Schöne Kolumne Joel. Bleib bei der Kürze, das liest sich viel angenehmer als die großen Kolumnen die Du bisher gebracht hast. Bin auf die Nächste gespannt. :super:
Zum Inhalt: Ich finde nicht unbedingt, dass Dein Blickwinkel, bzw. Deine Meinung Ansichtssache sind, oder dass man wirklich widersprechen könnte, selbst wenn nicht jeder Deine, oder Del Toros Motivation teilt. Über die Qualität der genannten Filme kann man sich zwar streiten, aber Blockbuster, die in erster Linie zum Gelddrucken produziert werden bleiben solche, da spielt der Name und das Franchise keine wirkliche Rolle, ebenso nicht die Bekanntheit und Herkunft. Bestes Beispiel ist der Hobbit, der über beendete Arbeitsverhältnisse, Schicksale und sterbende Produktionsträger hinweg dennoch den Weg auf den Markt findet. Dafür werden diese Filme gemacht und auch wenn der finanzielle Erfolg von Scott Pilgrim auch eine Rolle bei der Verfilmung spielte, ich glaube nicht, dass die Perspektive damit reich zu werden der vordergründige Antrieb war, den Film auf die Leinwand zu bringen.
Aber - und jetzt hoffe ich, dass man das nicht als meine Meinung versteht, sondern eher als Gegenüberstellung - die Filmindustrie nimmt sich mittlerweile zu ernst, verpasst durch ihre kaum variierbaren Mechanismen den Puls der Zeit und lässt zwangsläufig Federn, verliert an Einfluss und damit auch an Volumen. Ein Fakt, den man heute einfach nicht mehr wegdiskutieren kann.
Das ist nur eine Theorie zur Situation und ich versuche nur Gründe zu finden:
Es geht nicht nur einfach darum, dass sich Trends entwickelt haben, die den Film als Medium und damit als Mittel, auf den Konsumenten einzuwirken, verdrängen. Am Format selbst liegts nicht.
Den Interaktiven Inhalten gehört die Zukunft und das Medium Kinofilm passt nicht mehr wirklich ins Konzept. Interaktive Inhalte verdrängen derzeit auf allen Märkten die etablierten, aber veralteten weil unflexiblen Platzhirsche und das auf ganzer Breite. Sei es in der Werbung, wo Plakate, TV Spots und die gute alte Bannerwerbung immer stärker von Social Media verdrängt werden, oder der Umstieg vom gedruckten Medium auf downloadbare Onlineinhalte, Apps und letztendlich auch den Kindle von Amazon.
Wenn Filme wie z.b. Scott Pilgrim floppen, dann liegts in meinen Augen auch einfach daran, dass Kino und Film im Großen und Ganzen längst der Einfluss fehlt, den es bräuchte um z.b. auch in Deutschland noch mutige Geldgeber zu finden um mit den USA vergleichbare Produktionen zu stemmen. Die Hollywood-Maschine läuft noch, aber nicht mehr wie geschmiert. Da fallen immer mehr Filme durch das Raster und der Markt für wirklich gute Filme beschränkt sich - wie Del Toro selbst mal meinte - auf an den Kassen weniger erfolgreiche Releases.
Computerspiele fahren am Erstverkaufstag Summen ein, von denen die große Mehrheit der Filmproduzenten doch heute nur noch träumen kann. James Cameron hat mit Avatar nichts verändert, nur hinaus gezögert. Filme wie Scott Pilgrim scheitern nicht am Marketing, das für z.b. Europa auf ein Minimum heruntergefahren wurde, sondern daran, dass die Leute, für die der Film vielleicht gemacht ist - oder sich der Thematik wegen angesprochener fühlen als die breite Masse - ihren Horizont doch auch längst erweitert haben und wissen, dass sie vom Medium Kino nicht mehr abhängig sind. Leute, für die das Kino noch ein Erlebnis ist, sind doch gerade unter dieser Zielgruppe kaum noch zu finden und wenn, dann ist diese Zielgruppe offensichtlich nicht groß genug, denn der Film floppte ja nicht er international, sondern schon im Nerd-O-Rama USA.
