well-Known Member
Mir gefällt gleich der Anfang mit dem Ambrose Bierce-Zitat. :top: War Gleich das Erste, das mir auffiel :smile: :top:

Mit der Geschichte selbst tue ich mich etwas schwer. Die Idee den Zuschauer in die Irre zu führen und die Auflösung erst langsam anzudeuten und dann dem Leser zu präsentieren finde ich zwar sehr gut, aber die Ausführung ist mir zu holprig. Nun kann ich nicht sagen, ob es vom Autor so beabsichtigt war, aber ich muss einfach sagen, meins ist es nicht. Es wirkt mir teilweise zu konstruiert und hingebogen, die Dialoge zu künstlich. Wie gesagt, die Idee gefällt mir gut, die Umsetzung weniger. Echt schwierig. :unsure:
 

Schneebauer

Targaryen
Von der Idee her super. Ich musste die Geschichte allerdings zwei mal lesen, was mich schon mal sehr stört. Beim ersten Mal hatte mich der Schreibstil immer wieder rausgerissen. Das war mir einen Tacken zuviel erzwungene Rhetorik. Aber einfach links liegen lassen, fand ich dann auch unfair. Schade dass das so verkopliziert wurde.

Bin auf die Ausführungen des Autors gespannt!
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Ja, die Geschichte ist gut. Vielleicht etwas konfus erzählt, aber der Plot gefällt mir und den Schreibstil fand ich auch meistens gelungen. Die Story kam mir sogar recht surreal vor, was auch meinen Geschmack trifft (wenn gelungen).
Gehört zu meinen Favoriten!
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Clive77 schrieb:
Sarah dachte an die Streitereien mit ihrem Mann und ihrer Schwester und wie sie sich auf Samuels leblosen Körper stürzten, wenige Stunden nachdem sein schwacher Körper aufgehört hatte zu leben. Sie wusste nicht, ob die Geschehnisse doch nur ein schlimmer Albtraum waren.
Hhmmm.....also der Papa und die Tante stürzen sich vor hunger auf den toten Jungen und werden deshalb von der Mutter umgebracht.
Von deren Körpern sind fast nur noch Knochen übrig, was heißt, dass sie schon eine Weile tot sind. Der Junge ist demnach auch schon eine Weile tot.
Und nun sollen seine Organe noch irgendwem das Leben retten können? Die müssten doch schon (halb) verwest sein. Oder sollen bei dem Absturz tatsächlich lebenerhaltende Maschinen heil geblieben sein? Ergibt irgendwie keinen Sinn.

Was die Dauer des Absuchens der Alpen angeht, kann ich nicht abschätzen, ob das passt, dass sie noch nicht gefunden wurden.

Aber ich denke auch, dass ein Kind nicht davon sprechen würde, dass die Hälfte von ihnen tot sei.
Und die wörtliche Reden mit einem Bindestrich einzuleiten finde ich auch unglücklich.
Außerdem ist mir der Anfang zu wirr geschrieben. Ich meine.....
- Er hat Mamas Suizid nicht verkraftet. Das hat alles kaputt gemacht.

Sie weinte wie nur eine Mutter weinen kann, die kurz davor ist ihrem eigenen Kind Lebewohl zu sagen. Sie dachte zurück an die gemeinsame Zeit mit ihrem Sohn, der ihr Leben und auch sie entscheidend veränderte.
Wessen Mutter hat hier Suizid begangen. Und wessen Mutter weint hier wie nur eine Mutter weinen kann?


Sehr schade, da der eigentliche Plot und auch der Twist durchaus gut sind.
 

Jizzle

Well-Known Member
Erst einmal danke an alle, die für die Story gevotet haben. Volle Punktzahl von Tyler fühlt sich an wie ein kleiner Sieg
Manny schrieb:
Clive77 schrieb:
Sarah dachte an die Streitereien mit ihrem Mann und ihrer Schwester und wie sie sich auf Samuels leblosen Körper stürzten, wenige Stunden nachdem sein schwacher Körper aufgehört hatte zu leben. Sie wusste nicht, ob die Geschehnisse doch nur ein schlimmer Albtraum waren.
Hhmmm.....also der Papa und die Tante stürzen sich vor hunger auf den toten Jungen und werden deshalb von der Mutter umgebracht.
Von deren Körpern sind fast nur noch Knochen übrig, was heißt, dass sie schon eine Weile tot sind. Der Junge ist demnach auch schon eine Weile tot.
Und nun sollen seine Organe noch irgendwem das Leben retten können? Die müssten doch schon (halb) verwest sein. Oder sollen bei dem Absturz tatsächlich lebenerhaltende Maschinen heil geblieben sein? Ergibt irgendwie keinen Sinn.

Was die Dauer des Absuchens der Alpen angeht, kann ich nicht abschätzen, ob das passt, dass sie noch nicht gefunden wurden.

