Phantom Thread: Der seidene Faden ~ Paul Thomas Anderson und Daniel Day-Lewis [Kritik]

TheRealNeo

Well-Known Member
Hm.
Der Film wird es nicht leicht haben beim Publikum. Paul Thomas Anderson erzählt hier in 130 Minuten eigentlich wenig. Es ist vielmehr ein Film der Gefühle, Gesten und Blicke. Dabei streichelt Anderson mit der Kamera in Groß- und Nahaufnahmen seine Schauspieler, die Stoffe und ja sogar das Essen des Films. Das körnige Filmmaterial verleiht dem Ganzen eine spürbare Authenzitität, die ganz auf Anderson visuellen Stil passt. Hier gibt es keine großen Panoramauaufnahmen und trotzdem Bildkomposition zum Niederknien. Auch die beiden Hauptdarsteller spielen hier, wenn auch zeitweise zurückhaltend, aber wie auch zu erwarten war famos. Es sind fast schon die ruhigen Momente zwischen beiden, die die stärksten sind. All diese Eigenschaften sollten wohl deutlich machen, dass dies ein Film ist, der eine gewisse Geduld und Empathie seinens Publikums erwartet und erfordert.
Und ja ich selbst weiß noch nicht genau, wie ich den Film final einordne. Am Ende ging es mir dann doch etwas schnell und mir fehlte so eine letzte überzeugende Komponente für diese Beziehung zwischen den beiden.

Auf jedenfall aber eine Empfehlung, wenn auch anders als vieles was man sonst vielleicht von Paul Thomas Anderson kennt.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Soeben gesehen und bin überaus zufrieden :squint:. Tonal doch merklich anders als der Trailer, aber ein wundervolles Stück über Machtdynamik, Obsession und introvertierter Exzentrik, verpackt als unkonventionelle dunkle Romanze. Daniel Day-Lewis als herrisches Schneidergenie ist erwartbar dominant, doch überraschen die beiden Damen fast umso mehr. Die luxemburgische Vicky Krieps als Lewis' neueste Musenanschaffung brilliert in einer vortrefflichen, schwierigen Rolle als aufsteigende Kontrahentin und Partnerin, zumal sie Andersons Drehbuch und Day-Lewis gerecht werden muss. Schafft die Newcomerin mühelos und spielt so eine fantastische starke Frauenrolle. Es ist eine kleinere Rolle, doch nicht weniger wichtig ist Lesley Manville als Lewis' Filmschwester, die ihrem Bruder mehr als jeder andere Paroli bieten kann.

Sinnlich, subtil, mehrfach überraschend schwarzhumorig, ungewöhnlich romantisch, darf man den seidenen Faden zu einem weiteren Erfolg Andersons zählen.

Aktuell würd ich die wie folgt ranken:

There will be Blood
The Master
Magnolia
Der seidene Faden
Boogie Nights
Inherent Vice
Punch Drunk Love
Hard Eight
 

Joel.Barish

dank AF
Auch gestern gesehen. Synchro, aber als ich erfahren habe, woher Vicky Krieps kommt und dass sie sich (sehr, sehr gut) selbst synchronisiert hat, war es das wert. Und der Film war es wert. Sehr sogar. Werde morgen vermutlich ne längere Kritik hier einwerfen, aber "Der seidene Faden" zeigt eine wunderbar faszinierende Beziehung zweier endlos spannender Figuren, fantastisch gespielt.

Jay schrieb:
Aktuell würd ich die wie folgt ranken:
Das "Problem" beim PTA Ranking-Spiel ist (für mich), dass alle Filme außer "Hard Eight" und "Inherent Vice" (und noch dieser hier, da erst frisch und 1x gesehen) zwischen 9/10 und 10/10 Fallen. Drittletzter in der PTA Filmographie zu sein sieht zunächst eher mittelprächtig aus, obwohl es ein fantastischer Film ist.

TheRealNeo schrieb:
Aber auch das Gefühl, dass hier die 'falsche' weibliche Rolle Oscar-nominiert wurde?
Jain. Krieps wurde im gesamten Filmpreiszirkus arg übergangen, aber Manvilles Rolle bzw. ihr Spiel waren schon verdammt gut. Sie sagt alles über die Blicke und ihre Mundwinkel, da sie komplett Fassade und Selbstbeherrschung ist. Und dennoch können wir in jedem Moment geradezu Welten erkennen, die sich in ihrer Figur abspielen.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Und das extrem schwache Phantom-Thread-Poster setzt das Konzept trotzdem nochmal ein gutes Stück besser um. Diese "Fanmade" Poster sind um einiges besser.

Den Film selbst habe ich leider noch nicht gesehen, da es doch immer etwas schwierig ist, Filme im O-Ton zu sehen zu bekommen, aber sollte mir uU nicht ein Arzttermin dazwischenfunken ist es morgen soweit.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Wesentlich besser, die Fanposter.

Am idealsten wäre meiner Meinung nach ein Motiv, das visuell an die kargen Modezeichnungen Woodcocks erinnert.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Hab den zwischenzeitlich gesehen (leider auf Deutsch) und wie immer bei Paul Thomas Anderson bin ich ein bisschen überwältigt von der Reichhaltigkeit des Films. Trotz der simpel erscheinenden Handlung steckt da thematisch so viel drin, zwischen den Hauptfiguren passiert so vieles im stillen, dass ich den unbedingt nochmal sehen muss, um ihn besser aufzunehmen.
Vor allem weil eine Wendung die Handlung im letzten Drittel nochmal ganz subtil komplett auf den Kopf zu stellen weiß.
Darüber hinaus aber ein toll gespielter, visuell herausragender und oft durchaus lustiger Film. Seit There Will Be Blood hat Anderson so einen eigenwilligen Stil gefunden, ernste, komplexe Charakterfilme zu machen, die gleichzeitig trotzdem enorm witzig sein können. Jonny Greenwoods Musik ist wiedermal herausragend und die Endszene vor dem Abspann vielleicht jetzt schon meine liebste des Filmjahres.
 

Joel.Barish

dank AF
TheGreatGonzo schrieb:
und wie immer bei Paul Thomas Anderson bin ich ein bisschen überwältigt von der Reichhaltigkeit des Films. Trotz der simpel erscheinenden Handlung steckt da thematisch so viel drin, zwischen den Hauptfiguren passiert so vieles im stillen, dass ich den unbedingt nochmal sehen muss, um ihn besser aufzunehmen.
Das ist korrekt. Warte jetzt schon sehnsüchtig auf eine Zweitsichtung.
 

Presko

Well-Known Member
Wow, was für ein Biest vom Film. Ästhetisch und schauspielerisch ist das der absolute Wahnsinn, einfach betörend schön, was man da geliefert bekommt.
Auch ein echtes Kunststück, wie es der Film schafft, mit der Wendung, die er inhaltlich nimmt, trotzdem als ernsthaftes Beziehungsdrama zu funktionieren.
 
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