Alltag

Oberlevel G.I.

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Alltag

Ich bin müde.
Ich schlage ihm direkt auf die Schläfe. Er hats nicht kommen sehen dieser Penner. Gerade wollte er mit seinem Messer zustechen, jetzt liegt er da unten im Dreck. Wenn dein Beruf mit Töten zu tun hat, wirst du zwangsläufig irgendwann zum Tier. Nur von Instinkten beherrscht. Ohne jeglichen Emotionen.
Ich trete ihm mit meinen schweren Army Stiefeln viermal hintereinander mit Anlauf ins Gesicht. Ich finde es auch nicht geil. Aber eben auch nicht abstoßend.
Es muss einfach sein.
Man kann mit Menschen nicht mehr reden. Nur echte, spürbare Gewalt bringt sie noch zum nachdenken. Alle wollen so sein wie jemand Anderes. Sie geben Geld aus, das sie nicht haben, machen einen auf tolle glückliche Familie oder auf erfolgreicher Sinlge. Witzfiguren. Schauspieler. Sie lügen sich ihr Leben so vor, wie es ihnen gefällt.
Aber meine Faust lügt nie.
Der Kerl sieht aus als ob jemand sein Gesicht kunstvoll abgelöst, und in stundenlanger Arbeit neu zusammengesetzt hat. Ich schiebe das Kunstwerk mit dem Stiefel in die Fütze. Wenn er rechtzeitig aufwacht, hat er eine Chance nicht zu ertrinken. Wenn er aufwacht.
Heisse Sommernächte waren schon immer gefährlich in diesem Viertel. Hat meine Mutter zumindest immer behauptet.
Der Kerl sieht aus wie ein Banker. Nur dreckig. Anzug, Brille, teure Schuhe. Hat vor einer Woche sein gesamtes Vermögen an der Börse verzockt. Hat er zumindest behauptet, als er freundlich mit dem Messer nach meinem Portmonee fragte. Durchgeknallt. Geistig so labil, das sie sich keine Zukunft ohne Geld vorstellen können. Geld treibt die Schauspieler in den Wahnsinn. Für Geld tun die Alles.
Ich gehe. Unterwegs denke ich über den neuen Auftrag nach. Diesmal ein Kind. Mein erstes. Sonst sind es immer fette und schwerkriminielle Mafia Bosse oder deren Söhne, weil diese jahrelang verheimlicht haben das sie homosexuell sind. Das kann sich eine Familie nicht leisten.
Die abgekühlte Stadtluft tut gut. Nachts ist die Stadt irgendwann magisch. Alles ist viel intensiver. Als ob man nochmal ein Kind ist und nach Disneyland fährt. Ich könnte Bücher darüber schreiben wen ich alles getötet habe. Könnte. Gut, das ich nicht schreiben kann.
Die kleine Sheryl. Gerademal acht Jahre alt. Blone Haare, süßes kleines Kindergesicht mit riesengroßen blauen Augen. Ihr Vater kann ihren Anblick nicht mehr ertragen. Einhunderttausend Dollar. Und der Familie geht es wieder gut. Ich helfe den Schauspielern dabei in einer Lüge zu leben. Der Vater des Kindes zweifelte und lies heimlich einen Vaterschaftstest machen. Er ist zu 99,9 Prozent nicht der Vater. Er hat mir den Brief gezeigt. Gut, das ich nicht lesen kann.
Ich schlendere Die Hauptstraße entlang. Hier und da ein Junkie, ein paar Taxen und ein paar Punks. Sternenklarer Himmel.
Er will es seiner Frau heimzahlen. Er ist auf eine Art und Weise genau wie ich. Vergeltung bedeutet Qual und ewigen Schmerz. Er könnte genauso seine Frau töten lassen. Dann ist sie Tod. Fertig. Das befriedigt ihn nicht. Er will ihr dabei zusehen, wie sie schreiend neben der Kinderleiche kniet. Will ihr zusehen, wie sie in Depression und Alkoholsucht verfällt. Und er wird niemals irgendwas sagen. Lässt sie leiden und genießt es.
Ja, das ist Vergeltung.
Ich komme die Treppe hoch und schaue den von einer Glühbirne beleuchteten Flur entlang. Dieser Idiot von Vermieter steht vor meiner Tür. Ich habe die Rechnung nicht bezahlt wird er sagen. Dabei hab ich sie gestern erst bezahlt. Ich werde seine Art von Humor nie verstehen. Ich stehe vor meiner Tür und schaue zu dem Wurm hinunter. Meine Miete ist fällig sagt er. Ich überlege, ob ich ihm einfach das Genick breche. Ich sage, ich habe gestern erst bezahlt. Ich soll die Drogen weglassen sagt er und geht.
Sein Glück.
Ich schliesse meine billige Appartement Tür auf und mache das Licht an. Ich schliesse die Tür und beginne von oben nach unten die sechs Türschlösser zu verriegeln.
Es soll aussehen wie ein Unfall hat er gesagt. Nicht gerade meine Spezialität. Vollgefressene fette alte Männer mit Maschinengewehren sind ein anderes Kaliber. Aber gut. Ich werde improvisieren. Man sagt immer, es ist nicht gut, sich zuviele Gedanken zu machen.
Vor dem Schlafen gehen mache ich dreißig Liegestützen und putze mir die Zähne. Meine Zähne sind mir wichtig. Hatte noch nie was Ernstes an den Zähnen. Ich öffne das Fenster ein Stück. Ich habe in diesem kleinen Dreckloch nur ein Fenster. Praktisch.
Ich mache das Licht aus und lege mich auf die Couch.
Unfälle passieren immer unerwartet. Die Kleine ahnt nichts. Die Mutter ahnt nichts. Seit fast neun Jahren belügt sie ihren Mann. Nur ich und er wissen, das sich ab morgen Vormittag ihr ganzes Leben ändern wird. Der Kerl laberte zuviel. Ich brauche nicht soviel Details. Ich will sie nicht wissen. Er hielt einfach nicht die Schnauze. Ein Auftrag ist ein Auftrag. Warum jemand sterben soll ist mir egal.
Die kleine soll nicht leiden. Das wird die Mutter schon genug.
Ich bin müde.

