The House That Jack Built ~ Lars von Trier

Deathrider

The Dude
Diego de la Vega schrieb:
Was, Lars von Trier der zu Weit geht? Damit war nicht zu rechnen.
Dass die Leute damit nicht rechneten schockiert mich vermutlich mehr als es der Film tun wird. Trotzdem darf man die Frage stellen, ob der Film außer plakativen Schockelementen in Arthousegewand noch inhaltlich genug zu bieten hat.

Btw... Wenn der Mensch aus dem vierten Zitat einfach mal Melancholia sehen würde... :rolleyes:
 

Clive77

Serial Watcher
So lange es nicht so sinnfrei wie Nymphomaniac wird, wäre ich wohl trotzdem dabei. :unsure: Also Heimkino.
 

Joel.Barish

dank AF
Schockreaktionen - insbesondere aus Cannes - sind in etwa so aussagekräftig wie Buh-Rufe oder Standing Ovations. Nach allem, was man so über die Jahre hört, läuft so was häufig mit einem ordentlichen Maß an Übertreibung und selbstinszenierung ab. Und da Lars von Trier im Cannes Kontext ja nicht irgendwer ist und seine Filme immer schon provoziert und polarisiert haben, sind diese nur bedingt Überraschend. Das heißt aber nicht, dass sie automatisch aus der Luft gegriffen sind. Bei diesem Film habe ich auch noch immer eine ausgeprägte Skepsis, ob der Lars wohl noch immer den Klar-/Weitblick für so einen Stoff hat. Neugierig bin ich aber auch.

Edit:
Clive wieder mit der Provokation. :ugly: Es soll auch gar nicht um "richtige" oder "falsche" Eindrücke gehen; wenn dir "Nymphomaniac" nichts gegeben hat, dann ist das so. Der Film macht es sich bzw. seinem Publikum auch nicht leicht, ist er doch Ausdruck des "neuen" Lars von Triers etwa seit "Melancholia". Ich habe es ja auch im Trailer Thread geschrieben: Von Triers Filme handeln in erster Linie über Von Trier selbst, über seine psychischen Probleme, seine Angstzustände, seine Neigungen, die er selbst wahlweise zu verstehen versucht oder für die er sich geißelt. Und "Nymphomaniac" ist quasi der Gipfel der Von Trier'schen Innenansicht; durchzogen mit Referenzen an die gesamte eigene Filmographie und an persönliche Vorbilder/Interessensgebiete.
Dass er es - insbesondere im DC - auch hier und da zu weit treibt, würde ich auch einsehen. Nicht zuletzt daher auch in Teilen meine Skepsis bzgl. "Jack".
 

Revolvermann

Well-Known Member
Bei mir rutscht der gerade noch höher in der Watchlist.
Wie viele Serienkiller hat man über die Jahre gesehen? Alleine im Serienformat sind es momentan so einige. Durchaus auch gute Sachen.
Von Von Trier wünsche ich mir aber etwas exzetrisches, prätentiöses, brachiales. Ich wünsche mir, der Film wird richtig krank. Nicht im Sinne von "wie bauen nur auf Ekel und Gewalt"-Porno-Human Centipede-krank. Sondern etwas zum Entdecken. Mit künstlerischer Ambition.
Da könnte man hier an der richtigen Adresse sein. Unter Umständen.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Die Leute, die das Marketing für den Film machen werden, reiben sich jetzt sicher schon freudig die Hände.
Revolvermann schrieb:
Nicht im Sinne von "wie bauen nur auf Ekel und Gewalt"-Porno-Human Centipede-krank
Den Kritiken zufolge solls ja eher in die Richtung gehen.

Fand den Trailer aber auch arg billig und plump und Interesse ist, wie eigentlich immer bei von Trier, bei mir nicht vorhanden.
 

Revolvermann

Well-Known Member
TheGreatGonzo schrieb:
Den Kritiken zufolge solls ja eher in die Richtung gehen.
Das wäre schade. Habe aber auch schon Kritiken gelesen (komplette Kritiken, keine Statements nach Kinobesuch) die etwas Gegenteiliges sagen.
Aber natürlich ist die Möglichkeit gegeben, dass von Trier einfach nur schocken will. Was, wie gesagt, schade wäre.
 

Remix

Well-Known Member
Ich wollte damit auch nicht veräußern, dass ich es großartig überraschend finde.
Zum einen ist es halt noch immer ein Trier-Film und da ist ja immer irgendwas und zum Anderen lege ich nicht viel Wert darauf, ob jemand anders den Saal verlässt oder nicht. Schlussendlich interessiert mich mein eigenes Bild vom Film.

