Wie jemand sowas sieht und ausleben kann, ist ziemlich stark mit seinem Werdegang verknüpft. Was für den einen funktioniert muss für den anderen nicht auch gleich richtig sein. So kam ich zu dem wie ich heute darüber denke:
Ich hatte mal eine Beziehung, in der SIE sehr eifersüchtig war. Das hat einmal damit zu tun, dass sie selbst früher angeblich mal fremdgegangen war (bei jemand anderem), oder auch nur fast. Und der Mensch tendiert dazu, die eigenen Fehler bei anderen zuerst zu sehen. Zum anderen war dieses Mädel auch mit sich selbst sehr unzufrieden und unsicher. Zum letzten bin ich ein Mensch der kaum eifersüchtig ist, weil ich denke, dass die andere Person schon ihren Grund hat mit mir zusammen zu sein und daher auch viel durchgehen lasse. Dies wurde damals allerdings als Desinteresse fehlinterpretiert.
Wie gesagt war SIE dadurch sehr eifersüchtig, was mich im Gegenzug dazu veranlasste, sie vor ihren eigenen negativen Gedanken dadurch zu schützen, dass ich ihr keinen Grund gab eifersüchtig zu werden. Sprich, ich habe meine sozialen Kontakte ausschließlich auf Geschlechtsgenossen verlegt und mich nur wenn es sein muss mit anderen Frauen abgegeben. Das tat ich sogar dann, wenn sie gar nicht dabei war. Diese ganze Aktion machte mich in ihren Augen allerdings noch verdächtiger, weil es so aussah als wollte ich tatsächlich was verbergen. Es war also immer eine Lose-Lose Situation.
(Für mich heute total unverständlich, dass ich mich in meiner völlig normalen und platonischen sozialen Interaktion habe einschränken lassen.)
Als die Beziehung dann zu Ende ging, wollte ich für den Rest des Studiums keine Beziehung mehr eingehen und nur noch meine Freiheit genießen und Spaß haben. Ich lernte promt eine Frau kennen, die das ähnlich sah. Wir waren ein ganzes Jahr lang bloß "Friends with benefits" bis wir merkten, wie sehr wir uns an einander gewöhnt hatten und wie viel Zeit wir mit einander verbrachten. Also sagten wir "Wir sind zusammen". Da dies aber kurz vor meinem Auslandssemester passierte und wir beide unsere persönliche Freiheit nicht missen wollten (zudem sind wir Krebse und brauchen viel Nähe), entschieden wir uns für den Status "Offene Beziehung". Den behielten wir bei und nach dem Auslandssemester lebe ich jetzt schon 2,5 Jahre mit meiner Freundin in einer gemeinsamen Bude. Wir haben getrennte Zimmer und falls wir uns zurück ziehen wollen, können wir sogar getrennt pennen. Ergebnis: 4 Jahre Beziehung ohne größere Streits und ohne dass man sich gegenseitig auf den Keks geht, ohne einen Rückzugsort zu haben. Genial.
In den letzten Monaten gab es ein paar kleinere und größere Schicksalsschläge, die uns noch näher zusammen und damit such stillschweigend sehr nah an eine typisch monogame Beziehung gebracht haben. Das ist auch, wenn man die Gründe für die bisherige offene Beziehung anschaut, okay so, da es länger nicht mehr vorkam, dass wir uns mehrere Wochen nicht sehen konnten und daher auch sexuell ausgelastet sind.
Trotzdem ist es auch für uns beide völlig normal und okay, wenn wir uns schöne andere Menschen ansehen oder auch mal mit ihnen flirten. Der Trick dabei ist es, das weder persönlich zu nehmen noch als Erniedrigung wahrzunehmen, sondern sich angespornt fühlt für den Partner oder die Partnerin interessant zu bleiben und sich um die andere Person zu bemühen.
Ich habe dadurch für mich einiges gelernt. Das hier relevante ist...
1.) Die Aussage "Wenn wer fremd geht, fehlt was in der Beziehung" ist so nicht ganz korrekt. Man muss sich in solchen Momenten an die Nase packen und Sehnsüchte dem Partner gegenüber preis geben, ernsthaft darüber reden können und die Wünsche der anderen Person respektieren und nicht gleich alles persönlich nehmen.
2.) Eine Beziehung in der ein Partner den anderen verändern will, oder die Freiheit des anderen einschränken will ist keine gute Beziehung. Ich muss in einer Beziehung wollen dass es der anderen Person gut geht. Andererseits darf man sich auch nicht selbst vergessen, denn existiert die Sehnsucht nach etwas, das man für einen anderen Menschen aufgegeben hat, wird man ihm insgeheim immer die Schuld für seine unerfüllten Wünsche geben.
3.) Loyalität ist mehr wert als körperliche Treue. Denn Loyalität ist Liebe und körperliche Treue ist leer wenn sie aus einem Besitzanspruch heraus entspringt. Und Besitzanspruch hat wiederum nichts mit Liebe zu tun. ( Es ist wie mit Geschenken: Wenn ich einer Person was schenken möchte, dann muss ich das wollen, weil mir was an der Person liegt und nicht, weil ich der Ansicht bin, dass es die Person verlangt oder dass ich mich stillschweigend dafür verpflichtet habe.)
4.) Wenn man sich seiner zu sicher ist, lässt man sich schnell gehen und wird für den Partner uninteressant und bemüht sich auch selbst kaum noch. Das ist neben "zu viel überempfindlicher Stolz" der Hauptgrund dafür, dass monogame Beziehungen an einer Affaire zu Bruch gehen, so wie ich das schon sehr oft sah.