Fabian oder der Gang vor die Hunde

Presko

Don Quijote des Forums
Regie: Dominik Graf
Darsteller: Tom Schilling, Saskia Rosendahl, Albrecht Schuch

Inhalt
Der Film spielt in Berlin Anfang der 30er-Jahre zum ende der Weimarer Republik. Jakob Fabian, der an der Uni promoviert hatte, arbeitet inzwischen tagsüber als Werbetexter während er Nachts durch verruchte Kneipen und Bordelle tingelt und literarische Ergüsse in seine Notizheftchen schreibt.
Sein bester Freund ist Stephan Labude, aus wohlhabendem Haus, der gerade seine Doktorarbeit über Lessing zu Ende geschrieben hat und für seine linkspolitischen Überzeugungen junge Studenten agitiert. In einem Nachtclub trifft Jakob Fabian Cornelia Battenberg, eine junge Anwältin bei einer Filmfirma, die kurz davor ist als Schauspielerin entdeckt zu werden. Die beiden verlieben sich. Doch die Zeichen stehen nicht gut. Während die Nazis an die Macht kommen und der moralische Zerfall die Gesellschaft durchsetzt, droht ihre Beziehung an Cornelias sich anbahnender Schauspielkarriere zu zerbrechen.

"Fabian" ist ein wenig wie "Oh Boy" in Form eines üblen Drogentrips. Mit "übel" meine ich aber keineswegs den Film oder seine Qualität. Aber die Welt, die einem da präsentiert wird, die ist übel. So verlieben sich Fabian und Cornelia in einem Club, wo Zuschauer nur darum hingehen, um schlechte, freakige Kleinkünstler zu beschimpfen und zu erniedrigen (gibts heute ja auch). Trotzdem die Welt, in welcher der Film spielt, da will man sich eigentlich nicht aufhalten. Dieses Berlin ist eine empathielose Welt, in der Spott, Zynismus, Hass und Egoismus alles bestimmen. Jene, die Ideale verfolgen, werden zwangsweise entweder zurechtgestutzt oder gebrochen.

Was einem sofort auffällt, ist der experimentelle Stil, in dem der Film inszeniert ist. Mal wie ein Theaterstück, dann wieder modern und dann in ganz körnigen Bildern, mit wilden Kamerafahrten, langen ruhigen Einstellungen etc. Da hat sich Domink Graf richtig ausgetobt. Doch wenn man sich darauf einlassen kann, funktioniert das sehr gut und lässt eine ganz eigene Atmosphäre entstehen und spielt mit unterschiedlichen Stimmungen.

Auch die Darsteller sind durch die Bank gut. Oft wirft man den deutschen Schauspielern und Dialogschreibern ja Theatralik vor, hier ist diese gewollt. Das ganze beruht auf dem Roman von Erich Kästner und textlich ist das ebenso spannend wie inszenatorisch.

Der Film dauert fast drei Stunden. Erst gegen Ende gerät er dann etwas aus dem Rhythmus. Zu viele schnelle Stimmungswechsel und dann das Ende, das ein ziemlicher Schlag in die Magengrube ist. Zumindest auf mich wirkte es so. Hallt jedenfalls bis jetzt nach.

 

TheRealNeo

Well-Known Member
Ja da bin ich auch schon sehr gespannt.
Und gerade der visuelle Stil wird ja schon im Trailer deutlich. Aber wenn das größtenteils funktioniert bzw. stimmig wirkt, bin ich beruhigt.
Sind denn die visuellen Wechsel dann auch gebunden an Regeln oder eher frei?
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Hab ihn nun auch gesehen und bin noch etwas zwiegespalten. Weniger im Urteil, ob nun gut oder schlecht, sondern mehr bezogen auf die Umsetzung des Films.
Ich meine zu verstehen, wieso hier Dominik Graf den Film so umgesetzt hat, wie er das getan hat. Das gilt für die visuelle, aber auch die tonale Ebene. Durch die sehr freie, zum teil sehr körnige Kamera, bringt er uns sehr nahe an die Figuren und das Geschehen, wobei auch ich nicht genau erkennen konnte, wann er hier was einsetzt. Teilweise unterscheiden sich hier Schnitt und Gegenschnitt, was die Art der Kamera (HD-Cam) angeht ohne ein erkennbares Konzept zu offenbaren. Wobei ich das weniger dem Film nun ankreiden würde, sondern mehr als Herausforderung sehe. Auch auf der Tonebene ist es ganz spannend, wie laut teilweise Umgebungsgeräusche oder -gespräche sind. Das wirkt dann weniger störend oder nach einem stümperhaften Sounddesign, als nach Authentizität.
Interessant ist auch der Filmanfang, wobei auch hier mir der Mehrwert noch nicht ganz klar ist. Vielleicht einfach nur ein eleganter Anfang ohne tieferen Sinn, auch so gerechtfertigt, und vielleicht will ich da dann auch nur mehr sehen, was gar nicht vorgesehen war.
Insgessamt ist der Film mit seinen drei Stunden, er fühlt sich schon länger an, aber wird nie langweilig und gefühlt mehr wie ein 2 1/2h-Film, natürlich kein Werk für die Masse. Dafür ist er dann eben formalästhetisch zu experimentell und anders. Bleibt manchmal mit seinen Figuren zu distanziert und bleibt an manchen Dingen länger hängen, als stringent einer Haupthandlung zu folgen. Das merkt man ja auch schon daran, wie zumindest ich selbst mehr von Form als dem Inhalt spreche, auch wenn dieser zu überzeugen weiß.

