Bridge of Spies: Der Unterhändler ~ Spielberg [Kritik]

Joel.Barish

dank AF
Ich sehe das ein wenig anders als Neo.

BG Kritik: Bridge of Spies (Joel)

Man sieht wirklich, was in Spielbergs Kopf vor sich geht, man versteht, warum er diese Geschichte erzählen wollte, weil sie perfekt in seine Filmographie passt. Würde ich mich jetzt zu übermotivierten Vergleich hinreißen lassen, würde ich sagen, dass Spielberg mal schleunigst den Superman Reboot angehen sollte. :whistling:
 

Joel.Barish

dank AF
brawl:
Alda ist kaum 10 Minuten im Film. Aber das soll dich nicht davon abhalten. Ich finde, der Film lohnt sich.

Neo
Ich gehe mal davon aus, dass du weißt, dass eine Zweitkritik mit latent konträrer Meinung nicht als Angriff auf die Erstkritik gemeint ist. Weil, äh, ist sie nicht. :smile: Einfach eine zusätzliche Meinung. Und ich finde wirklich, dass der Film hier wesentlich mehr leistet, als aus deiner Kritik herauszulesen ist. Allein der - immer leidige - Punkt mit der Vorhersehbarkeit; ja, im Prinzip können wir, von den letzten zwei Minuten vielleicht abgesehen, jeden Schritt vorhersagen. Aber geht es in Filmen wirklich immer darum überrascht zu werden? Ich jedenfalls hatte große Freude daran zu sehen, wie gekonnt und effektiv Spielberg die Strippen zieht, um die Geschichte zum passenden Endpunkt zu führen. Gerade wenn man erkennt, wo die Reise hingeht, sind die Entscheidungen auf dem Weg dorthin besonders spannend. Zumindest wenn Jemand wie Spielberg am Steuer sitzt.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Ich habe sie keineswegs als Kritik an meiner Kritik gesehen. :smile:

Natürlich muss ein Film nicht immer unvorhersehbar sein. Keineswegs. Mir ist eben dieses Strippen ziehen nicht als Posiitves aufgefallen. Aber ich gehe ja wie gesagt nur auf das Drehbuch negativ ein, der Rest gefiel mir ja gut bis sehr gut. Vielleicht sind die 5,5/10 etwas hart, aber sind im Grunde auch nur Punkte und der Text zählt ja eigentlich mehr.
 

Dr Knobel

Sie nannten ihn Aufsteiger
Ich sehe es in diesem Fall eher wie Joel, zumindest was die Bewertung betrifft. Ich finde sogar, dass das der beste Spielberg seit einigen Jahren ist, "Lincoln" habe ich jedoch noch nicht gesehen. Ich hatte ihn eigentlich schon abgeschrieben, aber scheinbar kann er doch noch an vergangene Zeiten anknüpfen. Jetzt mal weder ein "spaßiges" Big-Budget-Feuerwerk von ihm, damit er den unsäglich "Indiana Jones 4" ausmerzen und sich hoffentlich für einen Indy 5 warmlaufen kann.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Jetzt fühle ich mich wie Hanks auf der Brücke, zwischen den Meinungsfronten Joels und Neos stehend. Bibbernd, aber im schicken Mantel.

Mache ich mir Sorgen, bzw, würd das helfen?

Für mich ist das ein guter Film geworden, aber ein doch eher unterwältigender Spielberg und vor allem unterwältigender 2016er Best Picture Kandidat. Die Ausstattung ist tops, die Übergänge sind immer elegant, oft sogar richtig durchdacht und auffallend stark, Spielberg ist für seine Verhältnisse mal überraschend subtil unterwegs (tolles Zaunmotiv), Mark Rylance ist klasse und die Art, wie die damalige gesellschaftliche Sicht der Dinge mit eventuellem drohenden Nuklearkrieg, dauerpräsenter Skepsis vor dem Feind und der invasiven Arbeit der Geheimdienste präsentiert wurde.

Hanx selbst aber verleiht Jim Donovan kaum Ecken und Kanten. Er ist zwar ein wunderbar nerviger Kämpfer für das Gute, er bleibt jedoch ein relativ langweiliger, gewöhnlicher Typ, der eher wegen Hanks als durch sein Gehabe, Auftreten an Fahrt gewinnt. Hanks selbst ist das nicht geschuldet, aber dem Drehbuch, das es Donovan alles viel zu einfach macht. Okay, er wird mal von Fotografen genervt, höflich überfallen und muss im kalten Ostberlin viel frieren, aber obwohl hier quasi der Dritte Weltkrieg vor der Tür steht und sich bereits die Schuhe abputzt, ist das gesamte Unterfangen nie sonderlich spannend oder dramatisch inszeniert. Die CIA wird als inkompetenter Haufen dargestellt, von russischer Seite sehen wir nahezu nichts. In manchen Szenen ist Donovan überaus mutig, weil er Forderungen stellt und sich damit im Grunde ungefragt mit einem gesamten Land anlegt und global pokert, aber wo ist der Fokus auf Schweißperlen? Wo ist die Intensität? Dabei wird Donovan als lässiger, aber auch eher ruhiger, schüchterner Mann vorgestellt, keiner der einem Regierungschef ins Auge sieht und ihm Dirty Harry mäßig vorschreibt, was nun zu machen ist.