Aber ich denke auch, dass ein Kind nicht davon sprechen würde, dass die Hälfte von ihnen tot sei.
Und die wörtliche Reden mit einem Bindestrich einzuleiten finde ich auch unglücklich.
Außerdem ist mir der Anfang zu wirr geschrieben. Ich meine.....
- Er hat Mamas Suizid nicht verkraftet. Das hat alles kaputt gemacht.

Sie weinte wie nur eine Mutter weinen kann, die kurz davor ist ihrem eigenen Kind Lebewohl zu sagen. Sie dachte zurück an die gemeinsame Zeit mit ihrem Sohn, der ihr Leben und auch sie entscheidend veränderte.
Wessen Mutter hat hier Suizid begangen. Und wessen Mutter weint hier wie nur eine Mutter weinen kann?


Sehr schade, da der eigentliche Plot und auch der Twist durchaus gut sind.
Manny schrieb:
Zitat
- Er hat Mamas Suizid nicht verkraftet. Das hat alles kaputt gemacht.

Sie weinte wie nur eine Mutter weinen kann, die kurz davor ist ihrem eigenen Kind Lebewohl zu sagen. Sie dachte zurück an die gemeinsame Zeit mit ihrem Sohn, der ihr Leben und auch sie entscheidend veränderte.
Manny schrieb:
Clive77 schrieb:
Sarah dachte an die Streitereien mit ihrem Mann und ihrer Schwester und wie sie sich auf Samuels leblosen Körper stürzten, wenige Stunden nachdem sein schwacher Körper aufgehört hatte zu leben. Sie wusste nicht, ob die Geschehnisse doch nur ein schlimmer Albtraum waren.
Hhmmm.....also der Papa und die Tante stürzen sich vor hunger auf den toten Jungen und werden deshalb von der Mutter umgebracht.
Von deren Körpern sind fast nur noch Knochen übrig, was heißt, dass sie schon eine Weile tot sind. Der Junge ist demnach auch schon eine Weile tot.
Und nun sollen seine Organe noch irgendwem das Leben retten können? Die müssten doch schon (halb) verwest sein. Oder sollen bei dem Absturz tatsächlich lebenerhaltende Maschinen heil geblieben sein? Ergibt irgendwie keinen Sinn.

Was die Dauer des Absuchens der Alpen angeht, kann ich nicht abschätzen, ob das passt, dass sie noch nicht gefunden wurden.

Aber ich denke auch, dass ein Kind nicht davon sprechen würde, dass die Hälfte von ihnen tot sei.
Und die wörtliche Reden mit einem Bindestrich einzuleiten finde ich auch unglücklich.
Außerdem ist mir der Anfang zu wirr geschrieben. Ich meine.....
- Er hat Mamas Suizid nicht verkraftet. Das hat alles kaputt gemacht.

Sie weinte wie nur eine Mutter weinen kann, die kurz davor ist ihrem eigenen Kind Lebewohl zu sagen. Sie dachte zurück an die gemeinsame Zeit mit ihrem Sohn, der ihr Leben und auch sie entscheidend veränderte.
Wessen Mutter hat hier Suizid begangen. Und wessen Mutter weint hier wie nur eine Mutter weinen kann?


Sehr schade, da der eigentliche Plot und auch der Twist durchaus gut sind.
Mein Ziel war einen "Ach du Scheiße!"-Effekt herzustellen, hat leider bei den meisten nur bezüglich des "unglücklichen" Stils funktioniert!
Der surreale Stil und die Verworrenheit waren gewollt. Schließlich ist die Mutter am Fantasieren, hungrig, ohne Schlaf und völlig traumatisiert. Deshalb bildet sie sich die Krankhaussituation ein.
@Manny: Die Organe werden als Nahrung gebraucht, ich denke, dass die nach sieben Wochen in der Kälte noch nicht verwest sind. Hätte gedacht, dass das für jeden klar werden würde.
P.S. Sarahs Vater hat den Suizid begannen, Manny!!!

Die Kritik mit der Kindersprache ist berechtigt, hatte wohl dort nicht das richtige Feeling. :smile:


Eine Sache, die ich dennoch nicht verstehe, warum einige hier pedantisch auf Gänsefüßchen beharren :wink: Bisschen übertrieben!
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Jizzle schrieb:
Eine Sache, die ich dennoch nicht verstehe, warum einige hier pedantisch auf Gänsefüßchen beharren :wink: Bisschen übertrieben!
Ich für meinen Teil deshalb, weil ich so doch etwas gebraucht habe, bis mir klar wurde, dass es sich um wörtliche Rede handelt.

Und bei Organen denke ich - mag ja nur mir so gehen - an Organtransplantationen. Wohl auch, weil mir nie einfallen würde, Leber, Herz, etc. zu essen.
 
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