Spannend allemal, viel worüber man nachdenken kann und muss. Eine Herausforderung, die man annehmen muss oder gleich sein lassen. Der Trailer gibt hierfür einen guten Eindruck.
 

Noermel

Well-Known Member
So gerade auch endlich gesehen. Hatte ja keine Vorstellung was mich hier erwartet.
Was ein unglaubliches Meisterwerk.
Kennen keinen anderen Schauspieler wo SO einfach da stehen kann im Anzug Zigarette rauchend wie Tom Schilling.
So oder so neben Oh Boy und Werk ohne Autor wohl der beste Film mit Tom Schilling ( der wohl wenn er wollte auch schon längst in Hollywood drehen könnte aber das will er glaub ich gar nicht und das ist auch gut so).

Der Film gibt einem definitiv wirklich viel zum nachdenken was aber nur geht wenn man dies überhaupt erst zulässt bzw man sich öffnet und es an sich ran lässt. Wofür leben wir eig was wollen wir und was machen wir wenn wir haben was wir wollen.................

Ja er ist kein Film für die Masse stimmt.
Aber die Tatsache dass ich in einem Kommentar bei YT gelesen habe von jemand der meinte in seinem Kino läuft 5 mal am Tag FF9 aber kein Fabian spricht Bände. Es ist einfach schon wie in Stein gemeißelt "ey der Film ist ein Drama und die meisten haben kein Bock auf Drama... er ist auf gewissen Weise anspruchsvoll und die Leute wollen nichts anspruchsvolles nach Feierabend".
Ne lieber Fast Food für alle FB für alle Insta für alle.............. gut ja wenns ums Geld geht dann nat. auch am liebsten auch teure Autos für alle gibt ja nichts wichtigeres als ein tolles Auto.

Klar ich hab zb auch kaum Filme von Paul Thomas Anderson gesehen oder Jim Jarmusch man kann eben auch nicht alles sehen aber dieser Film.
Aber ich fühle es so mit und würde mir wünschen dass mehr Menschen diesen Film schauen dies wird nur nie passieren weil wir immer mehr abdriften und der Nonsens Überhand gewinnt.Die meisten würden ihn eh nur schauen aber nicht sehen.

Dass es hier nur 6 Beiträge gibt will ich gar nicht weiter erläutern es bestätigt nur meine Meinung.
Ein Wunder dass es solche Filme überhaupt noch gibt. Wenn man nach Angebot und Nachfrage gehen würde wäre wenn diese Art von Film eine Automarke wäre diese längst insolvent und eingestellt.

“Alles, was gigantische Formen annimmt, kann imponieren, auch die Dummheit.” “Warum muß es immer so gemacht werden, wie es früher gemacht wurde? Wenn das konsequent geschähen wäre, säßen wir heute noch auf den Bäumen!”

Die Hauptmessage des Films wo auch aktuelle den je ist: Passt euch an, spielt das Spiel von Ausbeutung und Verlogenheit mit, auch wenn es euch zuwider ist. Sonst geht ihr vor die Hunde.
 
Zuletzt bearbeitet:

Revolvermann

Well-Known Member
Hat mich auch beeindruckt.
Der Film ist, wie Neo auch schon schrieb, ein bisschen zwiespältig umgesetzt. Nicht gerade zugänglich. Ich gebe zu, damals in den ersten 15 Minuten gedacht zu haben, dass könnte anstrengend werden, bei einer Laufzeit von knapp 3 Stunden.
Am Ende war ich aber eher fasziniert
 

Noermel

Well-Known Member
Hat mich auch beeindruckt.
Der Film ist, wie Neo auch schon schrieb, ein bisschen zwiespältig umgesetzt. Nicht gerade zugänglich. Ich gebe zu, damals in den ersten 15 Minuten gedacht zu haben, dass könnte anstrengend werden, bei einer Laufzeit von knapp 3 Stunden.
Am Ende war ich aber eher fasziniert
So gings mir auch.
 

Puni

Well-Known Member
Mich hat die Laufzeit trotz tollem Cast und Regisseur ehrlich gesagt bisher immer abgeschreckt. Und an die Vorlage von Erich Kästner erinner ich mich leider auch überhaupt nicht mehr. Aber eure Meinungen machen mir Mut, den vielleicht morgen mal anzugehen. :biggrin:
 

Puni

Well-Known Member
Was für ein kleines Meisterwerk. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass die Geschichte in der Inszenierung so künstlerisch angegangen wird, dass es einem die Schuhe auszieht. :biggrin: Dabei empfand ich Dominik Graf zwar immer als sehenswert, aber auch nie so sonderlich interessant wie beispielsweise ein Christian Petzold. Egal, der Film hat mich völlig abgeholt. Und es fallen mir direkt Filme wie Der Himmel über Berlin, Amelié oder Dogville (bzw Dogmafilme allgemein), an die man sich erinnert fühlt und trotzdem ist Fabian so eigenständig und mutig, so toll gespielt und leichtfüßig inszeniert, dass ich den Film wohl erstmal noch sacken lassen muss. Der wird demnächst mit Sicherheit nochmal geguckt.
 
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