Gleich vorneweg, ich fand den Film als eigentständigen amerikanischen Thriller betrachtet toll und werde ihn mir womöglich auch als DVD später zulegen. Wenn man ihn mit der englischen BBC-Miniserie vergleicht, muss man allerdings schon ein paar Sachen ins Feld führen.
1.Realitätsnähe: Das Original hätte wirklich direkt aus dem Leben stammen können. Die Optik war einfach, die Darsteller und Charaktere normale Leute wie Du und ich. Sie redeten wie echte Personen und waren keine Superhelden. Wie das halt so ist bei amerikanischen Filmen, ist hier alles ein bisschen grösser als in Real-Life so auch in State of Play. Aus dem für einen Helden untypischen und schmächtigen Caffey, wird der coole, erfahrene, bärtige und bullige Caffey a la Russel Crowe. Die Dialoge sind pfeilschnell und auf den Punkt pointiert. Nichts bleibt unausgesprochen und alltägliche Unbedarftheiten im Umgang fallen weg.
Das zeigt sich auch in der Szenengestaltung. Alles ist halt etwas dramatischer und pathetischer ausgefallen als im englischen Pendant.
2.Laufzeit: In der Kürze liegt die Würze und würziger ist der Film tatsächlich, ob dadurch allerdings auch der Geschmack besser wird, würde ich mal offen lassen.
Sicher ist, v.a. in der ersten Hälfte hat der Filmein unglaubliches Tempo drauf. Die Ereignisse überschlagen sich, vieles wird kurz erwähnt und gleich gehts weiter zum nächsten Indiz. Tempo und Hektik beherrschen Film.
Natürlich müssen einige Handlungsbögen weichen, Charaktere wurden ebenfalls gestrichen.
Zum Problem wird das vor allem in der Darstellung der Beziehung zwischen den Figuren, darauf will ich nachher noch näher eingehen.
Zum anderen fallen im Remake halt die schönen Recherchearbeiten unter den Tisch. Man hat nicht mehr das Gefühl, dass hier ein Team tagelang in kleinen Schrittchen der Wahrheit näher kommt. Hier geht halt alles sehr schnell. Die Infos und Überraschungen und Erfolge im Suchen nach Indiezen purzeln schier von den Bäumen
3.Charaktere, und deren Beziehungen: Hier tritt meiner Meinung ein echter Schwachpunkt des Films zutage. Gerade die fundamentalwichtige Dreiecksbeziehung zwischen Caffey, Steven und dessen Frau kommt viel zu kurz. Die Freundschaft zwischen Steven und Caffey wird zwar behauptet und immer wieder erwähnt, aber zu spüren ist kaum was. Überhaupt wird Congressman Steven viel zu wenig Zeit gegeben. Im englischen Original ist seine Figur mindestens so zentral wie Caffeys und der Zuschauer identifiziert sich auch mit ihm, das ist im Amiremake absolut nicht der Fall.
Auch Stevens Frau bekommt viel zu wenig Leinwandzeit, was die Dramaturgie gerade gegen Ende des Films einfach klar schwächt.
Zuletzt noch die Figur von Jeff Daniels. Auch er müsste wenigstens noch eine Szene zugesproch bekommen, wenigstens Anfangs, damit man ein bisschen ein Gespür für seine Person kriegt.
4.Der Politplot: Der Politplot, welchen man auf die Gegenwart und amerikanische Politik bezogen hat, funktioniert allerdings einwandfrei.
5.Das Ende: Wie erwähnt alles ist lauter, dramatischer und schneller im Amiremake und gerade die zweite Hälfte wird dadurch auch spannender und hie und da sogar tatsächlich mitreissender als im Original, doch gerade beim Finale zerstört dieser unentwegte Drang, Spannung erzeugen zu wollen, die eigentliche Dramaturgie des Stoffs. Wo im englischen Original das Ende sehr ruhig und berührend daher kommt, will die Amivariante weiterhin Spannung erzeugen und statt einem leisen Dialog, kommt es zum lauten Schlagabtausch. Hier muss ich sagen, geht das Beste total verloren was ich sehr schade finde.
6.Besetzung: Russel Crowe ist sehr gut, wenn man sich damit abfinden kann, dass wir es hier mit einem Filmhelden a la Hollywood zu tun haben. Rachel McAdams ist Ok, kanns aber nie mit der charamanten Crew aus dem Original aufnehmen, bestehend aus Kelly MacDonald und James McAvoy. Genauso Zeitungschefin Helen Mirren, sie gibt ne tausendmal gesehene Performance ab und stellt sich damit tief in den Schatten des fabelhaften Bill Nighy. Zum Schluss noch Ben Affleck im Vergleich zu David Morrisey. Ich war früher ein leidenschaftlicher Ben-Affleck-Basher muss ich gestehen, doch inzwischen oder besser gesagt seit Hollywoodverschwörung und spätestens Gone Baby gone hat der Mann meinen Respekt errungen. In diesem Film macht er seine Sache auch ganz ordentlich, kriegt aber vom Drehbuch keine Chance seiner Figur in allen Belangen gerecht zu werden, bzw. David Morriseys Variante davon das Wasser reichen zu können. Die Figur allgemein ist viel unsympathischer und blasser in diesem Film und da kann auch Ben Affleck wenig gegen ausrichten. Schwer zu sagen, ob da ein anderer Schauspieler mehr herausgeholt hätte.
Letzten Endes also ein sehr guter Thriller, der als Fast-Foodvariante des englischen Orignials zu gefallen weiss. Im direkten Vergleich allerdings die Intelligenz, den Mut zum Realismus ohne Effekthascherei und Tiefe bei den Charakteren vermissen lässt, welche das Original ausgemacht haben.