BG Kritik: „Searching“ (#ZuHauseBleiben)
#ZuHauseBleiben
… und „Searching“ gucken:
Neben den verschobenen Kinostarts, sind es natürlich innerhalb der Filmbranche vor allen Dingen die unterbrochenen Dreharbeiten zahlreicher Film- und Serienprojekte, die den Filmkalendar noch nachhaltig beeinflussen werden. Man muss auch nur mal daran denken, dass auch in dieser Branche oftmals nur Projektverträge bestehen, die nach Drehtagen abgerechnet werden und so viele nach Projektende erstmal ohne weiteres regelmäßiges Einkommen dastehen. Doch ist ein Abbruch von Dreharbeiten zweifelsohne erstmal die richtige Lösung. Denn mag das Projekt noch so klein und das Set noch so kammerspielartig, so ganz alleine kann man einen Film dann doch nicht realisieren…oder etwa doch?
© Sony Pictures
Timur Bekmambetov, der 2004 mit NOCHNOI DOZOR (Wächter der Nacht) das russische Genre-Kino weltweit bekannt machte und nach der Fortsetzung den logischen Schritt nach Hollywood machte, bekam nach Filmen wie WANTED (2008) oder ABRAHAM LINCOLN: VAMPIRE HUNTER (2012) plötzlich Lust auf etwas ganz anderes. Erstmal nur Produzent, dann auch selbst als Regisseur: Desktop-Filme. So banal es klingt, so einfach ist dann auch die Erklärung. Filme, die komplett auf einer PC-, Laptop oder Handyoberfläche spielen. Einer der ersten Auswüchse war der von Bekmambetov zusammen mit Jason Blum selbst produzierte UNFRIENDED (Unknown User) 2014. Schaut man sich diesen auf seinem Laptop oder PC in Vollbild an über Kopfhörer, so kann der WG-Kollege oder der Partner oder der Partnerin wohl nicht mehr erkennen, dass man hier nur einen Film schaut und nicht gerade die eigene Desktop-Oberfläche betrachtet. (Ja strenggenommen sind Apple-Oberflächen auf einem Windows-Rechner unrealistisch, aber nicht jeder wohnt mit InformatikerInnen zusammen, oder?)
Doch wie passt das nun zu unserem Thema? Denn eines mag klar sein. Auch wenn hier der Film jeweils nur eine Person vor einem Laptop suggeriert, so waren beim Dreh mehr Menschen involviert bzw. an einem Ort. Doch andererseits wird hier die ganze Zeit kommuniziert. Es wird sich ausgetauscht, informiert und Spaß gehabt ausgehend von einem Ort. Und die derzeitigen Umstände verlangen dies ja auch mehr oder minder auch von uns. Und so kann ein Horrorfilm, durchaus zeigen, das selbst im Schrecken auch Zusammenhalt und nicht Einsamkeit durch ein einzelnes Medium gebündelt werden kann. Zugegeben mag das nun etwas hingebogen klingen, doch andererseits mag wohl das Involvierungsgefühl in solchen Quarantäne-Zeiten kaum zu überbieten sein. Bevor wir nun zum eigentlichen SEARCHING kommen, soll auch kurz nochmal der bessere (Spoiler!) PROFILE (2018) genannt werden, bei dem schließlich Timur Bekmambetov selbst die Regie übernahm.
PROFILE konnte man bisher in Deutschland, meines Wissens nach, nur auf der Berlinale 2018 im Programm des Panorama sehen, wo es schließlch auch den Publikumspreis für den besten Spielfilm gab, doch ins Kino kam er bisher nie hierzulande und auch weltweit sucht man leider vergebens eine physische Veröffentlichung. Im Film geht es um die britische Journalistin Amy (Valene Kane), die versucht via Facebook und Skype zu Recherchezwecken Kontakt mit einem IS-Kämpfer (Shazad Latif) aufzunehmen. Sie spielt ihm eine Liaison vor, doch mehr und mehr gerät sie in seinen Bann und wird Opfer seiner Propagandamittel. Ein hochspannender und effizienter Film, der sein Medium sogar noch selbst reflektiert, aber anders als SEARCHING, um das direkt vorwegzunehmen, immer auf einem Bildschirm bleibt und nicht zoomt oder sich anderen Tricks bedient um gewisse Räumlichkeiten zu verlassen. Einziger Bruch mit der Immersion mag vielleicht die Kenntnis der Serie STAR TREK: DISCOVERY sein, die schließlich auch Shazad Latif bekannt machte und deshalb etwas das ‚Erlebnis‘ trüben könnte, wenn man bei Sichtung von PROFILE die Serie kennt.
Nun aber zu SEARCHING, der bereits 2017 erschienen ist und den Desktopfilm in das Thrillerdrama-Genre überführte. Ein Kinostart war diesem Film mit John Cho in der Hauptrolle vergönnt und der Film spielte einem Budget von offiziell 880.Dolllar, über 75 Millionen Dollar ein. Finanziell hatte sich das Wagnis also mehr als gelohnt. Inhaltlich kann man da wiederum geteilter Meinung sein. Generell kam der Film relativ gut bis sehr gut an (92% bei Rottentomatoes bspw.), doch nach einer einfühlsamen Montage zu Beginn des Films, die das Desktop-Modell aber kaum bricht, gehen dem Film bei steigender Laufzeit mehr und mehr die Ideen aus bzw. macht er es sich zu einfach. Die Täuschung einer realen Desktop-Oberfläche á la UNFRIENDED ist hier vor lauter Zoom und Schnitten kaum mehr gegeben. Man ist nicht mehr gebunden an einen Bildschirm, sondern im Grunde alles was einen Bildschirm hat oder Videomaterial was auf einem Bildschirm abgespielt werden könnte, wird benutzt um die Geschichte voranzutreiben. Diese Geschichte is zugegeben sehr spannend und kurzweilig, wenn auch im letzten Drittel die gelegten Fährten allzu offensichtlich Gebrauch finden. Trotzdem gerne mal reinschauen und herausfinden, was auf (mehr oder weniger) einem Bildschirm so alles passieren kann und hoffen, dass sich die Welt draußen bald wieder öffnen darf und auch endlich eine größere Zuschauerschaft PROFILE sehen kann.
Bei den Streaming-Diensten leider zurzeit nur bei Sky Cinema zu finden, wo man für seine Kunden Pakete gelockert und für alle geöffnet hat, egal was diese eigentlich gebucht haben. Oder eben dann auch leih- bzw. kaufbar bei PrimeVideo.
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