Was die bisherigen Reviews angeht muss ich sagen, dass die Meinungen da offenbar sehr stark auseinander gehen. Während es von der einen Seite recht viel Lob einheimst und ich immer mal wieder "brilliant" gelesen habe, habe ich auf der anderen Seite auch Aussagen gelesen, bei denen mir irgendwie die Worte fehlen. Ein gutes Beispiel für Zweiteres ist da das deutsche Review von kino-zeit.de.

Ich zitiere mal die letzten beiden Absätze:
The House That Jack Built ist ein Film, der sich in gewisser Weise nicht nur wie ein Mord (am Publikum), sondern vielmehr wie ein angekündigter (künstlerischer) Selbstmord anfühlt. Und das erfüllt mich mit Sorge. Ebenso aber die Reaktionen auf diesen Film. Erste oberflächliche Recherchen im Netz zeigen bereits, dass es schon Beifall für diesen Film gibt – und zwar von genau der Seite, von der man dies befürchtet hat: von radikalen Maskulinisten und Incels, die sich dem Attentäter von Toronto nahe fühlen und allein aufgrund der Beschreibungen aus Cannes Dinge äußern wie etwa, dass sie bereit wären, Frauen zu töten, wenn sie diesen Film sehen könnten. Damit muss man heute leider rechnen. Der Film hat das vielleicht nicht intendiert, aber er macht es den Apologeten des Bösen auch verdammt einfach, indem er den Frauen, die getötet werden, weder einen Namen noch irgendeine positive Eigenschaft zugesteht. Vielmehr sind sie dumm, naiv, geschwätzig, reine Objekte, bloße Nummern, nacktes Fleisch – Material eben.

Wir leben in verwirrenden Zeiten – und in gewisser Weise spiegelt Lars von Triers neuer Film genau das wider: Er ist dumm und möchte doch unbedingt weise und klug sein, er ist selbstbezogen, narzisstisch, voller Selbstmitleid, geschwätzig, nervtötend und großmäulig. Er will unbedingt erklären und belehren und bleibt am Ende doch kalt und leer. Er ist wie das Haus, das Jack gebaut hat – vergänglich und provisorisch, eine notdürftig gebaute Hütte aus Leibern, die doch so gerne eine Kathedrale wäre. Und er ist wie die Morde, die Jack begangen hat: voller sinnloser Brutalität und Menschen-, insbesondere Frauenverachtung, voller Kunstwillen und der gleichzeitigen Unfähigkeit, diese auch zu erzeugen. Was am Ende bleibt – auch ästhetisch – ist der Abstieg in die Hölle. Ist der Tod.
Quelle: https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/the-house-that-jack-built-2018

Auf meiner Watchlist ist der Film weiterhin.
 

Puni

Well-Known Member
Läuft bereits im Kino.

Großes naja. Ich weiß nicht wirklich, was ich zu dem Film sagen soll. Entschuldigt bitte, falls es alles ein wenig chaotisch wirkt, aber ich tue mich wirklich schwer, passende Worte zu dem Film zu finden.
Zu aller erst sei gesagt, dass hier, wie auch bei Nymphomania, auch hier der moralische Überbau - dieses Mal mit Bruno Ganz - mehr stört, als dass er nützt. Die kontroversen, oft misogynen Szenen sind recht vorhersehbar, und von Trier rechtfertigt bzw. erklärt sich dann auch sofort danach für die Szenen. aber auch für seine Kunst ansich durch Ganz. Auch zur Nazi-Thematik wird Stellung genommen, was total deplaziert wirkte (auch wenn das Beispiel natürlich wunderbar zu Lars von Trier passt).
Allgemein hat man hier wirklich das Gefühl, dass es die ganze Zeit nur um von Trier geht und gar nicht um die Handlung des Films, die nur als Grund genommen wird, um über kontroverse Kunst zu diskutieren. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes, irgendwie beißt sich die Katze da selbst in den Schwanz. Ansonsten wurde mal wieder ganz wunderbar inszeniert, der Soundtrack hat was und recht gelungenen Humor gibt es auch, besonders in den ersten beiden Abschnitten, die so in abgeschwächter Form wohl auch in der Fargo-Serie hätten stattfinden können. Episode 3 ist wohl die kontroverseste, mich hat sie von der Atmosphäre her allerdings voll gepackt, zumindest anfangs. Was dann draus wurde (Stichwörter: "Winkender Junge") war dann doch auch wieder mehr billig als mutig. Und wo wir schon dabei sind, von der Handlung her hat man leider auch nicht wirklich das Gefühl, hier etwas neues zu sehen, das haben Filme wie Henry oder Monster da schon besser und intensiver gemacht.

