Men - Von Ex Machina und Annihilation Regisseur Alex Garland

Presko

Don Quijote des Forums
Hab mir den heute Abend hier in Glasgow angeschaut. Ohne Aranofskys Mother gesehen zu haben, könnte ich mir, nachdem was ich so darüber gelesen habe, gut vorstellen, dass die beiden ein passendes Filmensemble für einen langen Filmabend bilden könnten.

"Men" fängt toll an. Ruhige, melancholische Atmosphäre, elegante Bilder und Jessie Buckley, die nachdenklich dreinschaut und mit einem durchaus interessanten inneren Konflikt zu kämpfen hat. Sie spielt eine Frau, die nach einem traumatischen Erlebnis für zwei Wochen in ein grosses Landhaus fährt, das sie gemietet hat. Der Besitzer entpuppt sich als recht eigenartiger, skurriller, aber durchaus liebenswürdiger Typ. Harper, so ihr Name wandert eines Tages im Wald herum und entdeckt dort einen Tunnel (bekannt aus dem Teaser). Doch nicht nur das. Am anderen Ende des Tunnels steht jemand und rennt plötzlich auf sie zu. Harper läuft davon. Und von da an, beginnt sich nach und nach ihr gediegener Landausflug in einen Horrortrip zu verwandeln.

Garland's Film macht es schon recht deutlich, dass es darin um eine Kritik an toxischer Männlichkeit, insbesondere an einer Kultur von Gaslighting und Victim Blaming einer männlich dominierten Kultur gegenüber Frauen geht. Man kennt die Beispiele wie etwa: Eine Frau wird vergewaltigt und die Reaktion ist: "warum zieht sie sich auch so aufreizend an?"
Ob das im Moment gut ankommt? Die ganzen Reaktionen rund um den Depp/Heard-Prozess haben ja recht deutlich gezeigt, dass es eine Art Metoo-Gegenbewegung gibt. Wo postuliert wird: Männer sind nicht nur Täter, sondern auch Opfer. Männer dürfen nicht vorverurteilt werden. Es gibt auch Gewalt gegen Männer in Beziehungen etc.

Der Film selbst hat mir wie bereits erwähnt anfangs sehr gefallen. Nach etwa zwanzig Minuten verstärken sich dann nach und nach die Spannungselemente und immer häufiger setzt Garland in der Inszenierung auf das Einblenden von Symbolen, was er ebenfalls nach und nach steigert. Die auftauchenden Nebenfiguren sind alle beinahe bis zur Karikatur überzeichnet. Was der Glaubwürdigkeit der Geschichte und der Welt bereits früh schadet. Auch der innere Konflitk von Harper wird relativ früh in seiner Gänze offenbart und kriegt dann auch kaum noch neue Facetten. Dann gibt es etwa ab der Hälfte einen relativ klaren Schnitt, ab wann sich der bis dahin eigentlich recht gradlinig erzählte Spielfilm in einen surrealen (Alp-)traumartigen Bilderrausch verwandelt. Der Film überschlägt sich mit Symbolik und Metaphern. Wirkliche Spannung oder emotionale Bindung geht dabei leider völlig flöten. Gleichzeitig fehlt der Inszenierung die Dinglichkeit oder atmosphärische Wucht, um über die Laufzeit zu tragen. Auch thematisch, soweit ich das verstanden habe, ist das jetzt auch nicht so wahnsinnig tief. Es gab dann gegen Ende nochmal eine, insbesondere visuell, recht beeindruckende Szene. Aber leider dehnt Garland auch diese viel zu lang bzw. wiederholt den anfangs faszinierenden Trick gleich mehrfach hintereinander, so dass die Wirkung verpufft. Ich hab im Verlauf dieser zweiten Hälfte mehrfach in mich hineingekichert, weil ich das nicht mehr so richtig ernst nehmen konnte.
Das ist kein schlechter Film. Nicht falsch verstehen. Gut gespielt, mit einigen interessanten Ideen. Aber in meinen Augen trägt das nicht über die volle Laufzeit. Als Kurzfilm hätte es mir wahrscheinlich viel besser gefallen. oder Garland hätte sich noch entschiedener von allen Spielfilmkonventionen verabschieden und voll auf Kunstfilm setzen müssen. Denn auch in der zweiten Hälfte gibt es dann immer wieder kurze Momente, wo er scheinbar dann doch ein wenig Thrillerdramaturgie entstehen lassen will, was aber eher kontraproduktiv ist.

Ein Film, wo ich wirklich sehr gespannt auf Eure Meinungen bin. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich auch einfach das falsche Publikum bin. Gelangweilt habe ich mich nicht. Von daher durchaus ein interessanter Kinobesuch.

Noch kurz was zu Rory Kinnear. Einerseits ne Leistung, die er hier abliefert, es hat aber manchmal was von Mike Myers, was halt der Ernsthaftigkeit des Films nicht entgegenkommt. Den Priester fand ich einfach too much, nur blöd. Der Vermieter hingegen, der ist mir fast schon ans Herz gewachsen. Und der Junge, der ist schon ein bissi schaurig gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Joel.Barish

dank AF
Gut, dass die "mother!" noch nicht gesehen hast, denn sonst würde mir der Vergleich Sorgen oder zumindest Zähneknirschen bereiten, ist "mother!" doch ein Film, der mir zu plump war und salopp gesagt nicht gefallen hat, (obwohl ich insgesamt auch betonen würde, dass ich froh, dass es den Film überhaupt gibt, also dass er produziert und gemacht wurde).

"Men" gehört für mich weiter zur Vorfreude-Top 3 für den Rest von 2022.
 
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