Auch der spätere Moment auf der Brücke, in dem so viel passieren könnte und auf dem Spiel steht, wäre es von der aufgebauten Spannung her wahrscheinlicher, dass alle lachen und sie zusammen bisschen bei Glühwein zusammenstehen, anstatt dass es da gleich kracht, Kugeln fliegen und die Balance der Welt ausgehebelt wird. Das müsste eigentlich so dermaßen spannend sein, dass man sich die Fußnägel kurzknabbert. Hanks hatte packendere Momente im Da Vinci Code, und das darf nicht sein. Jetzt mag man sagen, dass Spielberg halt nicht auf Thrill wie bei München aus war, aber das muss man meiner Meinung nach. Das ist ja was anderes als die Lincoln Gespräche, in dem bloß alle rumstehen oder rumsitzen und bei Pfeifenqualm über Moral schwatzen. Comedy war es ja zum Glück auch nicht, obwohl Spielberg schon sichtlich wichtig war, die Handlung immer mal wieder mit kleinen gelungenen Schmunzlern aufzuheitern.

Zu wenig Szenen gab es mir auch mit Hanks Familie zuhaus, mit Abel, der nach Filmmitte dezent vergessen wird, sowie mit dem Piloten bzw seine Freunde, die nie zu Charakteren werden, sondern bloß zu liefernde Objekte sind. Das hätte den Film noch mehr ausgeschmückt. Von Newman bin ich auch besseres gewohnt, um ehrlich zu sein.

7/10 , vielleicht weniger...

Übrigens, fun fact: Donovans Tochter wird von Eve Hewson gespielt, die ... die Tochter von Paul Hewson ist, den man auch Bono nennt. Jap, den Bono von U2, die sich nach dem Flugzeug benannt haben, das im Film gezeigt wird.
 

Schneebauer

Targaryen
Bin ich voll und ganz bei dir Jay. Sehe viele Punkte genauso.

Für mich ist das ein guter Film geworden, aber ein doch eher unterwältigender Spielberg und vor allem unterwältigender 2016er Best Picture Kandidat.

Definitiv!

...das es Donovan alles viel zu einfach macht. Okay, er wird mal von Fotografen genervt, höflich überfallen und muss im kalten Ostberlin viel frieren, aber obwohl hier quasi der Dritte Weltkrieg vor der Tür steht und sich bereits die Schuhe abputzt, ist das gesamte Unterfangen nie sonderlich spannend oder dramatisch inszeniert.

Leider muss man fast sagen. Diese diplomatischen Geplänkel wirkten mehr wie ein Kinderstreit wer vorne sitzen darf. Die Intensität, die hier vorherrschen müsste wird nicht zum Zuschauer transportiert. Ein bevorstehender Atomkrieg wird hinter Donovans moralische Ansprüche gestellt? Schwer nachvollziehbar.

Auch der spätere Moment auf der Brücke, in dem so viel passieren könnte und auf dem Spiel steht, wäre es von der aufgebauten Spannung her wahrscheinlicher, dass alle lachen und sie zusammen bisschen bei Glühwein zusammenstehen, anstatt dass es da gleich kracht, Kugeln fliegen und die Balance der Welt ausgehebelt wird. Das müsste eigentlich so dermaßen spannend sein, dass man sich die Fußnägel kurzknabbert.

Und wie! Es läuft einfach alles glatt, zu reibungslos.

Aber schön zu sehen, dass Sebastian Koch eine relativ große Rolle bekommen hat. Fand ich in Homeland schon super. Wäre toll wenn er sich da wirklich etablieren kann. Aber wie auch der Rest vom Cast hat er neben Hanks zu wenig Platz und verkommt zum Mittel zum Zweck.

7 / 10 denke ich sind in Ordnung.
 

Revolvermann

Well-Known Member
Großartig in Szene gesetzt. Die Kamera, der Schnitt erzeugt von Anfang bis Ende Neugierde. So entsteht eine unaufdringliche Spannung wie sie nicht viele hinbekommen.
Klar kann man meckern, dass der Film einen zu sehr an dien Hand nimmt. Das Spielberg, mal wieder vertreten durch Hanks, zu krampfhaft aufrütteln und belehren will. Halt der typisch, moralisierende Spielberg.
Ich finde, wir brauchen Ihn mehr als je zuvor.

