Wenn man es rein auf Ergebnisse, Erfolg und Titel herunterbricht, dann macht Löw vieles richtig, ja. Auch ich war ein Verfechter von der Ideologie Löws. Man erinnere sich an den Beef vor der WM zwischen mir und Knobel.
Unter Löw ist die Nationalmannschaft zu einer Marke geworden. Es wurde kommerzialisiert. Sicherlich war schon immer ein großer Anteil von Kommerz mit dabei in den letzten Jahrzehnten, aber so ausgeprägt wie unter Löw war es nie. Dadurch, dass es eine Marke ist, gab es auch Veränderungen, die mir mit der Zeit nicht mehr schmeckten. Die Mannschaft soll vermarktbar sein, es soll die großmöglichste Masse ansprechen, es soll ein Event sein.
Eine Marke soll auch frei von negativen Haftungen sein, daher gibt es so gut wie keine Ecken und Kanten mehr. Die Spieler sind glatt und Musterprofis. Es gibt keine Alphatiere mehr unter denen, es gibt keine eigene Meinungen mehr (selbst einem Müller und Hummels, die gern offen die eigene Meinung wiederspiegeln, wurden mit der Zeit kastriert). Schlechte Spiele werden meistens im Interview nach dem Spiel schöngeredet. Spieler, die negativ auffallen und nicht zum inneren Zirkel Löws gehören, werden aussortiert (jüngstes Beispiel Kruse). Dagegen wer in den inneren Kreis schaffte, darf den einen und anderen Bock erlauben, was die Doppelmoral der Geschichte ist. Man ist unantastbar, weswegen der eine und andere Stammspieler unter Löw bei „unbedeutenden“ Spielen, die zeitgleich (als Marke) als wichtige Spiele verkauft werden, „krankheitsbedingt“ fehlt.
Unter Löw zählt weniger die Leistung, den man saisonal erreichte, sondern ob man in das System fügen kann. Daher sind unter Löw die üblichen Verdächtigen die unabhängig von der Leistung im Kader befinden. Auch weil das löwische Spielsystem so fest verwoben ist, dass man schwer neue Spieler einspielen lassen kann, was zu einem Teufelskreis mündet.
Löws System strebt nach Perfektion und erlaubt keine Variablen. Einerseits ist das sportlich ein schöner Gedanke, da man dadurch technisch sehr hochwertigen Fussball sieht, anderseits schränkt das die Auswahl so extrem ein, dass praktisch eine Generation kaum eine Chance erhält einen festen Kaderplatz zu erhalten. Das ist eine Entwicklung, der gefährlich werden kann, wenn Löw noch die nächste WM/EM anstrebt.
Löw hat sehr viel für das deutsche Fussball getan und dafür bin ich ihm auch dankbar, aber der Preis ist mir zu hoch. Zu einem wird die Mannschaft zu einer Marke instrumentalisiert und zum anderen ein System entwickelt, der irgendwann ein Riesenloch klaffen lässt, wenn man nicht rechtzeitig eine umfangreiche Auswahl nachzieht.
Bedenken habe ich beim Nachfolger von Löw. Wenn man das bewährte System behalten will, dann führt kein Weg an Thomas Schneider vorbei, der zur Zeit ja fleißig das löw´ische System inhaliert.
Hinzufügen muss man noch, dass es nicht allein Löw ist sondern das DFB System, da Bierhoff und Flick dies auch mit Überzeugung vertreten.
Als Nachfolger wünsche ich mir vor allem Horst Hrubesch oder falls er wieder Bock hat Jupp Heynckes.
Für mich sind Titel nicht alles. Fussball ist für mich viel mehr als das Streben nach Erfolg. Fussball hat für mich Ecken und Kanten. Höhen und Tiefen. Authentisch, nicht gekünstelt.