Too Old to Die Young - Nicolas Winding Refn dreht für Amazon ~ Miles Teller

Presko

Well-Known Member
Auch wenn ich überhaupt kein Refn-Fan bin und seine Werke eher als Style-over-Substance bewerte, bin ich schon gespannt auf diese Serie.
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Halbzeit-Fazit nach den ersten fünf Folgen:

Ja, dass das hier eine Serie von NWR ist, könnte man auch ohne das wirklich selbstbewusste Branding des dänischen Regisseurs hier überhaupt nicht übersehen. Die Serie ist wirklich wunderschön ästhetisch und ist trotz ihres teils wirklich widerwärtigen Inhalts wirklich gut anschauen, weil Refn ein visueller Filmemacher sondergleichen ist. Inhaltlich ist "TOTDY" sicherlich keine schlechte Serie, nur muss man vermutlich mit dem Stil klarkommen, den NWR jetzt seit spätestens "Only God Forgives" fährt. Wenn man sich nicht damit anfreunden kann, dann sollte man vielleicht noch einen Blick in die erste Folge werfen, dürfte aber wirklich kaum Spaß mit dem Ganzen haben.

Miles Teller passt überraschend gut in Refn's neon-farbene Welt der menschlichen Abgründe und übergreifenden Gewalt. Wie fast alle Refn-Hauptfiguren ist auch sein Charakter ein Spielball des Schicksals und seiner eigenen Probleme und Dämonen. Dämonen ist ein ganz gutes Stichwort, denn wie "Only God Forgives" und "The Neon Demon" spielt die Serie in einer leicht übernatürlichen Version unserer Realität. Das gefällt vielleicht auch nicht allen Zuschauern, aber ich persönlich finde es echt super interessant, weil es zu der Ästhetik passt.​
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
[align=justify]Uff, das war also eine Serie aus dem Hause Refn? Gut, ich habe keine stringente Handlung oder ein halsbrecherisches Tempo erwartet, aber hier hat sich NWR wirklich nochmal selbst übertroffen. Die kürzeste Einstellung wird vermutlich knapp eine Minute gehalten, während der Rest nochmal deutlich langsamer geschnitten wird. Dazu gibt es einen dicken Synthie-Score mit sphärischen Klängen, die dem Geschehen eine zusätzliche Ebene verleihen. Wieder einmal beschäftigt sich Refn zwischen all den Neon-Farben und wunderschönen Bilder mit unglaublich düsteren Themen und zutiefst unsympathischen Menschen.

Die Figuren werden pro Folge ordentlich durchgemischt, so dass wir hier nicht wie in anderen Serien immer nur zwischen zwei-drei Figuren hin und her springen, sondern auch mal eine ganze Folge nur mit einer Figur verbringen. Das fühlt sich ziemlich frisch an und sorgt aufgrund der guten Darsteller für wirklich gute, wenn auch recht eigensinnige Momente. Speziell William Baldwin fand ich aufgrund seiner mehr als übertriebenen Performance wirklich sehenswert, während Miles Teller sehr gut der Bruder von Ryan Gosling's Driver sein könnte. Nell Tiger Free, die man vielleicht noch als Myrcella aus "Game of Thrones" kennt, bekommt echt einiges an schwierigem Material vorgesetzt, was sie allerdings trotz ihrer Jugend sehr gut macht. Neben diesen Darstellern können auch Jena Malone, John Hawkes und Augusto Aguilera überzeugen, während Christina Rodlo nochmal eine ganz eigene Show abbrennt.

Am Ende des Tages ist "Too Old To Die Young" sicherlich kein universeller Serien-Hit wie "Chernobyl", aber dennoch wirklich sehenswertes Projekt, welches eher nach den Spielregeln des Arthouse-Kinos spielt, statt sich den Konventionen einer normalen Serie zu beugen. Das wird nicht jedem gefallen, aber zumindest für mich war es eine wirklich gute Erfahrung.

