Wow, einfach eine wahnsinnig starke Serie. Insgesamt, wie andere es auch schon geschrieben haben, finde ich, merkt man, dass Gilligan seine Kunst mit Better Call Saul wirklich perfektioniert hat. Meiner Meinung nach um einiges runder insgesamt und noch mal ein gutes Stück hübscher/wertiger inszeniert als BB. Und gerade auch das Ende ist, finde ich, dem Finale von Breaking Bad um Welten überlegen.
Ein paar Highlights werden mir ganz besonders in Erinnerung bleiben:
- Nacho's Storyline
Das Finale: Auf den Punkt inszeniert. Wie hier Spannung und emotionale Wucht zusammentraffen - grossartig!.
- Gustavo
Über die meiste Zeit konnte seine Figur nicht mehr ganz diese Faszination auf mich ausüben wie in Breaking Bad. Aber ich liebe die Szene, wo er in dem Restaurant beim Wein sitzt und die Unterhaltung mit Mann über Weine und Weinanbau führt. Diese Szene verleiht Gus eine ganz neue Facette. Irgendwie tragisch, da man diesen doch zutiefst menschlichen Kern aufblitzen sieht, den er dann aber abwürgen muss, weil das nicht mit seinem anderen Leben als Chickenman zusammengeht.
- Das Gespräch zwischen Mike und Nacho's Vater
Mike ist natürlich eh die coolste Socke einerseits, hat aber auch vielleicht mit die meisten rührenden Szenen in der Serie, etwa in seiner Rolle als Vater/Grossvater. Er versucht, Nacho zu helfen. Leidet teilweise sichtlich unter den Dingen, die er für Gus tun muss. Bei Mike hat man irgendwie doch immer das Gefühl, was für ein guter Typ. Aber letztlich ist er eben auch einer, der unzählige Leben zerstört oder an deren Zerstörung mitgewirkt hat. Und in dieser kurzen Szene zwischen ihm und Nacho's Vater, als er ihm von Nacho's Tod berichtet, wird das recht prägnant auf den Punkt gebracht. Mike, der gut Kerl, der coole, harte Hund mit dem Weichen Kern, der trotz allem über einen moralischen Kompass verfügt - ein Bild, in dem er sich selbst gern gefällt. Und da kommt nun Nacho's Vater und reisst dieses Bild nieder. Nur weil Mike noch ein Gespür dafür hat, was richtig und falsch wäre, manchmal versucht, danach zu handeln und Reue empfindet, wenn er zu schlimmen Taten gedrängt wird, ändert das nichts an der Tatsache, für wieviel unnötiges Leid er (mit-)verantwortlich ist.
- Jimmy/Saul
Da gibt es natürlich auch zahlreiche Momente. Aber die Szene, als er dann noch einmal nach seiner Verhaftung in Ohama alles zu seinen Gunsten dreht, ist schon herrlich. Wie man zuerst meint, jetzt würde er ernsthaft gegenüber Hank's Witwe so etwas wie Empathie und Reue zeigen, nur um dann festzustellen, das Saul wiederum schamlos bloss rein egoistisch und zu seinen Gunsten handelt.
- Cameos
Ich fand jetzt die meisten Auftritte von Walter und Jesse nicht wirklich nötig. Das mit dem Zeitreisethema gefiel mir gut, aber der Rest war ein wenig unnötig, finde ich. Aber: wie gut gelingt es denn Cranston und Paul bitte, sich wieder in diese Figuren zu verwandeln. Das fand ich echt beeindruckend.
Ein paar kleinere Probleme, die ich mit der Staffel hatte
- Finale Lalo
Das Finale um Lalo fand ich etwas enttäuschend. Für mich vielleicht die grösste und einzig richtig nachhaltige Schwäche der Staffel. Die ganze Folge überzeugte mich nicht ganz. Lalo's ganzer Plan wirkte irgendwie unausgegoren. Warum lässt er Jimmy leben? Sein Einbruch in die Wäscherei kommt sehr amateurhaft rüber. Er hätte genauso gut schon beim Einsteigen ins Gebäude erwischt und erschossen werden können. Warum handeln Gus und seine Leute nicht etwas überlegter und vorsichtiger? Und dann, das betrifft aber die Szene einige Folgen zuvor, die Sache mit der hinterlegten Waffe von Gus. Come on! Hab ich was verpasst? Das war doch total cheap. Der einzige Grund, warum Gus dort die Waffe deponiert, ist, weil die Writer dort ne Waffe brauchten, damit er Lalo erschiessen kann.
