Jetzt weiß ich glaube langsam, was Stuntman mit "naive mainstream Gutmenschlichkeit" meinte.
In einem Video geht es um die Tatsache, dass Männer und Frauen oft unterschiedlich viel Geld verdienen, obwohl sie den gleichen Job machen, und dass sie es schwieriger haben, Karriere zu machen. Er erklärt eloquent, wieso das so ist. Die Moderatorin hingegen will nur darüber reden, ob das fair ist oder nicht. Er "schlägt" sie verbal, durch Argumente und durch Höflichkeit, während sie ihm ständig reinredet und ohne Argumente auf Gleichheit pocht, auch wenn die rein theoretisch nach trockener Logik nicht gerecht ist. Ihre naive mainstream Gutmenschlichkeit ignoriert das größere Ganze, sozusagen. Hinzu kommt die Ansage seinerseits, dass es von Natur aus ebenfalls so ist, und dass es nach Studien belegt für mehr Glück für alle sorgt.
Sie mag mit ihrer Engstirnigkeit falsch liegen, aber er mit seinen trockenen Fakten doch auch. Er ignoriert das Individuum, und generell, Gefühle. in seiner Vorstellung fühlt sich der Chefhummer super, weil er die anderen geschlagen hat. Was ist mit den anderen? Egal. Es ist leicht, als Mann damit d'accord zu gehen, dass die anderen Menschen weniger verdienen - wenns einen selbst nicht betrifft. Wenns auf der Arbeit plötzlich hieße, dass alle Bayern Fans ab sofort 100 Euro mehr im Monat kriegen, würden sich die anderen doch sofort echauffieren. Ebenso interessiert es eine Susanne null, ob Frauen generell schwanger werden können, damit ausfallen könnten und so dem Unternehmen weniger wert sind. Sie kriegt im Monat für die gleiche Bemühung weniger Geld aufs Konto, wieso, ist ihr doch völlig egal. Und da mit Statistiken und Natur zu kommen ist absurd, denn es lässt sich auf eine simple Attitüde runterbrechen: dir gehts halt schlechter, nimm es einfach an. Das ist genau, wie es mit einer Religionsvorlage zu erklären. Ist halt Tradition, also Pech für dich.
Und ja, natürlich schwingt da wieder diese weit verbreitete Einstellung mit, dass Frauen die klappe zu halten und am Herd zu stehen haben, dass der Mann alpha sein muss etc. So ein Blödsinn. Das mag in manchen Relationen prima funktionieren, aber man kann das nicht für alle pauschalisieren. Zur Zeit der Weltkriege war es vielleicht am effektivsten und einfachsten, wenn der Mann hart arbeitet und kampfbereit ist, und sie für Nachwuchs sorgt. Das gilt 2018 aber nicht mehr. Heute ist Platz für Variation, für Vielfalt, für individuelle Entfaltung. Fürs System mag das komplizierter sein, aber für die vielen komplexen Individuuen nicht.