8 / 10 Schädel im Neon-Licht
 

Revolvermann

Well-Known Member
@TheReelGuy
Danke für die kleine Review. Das hört sich für mich schon mal sehr gut an. Dieses Wochenende werde ich nicht dazu kommen das zu schauen. Geschaut wird es aber auf jeden Fall.
Würdest du sagen Refn bzw. das Drehbuch folgt eher den charakterlichen Entwicklungen oder gibt es einen wirklich stringenten Plot? Also eine permanent fortschreitende Handlung, ein Murder-Mystery oder sonstigen Kriminalfall.
Hab mir nämlich bisher nichts über die Serie durchgelesen.
Oder ist es gar besser das vorher nicht zu wissen? :bibber:
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Stell' dich einfach auf so wirklich kaum etwas konventionelles ein, dann wirst du nicht enttäuscht. Natürlich gibt es eine gewisse Charakter-Entwicklung, aber auch das ist jetzt nicht wirklich gewöhnlich verpackt bzw. folgt nicht offensichtlich einer Heldenreise oder so. Es fühlt sich wie ein sehr, sehr langer Film an, eben weil man nicht unbedingt in die typischen Serien-Standards verfällt.​
 

Revolvermann

Well-Known Member
Ah ok.
Also wenn man, wie ich, Only God Forgives klasse fand und The Neon Demon sogar noch besser, sollte es auch hiermit klappen? :smile:
 

Puni

Well-Known Member
Von Refn war ich bisher eigentlich nur bei Valhalla Rising und Only God Forgives enttäuscht, ich liebe die Pusher-Trilogie und auch seinen letzten Film The Neon Demon fand ich ziemlich großartig. Habe jetzt auch die erste Folge gesehen und man, macht die mir Spaß. Perfekt für den Abend, absolute Entschleunigung auf einem visuell wirklich tollen Niveau (wie es sich seit Drive ja nun bei ihm auch eingependelt hat). Ich weiß nicht, ob ich das zehn Folge schaffe, das hängt dann ganz davon ab, inwieweit die Story vernachlässigt wurde, aber bis jetzt bin ich guter Dinge.
 

Driver

Well-Known Member
Ich bin ja absoluter Refn Fan aber die zweite Folge hat mich echt ans Limit gebracht. Da werden Szenen wirklich ewig lange eingefangen und die Dialoge in die Länge gezogen. Das war meiner Meinung nach wirklich zu viel des Guten.

Die erste Folge fand ich noch sehr gut. Die dritte ist dann wieder gemischt aber flotter. Naja mal sehen wie es weitergeht.

Bis jetzt nervt der extrem langsame Stil mehr als er mich begeistert. Manche Szenen und Shots sind aber natürlich optisch super eingefangen. Dennoch ein etwas höheres Tempo wäre wünschenswert. Ruhige und lange Einstellungen kann es ja dennoch geben.

Drive war da sehr ausgewogen meiner Meinung nach.
 

El Duderino

Well-Known Member
Ich hatte ja schon vor Start so meine Bedenken ob ich wirklich 13 Stunden pures Refening verkraften kann, in dieser Form. Nach 2 gesichteten Episoden hab ich noch keine klare Antwort, ich weiß aber eins: ich brauch jetzt erst einmal ein paar Tage Pause. :biggrin:

Nicht falsch verstehen, ich mag seinen Stil sehr gerne und finde diese Entschleunigung schon irgendwie angenehm, ja fast befreiend. Im Vergleich zu TOTDY ist die letzte Twin Peaks Staffel ja fast schon überdreht, von der Geschwindigkeit her.
Ich hatte stellenweise das Gefühl, besonders bei Folge 2, dass ich einen transzendellen Gemütszustand erreiche, bin irgendwie noch voll bei der Handlung, aber doch schon irgendwo anders, mein Körper war komplett entspannt, trotz der Grausamkeiten, die am Bildschirm passierten. So etwas muss ein Filmemacher auch erst einmal hinbekommen.
Dabei vergeht die Zeit immerhin schneller als bei anderen Sloooowwwwly laufenden Serien wie z.bsp American Gods, die selbst mit ihrer tollen Optik eigentlicht nichts anzufangen wissen. Bei Refn erkennt man immerhin in jeder Kamera Einstellung, dass er weiß, was er tut.

Mal sehen, was die kommenden 8 Episoden noch so bringen, egal wie das Endergebnis aussieht, geht mein Dank an Amazon, dass sie diesem speziellen Regisseur so enorm viel Freiheiten gegeben haben um sich auszutoben.
 

Driver

Well-Known Member
Ich liebe ja auch eine gute Kameraarbeit und eine entschleunigte Darstellung. Nur Refn zehrt manchmal sehr an der Geduld. Man merkt das er gerne seine Darstellerinnen wie Models in einem Fotoshooting ablichtet. Die Kamera hält lange drauf es sind fast schon Standbilder.

Das muss man mögen ganz klar. Aber die Bilder sind wirklich klasse. Fast jede Szene hat eine elektrifizierende Wirkung.

Für die schnelle Unterhaltung nebenbei definitiv nicht geeignet.
 
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