8,5/10
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Hab den Film jetzt auch erst vor ein paar Tagen nachgeholt und hat mir sehr gut gefallen. Weniger Kalter-Krieg-Paranoiathriller als sehr gesprächiges, aber nie langweiliges, Geschichtsdrama über das Aufrechterhalten humanistischer Werte in schwierigen Zeiten und Angesicht von globaler Angst und Anfeindung. Spielberg interessiert sich meistens für die Menschen und weniger für die große historische Geschichte darum, er sucht die hellen Teile in einem dunklen Stück Geschichte, in denen selbst vermeintliche Feinde eine gewisse respektvolle Haltung zueinander haben. Da liegt es in der Natur des Films vor allem großes Dialog- und Schauspielkino zu sein, aber es wäre nicht Spielberg, wenn dass eine trockene Angelegenheit werden würde. Die vielen Dialogszenen sind so aufregend inszeniert, wie es wohl wenig andere könnten, jede Einstellung ist perfekt gesetzt und lenkt doch niemals die Aufmerksamkeit wirklich auf sich, sondern ordnet sich immer dem Erzählfluss und der Stimmung unter. Sehr schön fand ich auch die Montagen und das direkte Gegenüberstellen von Szenen im ersten Drittel des Films, auch wie sparsam, aber effektiv die Musik im Film eingesetzt wurde. Über die Schauspieler muss man wohl nicht mehr viel sagen, dass Tom Hanks einer der großartigsten amerikanischen Schauspieler ist, dürfte schon seit langem klar sein und es sind vor allem Filme wie dieser, in denen er glänzen kann. Mark Rylance ist so wunderbar stoisch, so zurückhaltend und leise und macht trotzdem so viel Eindruck. Das genaue Gegenteil eines Leonardo DiCaprio. Und wo man schon dabei ist: So direkt danach musste ich mir denken: Bridge of Spies ist ein Film, den die Welt braucht, The Revenant ist der, den sie verdient hat. Man darf hoffen, dass uns Spielberg noch viele Jahre erhalten bleibt.

Netter Zusatz, falls jemand Zeit übrig hat: Sehens- bzw. hörenswertes, einstündiges Gespräch zwischen Spielberg und Martin Scorsese über den Film und noch ein paar andere Sachen: Klick
 

Joel.Barish

dank AF
TheGreatGonzo schrieb:
So direkt danach musste ich mir denken: Bridge of Spies ist ein Film, den die Welt braucht, The Revenant ist der, den sie verdient hat. Man darf hoffen, dass uns Spielberg noch viele Jahre erhalten bleibt.
Yaaaas! :love:
Ich habe noch immer intensive und positive Erinnerungen an diesen Film. Es ist empörend, dass der so unterging, dass der entweder kaum gesehen wurde oder wenn doch, dass er als "unbesonders" und "mittelmäßig" beschrieben wurde. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man mich fragt.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Das war einer der Filme, die ich, nachdem sie zu Ende sind, gleich nochmal schauen möchte. Und ich finde es erstaunlich, wie gerne man sich so einen Film, in dem mit wenigen Ausnahmen fast nur geredet wird, wirklich anSCHAUT, Spielbergs Sinn für Bilder ist einfach so gut, allerdings war hier auch das Drehbuch, in meinem Post vergessen zu erwähnen, wirklich toll und die teilweise etwas Coen-esk witzigen Dialoge und absurden Szenarios haben dem Film echt gut gestanden. Bin auch mal über die Meinungen zu The BFG gespannt, nachdem den hier vielleicht mal ein paar nachholen werden. Und nachdem ich nach The BFG unbedingt diesen Film nachholen wollte, möchte ich nach der Sichtung von Bridge of Spies gerne Lincoln ein zweites Mal sehen. :squint:

Etwas "unrelated," irgendwie, aber interessiert mich gerade: Wie findest du Der Krieg des Charlie Wilson, Joel?
 

Dr Knobel

Sie nannten ihn Aufsteiger
Ich persönlich glaube ja, dass Spielberg nach SCHINDLERS LISTE - bewusst oder unbewusst - endgültig seine Unschuld und in gewisser Hinsicht auch seine Leichtigkeit verloren hat. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum er sich seit Jahren in seinem klassischen Metier des Blockbuster-Kinos schwer tut. Nach Sichtung von DIE VERLEGERIN - den ich gut, aber nicht so überragend fand, wie der Rest der Welt - und mit einiger Verspätung nun erneut auch BRIDGE OF SPIES, bin ich sogar der Meinung, dass er von Blockbustern gänzlich die Finger lassen sollte. Denn BRIDGE OF SPIES ist für mich der beste Spielberg-Streifen seit Jahren.
Dass der Mann wie kaum ein Zweiter eine Geschichte aufbauen und erzählen und dabei das Publikum in seinen Bann ziehen kann, muss nicht extra erwähnt werden. Aber hier funktioniert sein Stil sowohl in kleineren, intimeren Momenten, als auch in größeren, dramaturgisch wuchtig angelegteren Szenen. Dazu kann er auf einen wie stets souveränen Tom Hanks setzen, der einen ohnehin toll besetzten Cast anführt. Ein grandioses Production Design und eine ebenso routiniert wie überzeugend aufgebaute Spannungskurve unterstreichen, was für ein Gigant Spielberg immer noch ist, wenn er das richtige Projekt zur richtigen Zeit angeht.
Dem Film hätte es vielleicht gut getan, wenn er wie im Trailer angedeutet noch etwas stärker auf klassische Spannungselemente gesetzt und das Tempo etwas höher gehalten hätte, aber das ist nun wahrlich Jammern auf hohem Niveau. Unbedingt ansehen, der ist wirklich toll.

8,5/10
 
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