*GG*/German Genre: „EXIT“ (D 2020, R: Sebastian Marka)
Deutschland und Genrefilme? Das geht ja gar nicht! Geht ja wohl!
Wenn der deutsche Kinofilm einen schlechten Ruf genießt, dann das deutsche Fernsehen wohl noch mehr. Der TATORT wird genauso gekannt wird gehasst – das man damit der Reihe nicht gerecht wird, könnte wohl mal in einer anderen Ausgabe der Artikelreihe diskutiert werden – , aber ansonsten scheinen Fernsehfilme genauso unter dem Radar zu laufen. Und seien wir mal ehrlich? Wieso auch nicht? Denn wann waren schon die Filme des amerikanischen Fernsehsender SyFy etwas wert? Denn an solche Genrefilme denkt man wohl zuerst bei Fernsehfilmen. Heute ist das Ganze durch Streamingdienste etwas verwaschen. Zuvor hatte man bereits Filme von HBO, die überdurchschnittlich gut besetzt waren, aber als Fernsehproduktionen im engeren Sinne galten. Heute würde man wohl anders kategorisieren.
Doch gehen wir zurück nach Deutschland. Hier mischen die großen öffentlich-rechtlichen Sendern nicht nur bei großen Kinoproduktionen mit, was Fluch und Segen zugleich sein kann, sondern lassen auch fleißig Filme für das Abendprogramm produzieren. So ist der FilmMittwoch im Ersten schon lange fester Bestandteil des Programms. Interessant wird es nun, da mit EXIT ein Film gezeigt wurde, der in Genregefilde abzweigt – ansonsten gibt es dort aber auch oft sehenswerte Thriller zu entdecken – und Teil einer neuen Reihe von Filmen zu Technikdystopien sein soll. Doch lohnt sich der Film oder krankt er an den befürchteten Kinderkrankheiten einer deutschen (Fernseh-)Produktion?
Friedrich Mücke spielt darin Linus, der zusammen mit seiner Ex-Verlobten Luca (Laura de Boer), dem Programmierer Bahl (Aram Tafreshian) und dem Marketingexperten Malik (Jan Krauter) im Jahr 2047 ein Start-Up-Unternehmen gegründet hat namens Infinitalk. Die Idee dahinter? Mit dieser Applikation soll es möglich sein, durch digitalen Aufnahmen eines Menschen, auch nach dessem Tod noch mit ihm zu interagieren, als sei er noch wirklich da. Die vier versuchen die Idee an den japanischen Investor Linden Li (David K.S. Tse) zu verkaufen und dieser beisst direkt an. Doch Linus ist misstrauisch und auch Luca scheint Zweifel an dem Vorhaben zu haben.
Der Trailer zum Film legt im Grunde schon einiges offen. Der Film steuert auf eine Art Twist zu, wird aber auch sonst eher unzuverlässig erzählt. Doch was man nochmals anhand des Trailers hervorheben darf, um damit auch einen besseren Eindruck vom Film zu bekommen: der Film geht von einem Gedankenexperiment und einer ganz klaren Einstellung dazu aus. Heißt zum einen, dass man dem Film anmerkt, dass hier Das Erste Autor*Innen einlud Kurzgeschichen für dieses Projekt einzureichen, in diesem Fall ‚Nachspiel‘ von Simon Urban, woraus dann ein Spielfilm entstand, denn inhaltlich ist das Ganze schnell umrissen. Zum Anderen macht der Film nie einen Hehl daraus, was er von der Technik hält und liefert mit der eingebundenen Liebesgeschichte einen womöglich sehr simplen Anker hierfür. Das muss man dem Film auch leider ankreiden, dass er die emotionale Motivation der Figuren zuweilen zu einfach strickt. Das ist so mehr Wasser auf den Mühlen der Hasser von deutschen (Genre-)Produktionen.
Es sollte klar sein, dass der Film nicht das große Budget eines internationalen Blockbusters besitzt. Er entstand auch komplett im Studio und trotzdem wirkt er nicht gezwungen klein gehalten. Man sieht und bekommt genug von der Filmwelt mit, damit sie glaubwürdig wirkt. Die Not wird hier auch teilweise zur Tugend, denn wie hier teilweise digitalen Welten dargestellt werden, kann man als simpel, aber auch durchaus clever bezeichnen. Das der Ausstrahlung damals noch eine rund einstündige Diskussionssendung folgte macht nochmals deutlich, dass der Film Gedanken und Idenn aufwirft, aber sie zu keinem definitiven Ende führt. Es ist eben nur ein Einblick in die Möglichkeiten. Dafür ist auch das Format des 90-minütigen Fernsehfilms schuld. Der Film muss eben ab einer gewissen Zeit seinen Schlusspunkt finden. Dass er aber seine Geschichte ohne groß Action aufzufahren erzählt, ist kein Minuspunkt, da so die Glaubwürdigkeit der Figuren bewahrt bleibt.
Ja die erste Szene des Films ist vom Schauspiel her grenzwertig und ja das Hotelzimmer von Li weckt deutliche Erinnerungen an INCEPTION, aber ansonsten darf man gerne mal einen Blick auf diesen Fernsehfilm werfen.
Regisseur Sebastian Marka hat übrigens schon ähnliche KI-Experimente immer mal wieder in seine Tatorte eingestreut, sein letzter richtiger Genreausflug war aber für Pro7 2011 SCHREIE DER VERGESSENEN – ein Film, der hier vielleicht auch mal Platz finden wird -, dort aber noch als Editor.
© Das Erste
EXIT gibt es noch bis 28.01.2021 kostenlos in der Mediathek von Das Erste zum Ansehen.
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