Joel.Barish schrieb:
Im Film triffst du keine Handlungsentscheidungen. Du entscheidest dich, ob du Verhalten gutheißt, nachvollziehen kannst und willst, etc. aber im Film folgst du der vorgegebenen Handlung und hast keinen Einfluss.
Dazu muss man sagen, dass nur Rollenspiele wirkliche Entscheidungen lassen... die meisten Spiele, vor allem im Shooterbereich, sind gnadenlos linear und lassen keine wirkliche Freiheit. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass man gerade das bei Gameverfilmungen missen kann. Aber:
Joel.Barish schrieb:
Bei Games sehe ich solche Werke nicht. Von der Bedeutung, der Kreativität und der Tragweite vergleichbar mit wirklich guten Filmen. Zumindest nicht in der Menge. Dass "Mass Effect" mehr ist, als ein simples Space Ballerspiel, habe ich auch schon mitbekommen. Spätestens als das halbe Internet wegen des Endes ausgeflippt ist, bis die andere Hälfte ausflippte und erklärte, das Ende sei super. Dieser "Entscheidungen selber treffen" Faktor ist schon sehr wichtig für Spiele und genau da sollte man genauer mit arbeiten. Und auch die Konsequenzen für etwaige Fehlentscheidungen weiter ausbauen. Da liegt für mein Empfinden die Zukunft von Spielen bzw. da sollte sie liegen, wenn Spiele von der nicht-spielenden Masse nicht länger als Kinder- oder Nerdkram wahrgenommen werden sollen.
Die Grundidee dieser Entscheidungsfindung, Konsequenzen abwägen, Ethik, Moral etc. - das kann ein Film auch. Nur weil er dir nicht die Wahl lässt, heißt das ja nicht, dass er nichts vermittelt. Er zwingt dich emphatisch dazu, zu reagieren und zu beurteilen. Das ist anders als in einem Spiel, aber nicht minderwertiger.
Eben - ein guter Film versetzt ja ebenso wie ein gutes Spiel. Auch wenn man im Spiel in eine andere Figur schlüpft und als diese entscheidet, die Alienrasse der Tharks auszulöschen, muss man sich trotz der direkteren Avatar-Besetzung immer noch in die Haut eines anderen versetzen. Bei Mass Effect mag man Shepard steuern, und vorher einstellen, wie sein Gesicht ausschaut etc. Man mag die Figur zwar kontrollieren und individualisieren, doch es bleibt Shepard, nicht man selbst. Spiele, in denen die Hauptfigur gänzlich unidentifizierbar bleibt, in denen man stärker fühlen soll, dass man das selbst ist, gibt es kaum. Dann ist es gar nicht so weit vom Flim entfernt, in der man zwar die Leute nicht steuert, aber letzten Endes auch nur zusieht, wie es anderen passiert. Man empfindet und erlebt auch da durch andere. Und es ist die Kunst eines guten Geschichtenerzählers, dass das Schicksal der Person so dermaßen beeinflusst, dass man sich bewegt fühlt, als gehöre man dazu. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand behaupten kann aus Egosicht einer digitalen Figur könne er das, bei Betrachten einer real gefilmten Person aber nicht.
Was ich nach sagen wollte: im Gamesbereich kommt das auch weniger vor, weil es allgemein anders gestaffelt ist. Bei Filmen gibt es von absurdteuer bis nullbudget so ziemlich alles, aber bei Games teilt sich das recht deutlich zwischen absurdteuer und Indiebereich auf. Hat ein Spiel, das über Indiebereich hinaus geht keinen großen Erfolg, kann das Studio in der Regel einpacken ,hats keinen Schwestererfolg zur Seite. Die einzigen, die sich das leisten können sind lang etablierte Titel wie Fallout, Skyrim, The Witcher, Mass Effect. Unterschiedliche Entscheidungen bedeuten auch automatisch mehr Dialoge, mehr Komplexität, mehr Vielfalt, und damit mehr Produktionsbudget. Es gibt auch viele weitere Gründe, wieso Gameentwickler das ungern anpacken, u.a. weil längere Spielzeit an einem Spiel bedeutet, dass die Leute weniger früh was neues kaufen, oder dass sie gefälligst online oder kaufbare DLCs spielen sollen etc.
Wurzelgnom schrieb:
Zum Thema Film als Kunst. Tatsächlich interessiere ich mich absolut nicht für Kunst. Kunst liegt im Auge des Betrachters und nur weil mir jemand sagt, dass etwas Kunst ist und man es wertschätzen soll, muss ich das noch lange nicht gut finden. Wenn mich etwas emotional greifen kann, ist mir vollkommen egal ob das jetzt Kunst ist oder nicht.
Kommt wahrscheinlich auch drauf an, was für dich Kunst ist. Es gibt Leute, für die ist Spielbergs Lincoln schon unerträgliche Kunst ("gott alte Leute labern da 3 Stunden und nix passiert..."). Andere empfinden erst sperrige und visuell oder strukturell seltsame Filme wie Enter the Void oder Holy Motors als Kunst. Andere wiederum halten Gaspar Noe für einen üblen Mainstreamfilmer, der überhaupt nichts mit Kunst am Hut hat, und wiederum andere halten selbst staubtrockene Werke wie The Turin Horse, Meeks Cutoff oder Stalker für pressegeile Poserkunst. Das sind dann Leute, die erst glücklich sind, wenn sie im Museum angesprayte Joghurtbecher sehen.
Und dann wiederum kommts drauf an, was man überhaupt will. Will man sich nur 2h mit schönen, attraktiven Bildern berieseln lassen, die sich schnell genug wechseln damits frisch bleibt, ist man mit 3-4 coolen Moneyshot Szenen im ganzen Flim zufrieden und der Rest ohnehin immer egal, sodass man, wenn nix passiert, texten oder auf dem anderen Monitor weiterscrollen kann, oder ist man auch mal bereit, sich in andere Figuren hinein zuversetzen, um zu reflektieren, um selbst durchzuleben, was da anderen passiert. Die Szene aus Jaws, in der die beiden Trottel das Fleisch an den Pier binden und dann abrutschen, als der Hai dann ist, ist 52x intensiver und interessanter, stellt man sich vor, man selbst sei da im Wasser, der 6m Fisch irgendwo da im dunklen Wasser ganz in der Nähe und arg hungrig, der rettende Pier scheinbar endlos weit entfernt. Schluck. Oder dass man mal darüber nachdenkt, was außer dem, was offen gesagt und gezeigt wird, noch zu sehen/verstehen ist. Fight Club, als Beispiel. Tyler Durden zeigt einem eine Lebensweise auf, die verlockend klingt. Jack tut sie nachher als falsch auf, aber welcher kann man selbst eher zustimmen? Oder dass man sieht, dass in Alien gerade in der Wahl der Alienoptik vieles Bände spricht (das Böse ist phallisch und penetrierend etc, im Sequel gehts um Mutterschaft, im dritten um Akzeptanz, dass man seine Kinder nicht ewig retten kann und man selbst irgendwann zu sterben akzeptieren muss). Wie gesagt, das muss man nicht. Man kann es auch als affig oder irrelevant abtun - die Filme sind auch ohne unterhaltsam, und man ist nichts schlechteres, sieht man solche Sachen (was natürlich stets eigene Interpretation ist) darin nicht. ABer es kann das Filmerlebnis natürlich nochmal vertiefen, interessanter und diskussionswürdiger machen. Ok, so viel wollte ich eigentlich gar nicht schreiben.