Was ich damit sagen will, kann man sich jetzt vielleicht schon denken. Soviel wollte ich auch eigentlich garnicht schreiben, wo ich mich doch selbst darüber freue, dass Deine Kolumne diesmal kürzer ausfällt. Aber das ist halt ein Thema, das mich auch beruflich beschäftigt und die Tendenz ist da, jüngst erlebt als ein Kunde enttäuscht von seinen Erfahrungen mit Kinowerbung berichtete.
Zum Vergleich: Vier Monate Kinowerbung brachten ihm keine Umsatzsteigerung. Zwei Monate Social Media und flexibles Marketing brachtem ihm ca. 170% Umsatzsteigerung. Liegt sicher nicht daran, dass seine Produkte den Kinogänger nicht interessieren, er hat ne kleine Fastfood-Kette in der Region. Man erreicht im Kino einfach nicht mehr die richtigen Konsumenten und das ist für mich ein Indiz (noch kein echter Beweis), dass Kino heute wesentlich weniger Einfluss hat, als vor ca. zehn Jahren.
Woran liegts jetzt also wirklich, dass Filme wie Scott Pilgrim so heftig abschmieren und selbst Verfilmungen von extrem erfolgreichen Compuerspielen nicht wirklich das einfahren, was man erwartet hatte. Nach dem Motto "ich hab hier Statistiken, die ganz deutlich besagen, dass es Consumer gibt, die für dieses und jenes Franchise so und so viel Milliarden Dollar im Jahr ausgeben, aber mit einem Kinofilm dazu, erreiche ich nichtmal einen Bruchteil der angepeilten Konsumenten, obwohl der Markt doch boomt".
Blockbuster werden sicher immer laufen, aber auch da denke ich nicht, dass sich der Marktanteil des Kinos jemals wieder erhöhen wird. Die Zeiten sind einfach vorbei und alle Zahlen belegen das. Besondere Filme werdens demnach immer schwerer haben, genug Zuschauer an die Kassen zu locken, weil die Zielgruppe einfach wesentlich weiter ist und - überspitzt ausgedrückt - garnicht mehr nötig hat, den PC zu verlassen und sich offline zu vergnügen, wenn die Inhalte auch auf die eine, oder andere Art irgendwann zugänglich werden. Zuhause. Ohne viel Geld auszugeben.
Es ist auch kein Geheimnis mehr, dass immer mehr junge Konsumenten zuhause bleiben, ihre sozialen Kontakte im Internet pflegen, statt vor die Tür zu gehen und z.b. Geld im Kino auszugeben. Blöderweise hat der Kinofilm aber nur da seine Wirkung und wen, wenn nicht diese Sorte Mensch soll ein toller Film wie Watchmen, Kick-Ass, oder Scott Pilgrim erreichen? Den Independent-Filmen gehts da nicht sonderlich besser, auch wenn die Nische immer noch genug Raum für eigene Vorführungen und sogar Kinos lässt - wir haben in der Stadt ein Nobelkino, das ausschließlich anspruchsvolle Filme zeigt, keine Blockbuster. Noch funktioniert das, die Frage ist wie lange.
Ich will auch nicht Schwarzmalen. Ich denke, das ist einfach die Entwicklung, auch wenn sie schleichender kommt als seinerzeit von Radio auf TV. Es gibt einfach zuviele Faktoren, die derzeit gegen das Medium Kino und Film arbeiten, als dass ich das hier unterbringen könnte. Ich kenne weißgott nichtmal die Hälfte.
Ich denke halt einfach, dass der schwindende Einfluss des Kinos eben auch dafür sorgt, dass solche Projekte unter die Räder kommen. Da kann Del Toro soviele Motherfucker überzeugen, wie er will. Die Masse seiner Zuschauer sah sein Statement sicher online, während nebenbei Scott Pilgrim als Rip den Weg auf die Festplatte fand.
Sorry für den langen Text.