BG Userinterviews #1: Joel.Barish

B

Bane

Guest

"Ich würde eine radikale Neuverfilmung der Harry Potter Romane angehen, eine Neuverfilmung von „In meinem Himmel“ und würde versuchen durchzusetzen, dass Mainstream-Comicverfilmungen extravaganter"
Hallo Joel, kannst du grob sagen wie anders deine Harry Potter Filmen wären? Würdest du noch mehr aus den Büchern übernehmen, also mehr Filme draus machen? Würdest du mehr Action hinzufügen, es spannender machen oder witziger?

Und In meinem Himmel: war der dir zu harmlos?
 

Joel.Barish

dank AF
Okay, versuchen wir das nochmal ans Rollen zu kriegen:

@3D
Ich finde nicht, dass ein Genre diktiert, ob 3D angebracht ist oder nicht. Bei manchen Sachen erschließt es sich schneller (Weltraum-Sci-Fi z.B.), bei anderen weniger, aber grundsätzlich kommt es doch eher darauf an, was man mit der zusätzlichen Dimension macht. Scorseses "Hugo" hätte auch ohne 3D nicht groß anders gewirkt, aber Marty und Kameramann Robert Richardson wissen, wie man Bilder erstellt, wie man den Kameraauschnitt füllt, wie man Kamerabewegungen organisiert usw. Und so wirkt die Größe der Bahnhofshalle ein Stückchen größer, die Enge und das Verwinkelte von Hugos heim im Uhrwerk noch ein Stückchen klaustrophobischer. Aber jeweils nur im kleinen Komparativ. Wim Wenders hat durch 3D bei "Pina" die Leinwand zur Bühne erweitert und sowohl das Gefühl für die Bewegung der Körper, als auch für die Anordnung der Körper mehr als nur verstärkt, sondern durch 3D quasi erst richtig nachvollziehbar gemacht. Was genau Luhrman und Ang Lee mit 3D bei ihren jeweiligen Filmen machen kann ich auch noch nicht sagen. Aber ich habe inzwischen beide Buchvorlagen gelesen (bzw. bin bei "Life of Pi" auf den letzten Seiten) und da hat das Gefühl von Räumlichkeit schon eine besondere Bedeutung. Und auch wenn Gatsby nicht nur aus Partyszenen besteht, kann 3D dort ähnlich wirken wie in "Pina". Und wenn es am Ende "nur" gut aussieht und ein paar Dinge leicht verstärkt, wie eben bei "Hugo", wäre ich schon zufrieden, würde aber weiterhin auf einen Spielfilm-Beweis warten, dass 3D für narrative Spielfilme wirklich etwas bewirken kann.

@Objektivität bei Kritiken
Also diese Rasterbewertungen mit Humor, Action, Spannung etc (@Wurzel) finde ich auch in TV-Zeitungen immer sonderbar. Wenn man sich seine ganz eigenen Maßstäbe setzt, was diese Punkte aussagen, ist das vielleicht machbar. Aber die Quantität eines gewissen Faktors sagt ja noch nichts über die Qualität des Faktors aus. Und vieles, was man am Film mag, lässt sich kaum oder gar nicht durch solche Faktoren erfassen. Deswegen schreiben wir eben auch über Filme und gehen ins Detail, statt uns mit "viel Krawall und viel zu lachen" zu begnügen, was ja wie jeder weiß schnell sehr subjektiv ist.
Und man muss nicht glauben, dass der anonyme Kritiker von TV-Zeitung XYZ von seiner eigenen Einschätzung sonderlich weit wegrückt, um irgendwie der "Masse" gerecht zu werden. Auch diese unsichtbare Mini-Kritiker für Mini-Magazine haben ihre eigenen Kriterien, die nur ein Stück weit erweitert werden. Wobei man mit den nicht namentlich genannten "Kritikern" bei TV-Zeitungen eh ein ganz eigenes Thema aufmacht. Objektivität in Kritiken ist eine Illusion. Die Frage ist ja, was man mit der Kritik erreichen will. Will man Leuten Tipps für den anstehenden Filmbesuch geben oder ihnen mit Denkanregungen durch den Film helfen, nachdem auch sie den Film gesehen haben? Bei BG machen wir tendenziell eher Ersteres, mit unterschiedlich ausgeprägten Ansätzen des Zweiten. Und ich kann eigentlich nur jedem raten, der auf die eine oder andere Weise an Kritiken Interesse hat, möglichst viel zu lesen, sich ein paar Kritiker raussuchen, denen man "vertrauen" kann und ein paar, die immer interessante Gedanken haben, auch wenn sie am Ende nicht immer mit den eigenen übereinstimmen.

