Jim Thompson - Der Mörder in mir
Ein Noir-Roman von 1952, der zurecht zu den Klassikern des Genres gezählt wird. Von Thompson habe ich schon einige Bücher gelesen, und sie sind alle (auch dieser hier) sehr gut geschrieben und lassen sich flüssig lesen. Es gibt viele Bücher und Filme, in denen die Hauptfigur zwar eine Art "Bad Boy" ist, mit manchen Macken, aber innerlich dann doch irgendwie gut. Hier ist der Ich-Erzähler aber wirklich ein Schurke, bei dem es einem schwer fällt, eine Sympathie für ihn zu entwickeln. Es gibt zwar Gründe, warum er so geworden ist, aber das macht es einem nicht unbedingt leichter.
Es ist also wirklich klassisches Noir in der Art von James M. Cain (Wenn der Postmann zweimal klingelt).
Die Schwarze Grippe
Eine Anthologie aus der Edition Phantasia. Die einzelnen Geschichten reichen vom 18. Jahrhundert (Schiller) bis zu unserer Gegenwart und befassen sich mit dem Thema "Pandemie".
Am besten hat mir "Die Scharlachpest" von Jack London gefallen. Ist die längste Geschichte (eigentlich fast eine Novelle) im Buch und hat mich allein schon dadurch überrascht, dass ich nicht gewusst/erwartet habe, dass Jack London jemals so eine postapokalyptische Zukunfts-Geschichte geschrieben hat. Ich mochte seinen Schreibstil schon immer, und hier hat er sein Können auch wieder bewiesen. Ansonsten enthält die Anthologie noch Storys von Edgar Allan Poe (König Pest), Edgar Wallace und vielen anderen Autoren. Hat mit unter dem Strich sehr gefallen - kurzweilig und interessant.
Marquis de Sade - Aline und Valcour
Das ist so ein Zwischending zwischen seinen skandalträchtigen Büchern, die er unter einem Pseudonym veröffentlichte (wie "Justine") oder unveröffentlicht ließ (wie "Die 120 Tage von Sodom) und seinen seichteren Büchern wie "Verbrechen der Liebe", bei denen er wenigstens seine Autorenschaft nicht leugnete. In "Aline und Valcour" gibt es auch die boshaften Libertins, deren Handlungen hier aber nicht so detailliert beschrieben werden und die auch nichzt ganz so weit gehen wie in den besagten Skandal-Büchern.
Fast 1100 Seiten lang, was vor allem daran liegt, dass er hier versucht hat, zwei Romane zusammenzubringen, was ihm aber leider nicht so richtig gelungen ist. Das Ganze ist als ein Briefroman aufgebaut, was aber keine gute Entscheidung des Autors war, wie ich finde. Die Hauptfiguren Aline und Valcour sowie ihre Mutter und sein bester Freund haben Schriftverkehr - so weit so gut.
Aber dann kommt diese Geschichte-in-der-Geschichte über zwei andere Verliebte, die ihre Erlebnisse den Nebenfiguren erzählen, die es wiederum in den Briefen untereinander austauschen. Mal ehrlich, ein Brief ist 300 Seiten lang, ein anderer 320 (!), weil das besagte zweite Pärchen ihre Erlebnisse nicht nur sehr detailliert (also mit zig Seiten langen philosophischen Monologen und Dialogen, denen sie zugehört haben) wiedergeben, sondern die anderen das Ganze auch noch genauso detailliert in den Briefen schreiben. Das ist gelinde gesagt mega unglaubwürdig und die Briefform ist in diesem Fall die denkbar schlechteste Wahl, die der Autor treffen konnte.
Ein paar Sachen fand ich positiv: Der Schreibstil ist recht gut (abgesehen von den Sprüngen zwischen Gegenwarts- und Vergangenheitsform, teilweise innerhalb eines Satzes) und manche philosophischen Überlegungen fand ich anregend und gut. Ich mag de Sades Kritik gegenüber Zwangsehen, Korruption und Religion. Manche anderen Einstellungen sind dagegen mindestens fragwürdig. Mittendrin wird auch eine "utopische" Welt auf einer Insel beschrieben, deren Darstellung voller Widerspürche steckt und völlig realitätsfremd und naiv ist. Angeblich sind dort alle total glücklich und körperlich wunderschön, und der Zuhörer dieser Geschichte (eine Neben-Nebenfigur) so überzeugt ist, dass er am Ende des endlosen Monologs des Regenten dieser Insel Folgendes meint: "Ich sah das ein ... Ich warf mich diesem göttlichen Mann zu Füßen..." Unter anderem werden dort die Verbrecher nicht in den Knast gesteckt, sondern müssen besondere Merkmale an ihrer Kleidung tragen, damit jeder weiß, was sie getan haben. Andererseits wird aber gesagt, dass niemand gedemütigt wird. Einerseits wird gesagt, dass der Bevölkerung eine Abscheu gegenüber der "nutzlosen" Kunst eingetrichtert wird, aber später wird erzählt, dass Theater sehr beliebt ist und es viele Poeten gibt. Einerseits wird der Mensch als ein Spielball der Natur beschrieben, der nicht anders kann, als seinen Trieben zu folgen, aber ein paar Seiten später heißt es schon, dass die Menschen nun mal die Krone der Schöpfung sind und dem Gott nachempfunden und deswegen für ihre Taten verantwortlich, da sie im Gegensatz zu den Tieren einen freien Willen haben. Und und und.
Wenn de Sade seinen Text noch einmal durchgegangen wäre, hätten ihm doch die ganzen Widersprüche und Zeitfehler auffallen müssen. Und da er zu der Zeit im Gefängnis saß, hatte er doch eigentlich genug Zeit dafür, die er aber wahrscheinlich für seine anderen Werke verwendet hat. Ich fand das Buch an sich nicht so schlecht - sonst hätte ich die 1095 Seiten ja nicht zu Ende gelesen -, aber es gibt zu viele vermeidbare Fehler. Unterhaltsam ist es trotzdem.