Wo ist der alte Thread hin? Wir hatten unter Garantie zu 100% schon einen Radiohead Thread. Kann den per Suche gerade aber auch nicht finden.
Jay schrieb:
Ich höre mich gerade durch die verschiedenen Alben Radiokopfs und wollt mal horchen, wie ihr generell so zu Thom Yorke und seiner Kapelle steht?
Seltsamerweise ist ihr größter Kulthit
Creep damals völlig an mir vorbeigegangen, näher wahrgenommen habe ich die erst 2001 mit dem Album Amnesiac... und dann auch wieder aus den Ohren verloren.
Als Meilenstein gelten ja die beiden Alben KID A und OK COMPUTER. Beides interessante Songsammlungen, und sehr viel kopfiger als die verhältnismäßiger leichteren THE BENDS und PABLO HONEY. Muss gestehen, generell Schwierigkeiten mit Yorkes geliebter Tendenz zum weinerlichen Langziehen von Tönen zu haben + natürlich, wie solls anders sein, die mitunter sehr schrabbeligen oder jazzinfizierten Elemente. Ugh. Aber zwischen solchen Totalausfällen finden sich immer wieder sehr interessante Nummern, also lohnt das Stöbern zweifellos.
Bin mal gespannt, The King of Limbs zu hören, allein schon, weil der Titel super ist. Der König der Gliedmaßen.
Uh, boy ... Wo soll man da nur anfangen?
Ich bin seit meiner späteren Jugend und bis heute Radiohead Fan und kriege regelmäßig Migräne, wenn es auf "Depri Mucke" reduziert wird. Das ist sowieso eine Unsitte, dass man alles, was emotional ehrlich und nicht superduper fröhlich ist als "Depri" bezeichnet. Der thematische Kosmos ist bei RH wesentlich komplexer als viele bereit sind zuzugeben bzw. zu erkennen. Das fing sogar schon bei Pablo Honey an und hört beim Konzept-Meisterwerk Ok Computer sicherlich nicht auf. Denn ist Hail to the Thief schlicht ein Album mit wehleidigen Depri Liedern oder verweist der Titel vielleicht auf andere, gar politische Ideen?
Und von diesen inhaltlichen Sachen abgesehen gibt es so gut wie keine Band, die so populär ist, so lange im Geschäft ist und so regelmäßig neu, mutig, frisch und anders klingt, die frei und in völliger Kreativität ihr Ding durchzieht, ohne sich dem Mainstream, dem Plattenstudio oder den alteingesessenen Fans anzubiedern. Pablo Honey kann noch problemlos zwischen Oasis, Blur und The Verve im Regal stehen, aber schon The Bends (auch der Titel konzeptionell ziemlich clever) geht deutlich weiter. Nirvana haben die 90er geprägt, aber Radiohead haben das neue Jahrtausend eingeläutet. Ok Computer war eine halbelektronische Sci-Fi Progrock Offenbarung, an die anzuknüpfen 9 von 10 Bands in der nachfolgenden Karriere scheitern. Radiohead reagieren auf den OKC Erfolg, indem sie mit Kid A ein super sperriges und gänzlich anders klingendes Album abliefern. Sind da überhaupt noch Gitarren, haben sich nicht wenige Fans gefragt. Und Amnesiac setzt da noch einen drauf, gehört mehr ins Regal zwischen Aphex Twin und Autechre, hat mit Pyramid Song aber vielleicht auch die populärste (beste?) Single seit Paranoid Android.
Und ich kann verstehen, dass man das gelegtliche Geschwurbel von Kid A, Amnesiac und auch King of Limbs nicht so spannend findet. Von mir aus. Ich stehe ohnehin auf Elektro und Jazz und kann der kreativen Experimentierfreude mehr abgewinnen als z.B. der fortschreitenden Verflachung von Coldplay, der pseudo-Größe von Muse (die ich mal sehr mochte) oder der ewig gleich klingenden Routine der Foo Fighters. Und von der Populärität können RH durchaus zu diesem Kreis mitgezählt werden; könnten sie jedenfalls, würden sie sich um Außendarstellung, Zielgruppen und Trends kümmern. Ich bewundere die sprichwörtlichen "Balls" (
), kryptische und schwer zugängliche Lieder wie "Packt like Sadines in a crushd Tin Box" oder "Pulk/Pull Revolving Doors" herauszubringen. Vom absoluten Noise Jazz Irrsinn und generellem Meisterwerk namens "The National Anthem" ganz zu schweigen.
Auch abseits von Musik sollte man erkennen, dass Radiohead nicht die übliche (Rock?) Band ist, für die ein neues Album ein Aufruf zur ausgedehnten und super lukrativen Welt Tour ist. Nur zu Erinnerung, In Rainbows wurde damals auf der RH Website veröffentlicht und jeder konnte selbst bestimmen, wie viel Geld man dafür bezahlen wollte (ja, auch 0 Geld war möglich).
The King of Limbs ist für mich nach Pablo Honey das schwächste Radiohead Album. Es hat einen schönen, gleichförmigen Klang, aber ja, gleichförmig, weil kaum ein Lied herausragt, weil alles halbwegs interessant durchrauscht. Und mit nicht einmal 40 Minuten Laufzeit ist es auch viel zu kurz. Trotzdem noch ganz gut; ich mag, wie Percussion-lastig es ist. Wird immer mal wieder angemacht. Und Codex ist immerhin ein herausragendes Einzelstück.
Der Titel verweist übrigens auf einen uralten und berühmten Baum in England. Die Gliedmaßen sind logischerweise Wurzeln. #ManToMansplaining
Moon Shaped Pool habe ich leider noch nicht komplett gehört. Ich habe nach wie vor gerne einen echten Datenträger in der Hand, wenn ich mir ein Album kaufe. Und diese Datenträger sind mittlerweile lieber Vinyl und das ist noch zu teuer. Aber Burn the Witch ist ein klasse Lied.