@ Filme vs. Serien
Im Prinzip ist das ja immer eine Frage der Präferenzen, was man von Geschichten verlangt und wie lange man sich damit auseinander setzen will. Ein paar der Unterschiede habe ich in dem Interview ja schon aufgegriffen, daher müssen die nicht erneut durchgenommen werden. Aber ich bin manchmal überrascht, was Leute bereit sind, in Serienform zu gucken, dann aber in Filmform mehr oder weniger meiden. Meine hier keinen persönlich, aber in Serienform scheinen viele Menschen deutlich eher bereit für starke Charakterdramen oder für langwierige Dialoge ggü. weniger Action (GoT, wie Wurzel sagt) zu sein. Ich will nicht behaupten, dass Serien wie "Breaking Bad" oder "Mad Men" ein direktes Film-Ebenbild haben, aber die generelle Richtung gibt es auch in Filmen, die dann nicht geguckt werden. Ich bin mal so dreist und behaupte, dass "Take Shelter" in Serienform Erfolg hätte, Emmys gewonnen hätte und auch hier bis zum Erbrechen diskutiert würde. Ist natürlich ne haltlose Behauptung, aber diesen Eindruck habe ich teilweise schon.
Und mir ist es auch zu simpel, das nur mit den Vorteilen der "mehr Details", "längere Zeit mit den Figuren verbringen" Argumente zu begründen ist. Nicht (nur) die Dauer der Beziehung zwischen Zuschauer und Figuren ist entscheidend, sondern die Figur an sich, was sie macht, sagt, denkt, nicht macht, nicht denkt oder nicht sagt. Man kann sagen, ein Film sei eingeschränkt, aber richtig angepackt ist ein film auch präziser, intensiver, in seiner Knappheit deutlicher. Serien werden ja auch nicht immer gleich erzählt. "Dexter" hat z.B. relativ geschickt ein sich langsam entwickelndes Gesamtstaffelziel mit einzelnen und jeweils mehr oder weniger abgeschlossenen Handlung pro Folge kombiniert. "Akte X" und "Veronica Mars" haben das ähnlich gemacht. Bei "Lost" hat durch die Flashbacks (oder der ganze andere Parallelhandlungsschmarren der späteren staffeln) jede Folge ein Grundthema, aber eigentlich ist es nur eine lange Hanldung, die zerstückelt ist, wo einzelne Folgen aber häufig genug keinen eigenen Anfang und kein eigenes Ende haben. Das scheint mir bei "Breaking Bad" (ich kenne noch nicht alles) auch der Fall zu sein. Letzteres ist eben wirklich wie ein überlanger Film, besonders wenn man eine Staffel (wie es ursprünglich nicht gedacht war, was dieser Art von Serie aber sehr entgegen kommt) innerhalb von wenigen Tagen durchzieht. Die erste Variante ist eher serielles Erzählen im traditionellen und ursprünglichen Sinn. Auch das hat jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf die Wirkung auf den Zuschauer.
Aber generell ist es einfach von Vorteil, ein bisschen zu suchen und sich nicht nur auf das zu verlassen, was die Multiplexe und die oberste DVD Auslage bei Karstadt einem so vorsetzen. :wink:

@Director's Cuts (und damit @Jay)
Du sagst "Ich finde, dass man durchaus bei Bestehen mehrerer Fassungen eine bestimmte vorziehen kann, auch wenn sie nicht mit der Meinung des Regisseurs übereinstimmt." - und ich habe nichts grundlegend Gegenteiliges gesagt. Ich finde nur, dass es, wenn es nur eine Fassung des Films gibt, diese mehr oder weniger die vom Regisseur bevorzugte Fassung sein sollte. Und ich finde, dass ein Überangebot an Fassungen nicht zwangsläufig nützlich ist. Dass "Donnie Darko" tatsächlich und unfassbarerweise von den Produzenten vor dem Irrsinn seines Regisseurs gerettet wurde ist nettes Beispiel, aber letztendlich ist ein Film Ausdruck eines Künstlers. Und auch wenn Film ein Gemeinschaftsprojekt ist, braucht ein Film am Ende eine entscheidende, singuläre Stimme. Und das ist die des Regisseurs. Und wenn "Donnie Darko" unter den Umständen ein schwächerer Film geworden wäre und wir nie erlebt hätten, was daraus sonst hätte entstehen können, dann ist das eben so. Aber ein Film muss eine Stimme haben und er sollte eine festgelegte Form haben.