Ich steige in den Greyhound ein. Mein Rücken tut weh. Alles ist leiser als sonst. Ich trage einen Rucksack. Ich hab keine Ahnung wo ich bin. Alle Passagiere schlafen. Bis auf einer. Ob alles o.k. Ist fragt er und sieht mich komisch an. Ich sage ja und gehe an ihm vorbei. Ich setze mich in die letzte Reihe. Meine Hände und Unterarme sind voller roter Farbe. Nein. Voller Blut. Diesmal bin ich zu weit gegangen. Was hab ich getan? Ich erinnere mich nicht. Ich öffne den Rucksack und sehe Geld. Und eine Zeitung. Mindestens fünfzigtausend Dollar. Eher mehr. Ich muss meiner Frau doch nicht beichten das wir Pleite sind. Ich weiss zwar nicht woher es kommt, aber das Geld kommt genau richtig. Ich werde ihr wie immer sagen das ich auf Geschäftsreise war. Sie wird nicht weiter fragen. Das schätze ich an ihr. Ich schlage die Zeitung auf. Die gleichen Artikel wie immer. Vielleicht kaufe ich ihr den Wagen, den sie bei der Nachbarin gesehen hat. Das wird sie glücklich machen.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Wirklich gut geschrieben.
Die Story an sich ist auch nicht schlecht, aber ich habe da wohl etwas nicht verstanden. Er hat also heimlich eine Wohnung und führt ein Doppelleben? Nun, wenn er weder schreiben noch lesen kann, frage ich mich, wie er dann ganz allein mit den Dokumenten klar kommt, die für das Mieten einer Wohnung nötig sind. Die Frau darf ja nichts davon erfahren, also ist er auf sich allein gestellt. Oder habe ich das falsch verstanden?

Ansonsten aber wie gesagt eine gute Geschichte.
(Hat er das Mädchen wirklich getötet?)
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Nette Geschichte.

Normalerweise lese ich die Geschichten hier ja nicht, aber da ich selber mal eine geschrieben habe, die ebenfalls "Alltag" hieß, war ich neugierig,
 

Oberlevel G.I.

New Member
Hi erstmal :smile:

Cool das Ihr so schnell geantwortet habt. Also der Plan war, das der Kerl nicht nur ein Doppelleben führt, sondern auch noch an richtig fieser Shizophrenie leidet. So krass, das eine Persönlichkeit z.B. nicht lesen kann... Und die beiden "Charaktere" wissen nicht wie der Andere drauf ist, geschweige denn von den Taten des Anderen.

Ob er das Mädchen getötet hat? Überlass ich Deiner Phantasie Tyler :wink:

Vielleicht habe ich mich ja auch nicht gescheit ausdrücken können. Ist quasi meine erste Kurzgeschichte, habe gestern abend die Idee gehabt und direkt drauf los geschrieben.

Najo ich wünsch euch was :biggrin:

Schönes Wochenende!
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Original von Oberlevel G.I.
Also der Plan war, das der Kerl nicht nur ein Doppelleben führt, sondern auch noch an richtig fieser Shizophrenie leidet. So krass, das eine Persönlichkeit z.B. nicht lesen kann...
Das habe ich schon verstanden :wink:
Ich meinte damit, dass seine andere Persönlichkeit (die nicht lesen kann) es ja irgendwie geschafft hat, eine Wohnung einzurichten ohne dass die erste Person es bemerkt hat. Und die Frau kann da wie gesagt auch nicht geholfen haben. Aber das sind schon Haarspaltereien, denn die Story ist gut.
 

Oberlevel G.I.

New Member
:biggrin: Danke freut mich das sie Dir gefällt.
Naja ich sag mal so, wieviele Analphabeten schlagen sich trotz allem durchs Leben? Und was brauchste um ne Wohnung zu mieten? Ne Unterschrift auf dem Mietvertrag.. Wär mit Sicherheit irgendwie machbar :wink:
 
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