Boyhood ist eigentlich einer dieser Filme, die fast nur verlieren können: Jubelnd aufgenommen von der Kritik und dem bisherigen Publikum (Favorit auf der Berlinale), Meisterwerkbekundungen wohin das Auge blickt, sowas kann die Erwartungshaltung schon sehr stark in Höhen bewegen, die ein Film nur selten auch wirklich treffen kann. Und das obwohl Boyhood auf den ersten Blick nach einem gewöhnlichen Coming-of-Age-Film aussieht, einem von vielen, sehr, sehr vielen Filmen aus einem Genre, dass eigentlich schon seit Salingers Fänger im Roggen kaum noch neues zu erzählen weiß. Richard Linklater jedoch nimmt sich dem Coming of Age seiner Hauptfigur sehr genau an und dreht über 12 Jahre hinweg mit gleichbleibenden Schauspielern die Geschichte eines auf- und heranwachsenden Jungen, die wundervoller kaum hätte ausfallen können. Größtenteils ohne forcierte Konflikte und übermäßige Dramatisierung (Schrammt im ca. ersten Drittel sehr souverän daran vorbei) erzählt Richard Linklater mit viel Gefühl und Realismus innerhalb bekannter Muster, weiß das jedoch durch seine emotionale und inhaltliche Komplexität und seiner filmischen Außergewöhnlichkeit vergessen zu machen. Dabei widmet sich der Film in voller Ausführlichkeit, bei fast 3 Stunden Lauflänge, allerdings ohne dabei besonders anstrengend oder langwierig zu sein, ganz im Gegenteil, einer Kindheit mit geschiedenen Eltern, geprägt von Umzügen, den Romanzen und existenzialistischen Fragen des Heranwachsens und als junger Erwachsener dem Platz in der Welt und dem eigenen Leben zu finden. Angereichert mit vielen nostalgischen (Harry Potter!) und humoristischen Anekdoten findet sich irgendwann wohl jeder im Film wieder. Eine faszinierende Idee, großartig umgesetzt; Alle Emotionen und Eindrücke, Situationen und Probleme des Erwachsenwerdens destiliert in einem wundervollen Film. Gefühlskino wie ich es mag und dazu eines der, wenn nicht das perfekteste Ende aus jüngerer Erinnerung, wo das Vergangenheit endet und die Zukunft beginnt, getaucht in das warme Licht des Sonnenuntergangs. Und dann Arcade Fire. Fazit: Wundertoll.
9/10