@Bane
Bezüglich Potter habe ich mich hier schon ein wenig ausgelassen (Link) und was dort als Fehler der Filme aufgefasst wurde, würde ich in "meinen" HP Filmen demnach anders machen. In erster Linie hat (m)eine Neuverfilmung nun den Vorteil, dass man weiß, wie es endet. Die aktuelle Filmreihe wurde ja begonnen, als die Bücher bei Teil 4 oder 5 waren. Was genau ich anders machen würde, müsste man dann im Detail besprechen, aber die Rolle von Dobby, die Beziehung von Harry zu seinen Ersatzvätern Sirius, Lupin und auch Dumbledore, die Beziehung von Lupin & Tonks, die Entwicklung von Percy Weasley, Neville bei seinen Eltern im Krankenhaus - das alles wären schon Elemente, die ich verstärken wollen würde. Grundsätzlich wäre mein Ziel, das Erlebnis intensiver zu machen, was auch damit beginnt, die Welt reicher zu machen und zum Beispiel des Schulalltag und den "Ausbildungsablauf" auf Hogwarts besser nachzuvollziehen. Weg davon, ein effektreicher Fantasy-Fun-Film für die Familie zu sein, hin zu einem immer noch unterhaltsamen, aber ernsthaften Fantasydrama. Es darf immer noch witzig sein, aber nicht mehr so albern. Und auch nicht mit so schlechtem Timing, wie beispielsweise im 6. Film. Die Ernsthaftigkeit betrifft nicht zuletzt auch die Beziehung Harry-Hermine-Ron. Die Taten und Erlebnisse müssen intensiver sein, müssen eine größere Konsequenz haben und nicht so oft versuchen, mit billigen Tricks Zuschauer zu locken. Die Tatsache, dass das hier funktioniert, ist schon ein schlechtes Zeichen.
Und "In meinem Himmel" - hast du das Buch gelesen? Das dürfte die Frage nämlich beantworten. Der Film war mir nicht zu harmlos, er war schlicht komplett verkorkst. Ziemlich abartig kitschige Symbolik, zu viele mehr oder weniger sinnlose Effektszenen, auf Kosten der Nebenhandlungen, deren übrig gebliebene Fetzen (das Verschwinden der Mutter) eher frustrieren, als mitreißen oder berühren. Der Film war ein überwiegend emotiotionsloser Klotz, obwohl die Leute im Film dauernd geheult haben. Besonders vermisst habe ich die Rolle der Schwester, aber das ist nicht der Punkt, warum der Film blöde ist. Auch nicht, dass er so sehr anders ist im Vergleich zum Buch. Er versäumt und versaut grundlegende Dinge, die in einer Geschichte über ein ermordetes Mädchen einfach nicht passieren sollten.

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Und an alle ein Dank fürs Lesen. Und insbesondere an die, denen ich bezüglich Kinobesuch aus dem Herzen gesprochen zu haben scheine und die mir dafür Honig ums Maul geschmiert haben. :biggrin: :ugly:
 
D

Der Wasserspiegel

Guest
Scheinbar gibt es hier nichts mehr zu sagen, bzw Joel hat alle mit seinen Argumenten tot geschlagen. Insofern sei die nächste Ausgabe nun offiziell angekündigt.
Ihr könnt ja einmal raten, wen es dieses Mal erwischt hat.
 

McKenzie

Unchained
"Ich würde eine radikale Neuverfilmung der Harry Potter Romane angehen[...]"
Bin grad draufgekommen, dass ich da auch gern eine radikale Neuverfilmung sehen würde...von Chris Nolan im Dark Knight - Realismus - Style :ugly: Da würde ihn richtig fordern.
 
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