- Storyline Ohama
Ich hatte etwas Mühe mit dem Bruch nach dem Ende der Storyline pre-Breaking Bad. Als plötzlich der Fokus auf Ohama verlagert wurde. Den Cut im Bezug auf Ausrichtung, Tempo, Dramaturgie, Atmosphäre empfand ich als etwas zu abrupt und hart. ich weiss nicht recht. Gerade die ersten beiden Folgen dann rund um Jimmy's Ganovereien mit Jeffie und dem anderen Horst haben mich nicht so richtig abgeholt. Da fehlte mir die emotionale Verbindung, die Spannung, der Fokus, wo die Reise noch hingeht. Keineswegs schlecht oder so, aber irgendwie fehlte mir da eine dramaturgische Brücke zwischen den beiden Staffel-Teilen.
- Charakterentwicklung Jimmy/Saul
Ehrlich gesagt, insgesamt gelingt es mir noch nicht ganz, den Saul aus Breaking Bad und Jimmy/Saul aus der Timeline davor ganz zusammenzubringen. Da klafft für mich noch gefühlt ne gewisse Lücke, die ich nicht ganz schliessen kann. Vielleicht ist es auch eher ne Lücke Jimmy - Saul. Aber hey, vielleicht ist das einfach die Komplexität der Figur geschuldet. Und dann ging mir der Sprung auch etwas zu schnell am Ende zwischen Saul, der nochmal alles für sich rausholt und Jimmy, der plötzlich doch seine ganze Schuld eingesteht und für Kim seinen Deal opfert
- Kim's Second Life:
Klar, Kim will möglichst weit weg, von dem Leben, das sie zuvor mit Jimmy hatte. Es ist eine Flucht. Aber irgendwie fand ich dann diese "neue Identität" etwas zu übertrieben. Dieser Frauentisch und ihre Unterhaltungen, der Ehemann mit seinem Fernsehsessel und dem Gartengrillfest - das war mir alles etwas zu sehr "Hausfrauenklischee", um den Kontrast möglichst heftig machen. Das wäre auch ein wenig subtiler und für mich dann auch glaubwürdiger gegangen, denke ich.
Zum Finale: Trotz den kleineren Problemen, die sich mir gerade in der zweiten Staffelhälfte stellten, fand ich das Ende einfach toll. Richtig, richtig gut. Und schauspielerisch sowieso absolut überwältigend.
Wie Jimmy und Kim noch einmal eine Zigarette teilen. Dieser kleine Moment vom Stolz, wenn sie erwähnen, wie er es geschafft hatte, den Deal mit den 7 Jahren herauszuholen. Dann der letzte Abschied draussen. Einfach auf den Punkt. Die richtige Mischung aus Melancholie und Hoffnung. Das Ende einer Reise, das aber noch einen Ausblick auf weiteres eröffnet. Schön. Einfach schön. Ich hab sogar noch Lust auf einen Spielfilm darüber gekriegt, wie Saul nochmal nach Jahren aus dem Knast kommt und evtl. doch noch irgendwas "Gutes" mit seinen Fähigkeiten in den letzten Jahren in Freiheit anstellt.
Ach ja: was ich total spannend fände, wenn ich jetzt noch einmal Breaking Bad noch einmal ganz frisch schauen könnte. Ich würde es wahrscheinlich so dermassen feiern, wenn da plötzlich Mike, Gus und natürlich Saul auftauchen
Ich weiss gar nicht, ob nicht zumindest Breaking Bad nicht davon profitieren würde, wenn die beiden Serien chronologisch gelaufen wären.