Wirklich kein arg schlechter Film, aber über das ganze hätte von Trier auch einfach mal mit einem Interviewpartner diskutieren können, das hätte die Sache erträglicher gemacht. So bleibt am Ende leider zu sehr das Gefühl übrig, dass der Film mehr Erklärung und Rechtfertigung für die Person von Trier sowie dessen Kunst ist, als alles andere. Und bei mir hat das leider gar nicht geklappt.
 

Presko

Don Quijote des Forums
Puni schrieb:
Allgemein hat man hier wirklich das Gefühl, dass es die ganze Zeit nur um von Trier geht und gar nicht um die Handlung des Films, die nur als Grund genommen wird, um über kontroverse Kunst zu diskutieren.

Ohne den Film gesehen zu haben, aber scheinbar gemäss allgemeiner Einschätzung scheint genau das der Fall zu sein.
 

Joel.Barish

dank AF
Presko schrieb:
Puni schrieb:
Allgemein hat man hier wirklich das Gefühl, dass es die ganze Zeit nur um von Trier geht und gar nicht um die Handlung des Films, die nur als Grund genommen wird, um über kontroverse Kunst zu diskutieren.

Ohne den Film gesehen zu haben, aber scheinbar gemäss allgemeiner Einschätzung scheint genau das der Fall zu sein.
Aber das ist doch nicht neu. Unabhängig davon, ob das gut oder schlecht, sinnvoll oder unsinnig, clever oder selbstgefällig ist, aber dass LvT Filme seit einiger Zeit in erster Linie von LvT selbst handeln bzw. sein Innenleben (oder so) repräsentieren, ist spätestens bei der "Trilogy of Depression" der Fall, also seit "Antichrist". "Nymphomaniac" war komplett selbstreferentiell, wie ein Zäsur in Leben und Karriere, nur eben in seiner Kernhandlung nicht so offensichtlich darin. Das ist eigentlich der Hauptunterschied, den ich bisher in Reaktionen zu "Jack" aufgeschnappt habe, dass die Parallelen zwischen Hauptfigur/Handlung und LvT plumper und offensichtlicher sind, dass die "Serienkiller als Künstler" Prämisse selbst für den guten Lars zu gewollt und billig ist. Ich bleibe skeptisch-gespannt. Wollte den eigentlich am Wochenende gesehen haben, doch das hat nicht ganz geklappt.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Habe den Film nun auch gesehen (gibt es auf Netflix) und bin da ein wenig zwiegespalten. Technisch und visuell ist der Film sehr gut gemacht und die Besetzung passt auch. Hier wurden ein paar Serienkiller-Filme als Vergleich herangezogen, aber ich würde es am ehesten mit der einen Szene aus "American Psycho" vergleichen, in der Patrick Bateman mit der Leiche im Sack seelenruhig am Nachtportier des Hotels vorbeigeht. Die Situationen, die in "The House That Jack Built" gezeigt werden, sind nämlich so weit vom Realismus entfernt, dass ich fast schon vom Surrealismus sprechen würde (nicht nur wegen der Rahmenhandlung). So hart manche Szenen auch sind, wird ihre Wirkung dadurch gemildert, dass das Ganze nicht wie eine Geschichte "mitten aus dem Leben" daherkommt, sondern teilweise ins Absurde abrutscht. Am schwersten war natürlich der dritte Vorfall (der Film ist in fünf "Vorfälle" eingeteilt), aber gleichzeitig war er auch am unauthentischsten.
Abgesehen davon, dass er massenhaft Zeit für die Morde und die Platzierung der Leichen benötigt haben wird, wäre er doch der erste Verdächtige für die Polizei. Selbst wenn die Leichen nicht gefunden wurden, würden sie ihn genau unter die Lupe nehmen. Solche Situationen, in denen er zu leicht mit den Taten davon kommt und manche Morde praktisch vor den Augen der Polizei begeht, passieren hier öfter, also frage ich mich, ob das Ganze nicht nur seiner Fantasie entsprungen ist. Auch das Bauen des Leichenhauses am Ende dürfte rein aus physikalischer Sicht ziemlich unmöglich sein. Sie sind starr gefroren, wiegen nicht wenig, und er soll sie in so kurzer Zeit so übereinander gelegt haben? Auch in zwei Metern Höhe?
Den Soundtrack fand ich furchtbar unpassend. Das hätte eher zu einem Film aus den 70ern gepasst, in dem es um einen unwiderstehlichen Frauenheld geht. Und die Krönung war dann der letzte Song. Hatte es eine tiefere Bedeutung?
Da ich nur wenig über die Person Lar von Trier weiß, kann ich nicht beurteilen, ob es ein Film über ihn ist. Stellenweise wirkt der Film gekünstelt und will anspruchsvoller wirken als er eigentlich ist.

Unter dem Strich fand ich ihn besser als Nymphomaniac und Melancholia, aber als überragend würde ich ihn nicht bezeichnen.
 
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