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Als Flint seine Titten wieder unter Kontrolle hatte, reisten sie von College zu College. Überall hin, wo Leute Bier tranken und nichts zu tun hatten. Inzwischen hatte sich bei Flint eine Netzhaut gelöst, das heißt, er war auf einem Auge blind. Webber hatte sechzig Prozent Hörverlust von den ständigen Erschütterungen. In der Notaufnahme war die Rede von traumatischen Hirnverletzungen. Beide waren ein bisschen zittrig. Um einen Mascarastift ruhig zu halten, mussten sie beide Hände nehmen. Beide waren so steif, dass sie den Reißverschluss am Rücken ihrer Kleider nicht mehr selbst schließen konnten. Gingen nur noch schwankend auf ihren nicht sehr hohen Stöckelschuhen. Und trotzdem machten sie weiter.
Wenn es so weit wäre, wenn die Jagdflieger der Vereinigten Emirate sie in die Zange nähmen, würde Flints Sehvermögen vielleicht nicht mehr zum Fliegen reichen, aber er säße hier im Cockpit und würde ihnen schon zeigen, was der bei der Luftwaffe gelernt hatte.
In der Kabine ihrer Gulfstream G550 hat Flint die Schuhe ausgezogen, und die Zehennägel an seinen nackten Füßen sind immer noch tittenrosa lackiert. Und man riecht noch eine Spur von Chanel No. 5 durch seinen Schweißgestank.
Bei einem ihrer letzten Auftritte in Missoula, Montana, tritt ein Mädchen aus der Menge vor und beschimpft sie als widerliche Heuchler. Sie ermutigen die Leute zu Gewaltverbrechen gegen die von Gender-Konflikten geplagten Mitglieder unserer ansonsten friedfertigen pluralistischen Gesellschaft...
Webber unterbricht seine Pantomime zu žButtons and Bows in der eleganten Doris-Day-Version (nicht die lausige Dinah-Shore-Version) er steckt in einem trägerlosen Futteralkleid aus blauem Satin, das seine Brustbehaarung, seine Schulter- und Armbehaarung von Handgelenk zu Handgelenk wie eine üppige schwarze Federboa aussehen lässt und fragt das Mädchen: žWas ist? Willst du einen Schlag kaufen oder nicht?
Flint, der nur einen Schritt von ihm entfernt am Anfang der Schlange steht und bei den Leuten abkassiert, Flint sagt: žHau ihn, so fest du kannst. Er sagt: žMädchen zahlen die Hälfte.
Und die Kleine sieht die beiden nur an, tappt mit einem Tennisschuh auf dem Boden herum und zieht die zusammengepressten Lippen weit auf eine Seite.
Schließlich sagt sie: žHaben Sie auch diesen Titanic-Song drauf?
Und Flint nimmt ihre zehn Dollar und legt ihr einen Arm um die Schulter. žFür dich, sagt er, žlassen wir diesen Song den ganzen Abend laufen...
Das war der Abend, an dem sie endlich die fünfzigtausend für ihre Mission zusammenbekamen.
Unter dem Flugzeug sieht man jetzt die zerfetzte goldbraune Küstenlinie von Saudi-Arabien. Die Fenster einer Gulfstream sind zwei- dreimal größer als die kleinen Bullaugen in einem gewöhnlichen Passagierflugzeug. Wenn man hier hinaussah wenn man die Sonne sah und den Ozean und alles andere zusammen aus dieser Höhe-, konnte man wieder Lust auf das Leben bekommen. Die ganze Mission abblasen und nach Hause gehen. Da mochte die Zukuft noch so düster sein.
Der Treinstofftank einer Gulfstream reicht für sechstausend- siebentausendhundertfünfzig Seemeilen, selbst bei achtundfünfzig Prozent Gegenwind. Bis zu ihrem Ziel waren es nur sechstausensiebenhundert und eine, so dass gerade noch Treibstoff genug bleiben würde, ihre Fracht loszuwerden, ihre Koffer und die unzähligen Säcke, die Jenson in Florida geladen hatte, wo sie gelandet waren, weil dem Piloten plötzlich schlecht geworden war. Das geschah, nachdem man ihm eine Tasse Kaffee gebracht hatte. Nach drei Vicodin, fein zerstoßen in schwarzen Kaffee gerührt, würde sich wohl jeder ziemlich benommen, groggy, k.o. vorkommen. Also landeten sie. Brachten den Piloten von Bord. Luden die Säcke ein. Mr. Jenson, der Säcke mit Ammoniumnitrat herbeischleppte. Und Flints Freundin Sheila, frisch von der Flugschule, stand schon bereit, die Maschine zu übernehmen.
Durch die offene Cockpittür sieht man Sheila, sie nimmt ihren Kopfhörer ab und hängt ihn sich um den Hals. Sie dreht sich halb zu ihnen um und sagt: žGerade im Radio gehört. Jemand hat ein Flugzeug voll Dünger in den Vatikan gejagt.
Sieh mal an, sagt Webber.
Flint lehnt entspannt in seinem weißen Ledersessel, schaut aus dem Fenster und sagt: žWir haben Gesellschaft bekommen. Zwei Jagdflieger. Flint winkt ihnen zu. Die Piloten der kleinen Kampfjäger winken nicht zurück.
Und Webber betrachtet das schmelzende Eis in seinem leeren Glas und sagt: žWo fliegen wir hin?
Aus dem Cockpit sagt Sheila: žDie sind schon bei uns, seit wir bei Dschidda ins Landesinnere abgebogen sind. Sie setzt sich die Kopfhörer wieder auf die Ohren.
Und Flint beugt sich über den Gang, um sein leeres Glas mit Scotch aufzufüllen, und sagt: žSchon mal was von Mekka gehört, Alter? Al-Haram? Er sagt: žDie Kaaba?
Sheila, eine Hand am Kopfhörer, sie sagt: žSie haben den Tabernakel der Mormonen... die Zentrale der Baptisten... die Klagemauer und den Felsendom... das Beverly Hills Hotel...
Tja, sagt Flint. Die Abrüstung hat nichts genützt. Die Vereinigten Nationen auch nicht. Vielleicht bringts ja das hier.
Webber sagt: žWas ist denn im Beverly Hills Hotel?
Und Flint leert sein Glas und sagt: žDer Dalai Lama.
Dieses Mädchen in Missoula, Montana. Webber ermittelte noch am selben Abend ihren Namen und ihre Telefonnummer. Als es so weit war, dass sie alle ihr Testament verfassen mussten, vermachte Webber ihr alles, was er auf der Welt besaß, auch den Mustang, der bei seinen Eltern auf dem Grundstück parkte, sein teures Spezialwerkzeug und vierzehn Coach-Handtaschen inklusive dazu passender Schuhe und Kostüme.
An diesem Abend, nachdem sie fünfzig Dollar bezahlt hat, um Webber ein paar reinzuhauen, sieht die kleine ihn an, ihn mit seinem blinden, fast komplett zugeschwollenen Auge und seinen aufgeplatzten Lippen. Er ist nur drei Jahre älter als sie sieht aber aus wie ihre Großmutter. Dann fragt sie: žAlso, warum tun sie das?
Und Webber zieht sich die Perücke vom Kopf, Strähnen und Locken blonder Haare, die am getrockneten Blut um seine Nase und seinen Mund kleben. Webber sagt: žJeder will die Welt verbessern.
Flint nimmt einen Schluck kalorienarmes Bier und sieht Webber an. Kopfschüttelnd sagt er: žDu Arsch... Flint sagt: žIst das meine Perücke?