Story LI - Der Gewinn

Clive77

Serial Watcher
Samstag, 16:13 Uhr

„Schwalbe!!! Niemals war das ein Elfmeter! Du dummer Wichser! Ich weiß wo du wohnst, Mettbrötchen! Also pass gut auf, was du tust!“
„Wie haben Sie mich gerade genannt?“, sagte der junge schlaksige Schiedsrichter mit leicht zitternder Stimme, als er sich dem aggressiven Zuschauer, der sich deutlich aufgeplustert hatte, näherte. Der Mann war Ende 30, braun gebrannt, hatte kurze schwarze Haare, war einen Kopf kleiner, aber deutlich breiter gebaut als der junge Schiedsrichter.
„Ich darf ihm nicht zeigen, dass ich Schiss habe! Oh nein! Nein! Dieses Gefühl von damals ist wieder da! Verdammt mein ganzer Körper zittert! Alles fühlt sich so gleich an! Ich vermisse Papa!“, dachte der Schiedsrichter sich und drückte seine Beine fest auf dem Boden, damit sie nicht derartig zitterten.
„Häh? Spinnst du? Warum siezt du mich auf einmal? Du hast mich schon richtig verstanden! Du bist wohl nicht nur blind, sondern auch taub! Unglaublich was du hier für eine Scheiße pfeifst. Du pfeifst genauso beschissen wie das unechte Brötchen hier schmeckt. Dich sollte man wirklich er….“
„Ich würde an Ihrer Stelle bloß aufpassen, was Sie sagen! Ansonsten droht Ihnen eine Anzeige wegen Beleidigung und Nötigung. Ich bitte Sie, nun umgehend den Platz zu verlassen. Das Spiel Ihres Sohnes dürfen Sie gerne auf den Bildschirmen des Vereinscafés verfolgen!“, unterbrach ihn eine weibliche Stimme.
„Das kann doch nicht euer verschissener Ernst…“
„Für Sie ist jetzt Schluss. Sie haben eine Grenze überschritten. Er reicht! Oder soll ich Ihre Frau anrufen?! Wir kennen uns nämlich sehr gut. Jana wird das bestimmt nicht gutheißen!“, unterbrach ihn die weibliche Security-Verantwortliche und verwies den Mann des Feldes.
Dieser blickte konsterniert auf den Arm des Schiedsrichters, der mit einem leicht provokanten Lächeln auf die rot blickende Smart Watch an seinem Handgelenk tippte.
„Na warte, Mettbrötchen! Du Petze. Das wirst du Verräter mir büßen!“
„So das reicht jetzt, Herr Ortlepp! Unsere Mikros haben alles aufgenommen! Das gibt ne Anzeige!“, sagte die blonde, groß gewachsene Frau mit ernster Miene. „Verschwinden Sie endlich! Ansonsten rufe ich die Polizei. Die kennen Sie doch sehr gut! Suchen Sie sich ein anderes Hobby, um Ihre Wut rauszulassen! Hier sind Sie vollkommen falsch!“
Ein Bekannter, der eine blaue Sonnenbrille trug, zog den verärgerten Mann weg, während dieser sein angebissenes Mettbrötchen in Richtung des Schiedsrichters warf. Doch dieser wich reflexartig aus.
„Komm, Micha. Lass gut sein! Du willst doch nicht noch mehr Ärger. Schlechte Schiris gibt es nun mal überall!“, sagte der Mann mit Sonnenbrille, der neben ihm stand.
„Du hast ja Recht. Wir finden einen anderen Weg. Aber freu dich nicht zu früh, Mettbrötchen!
„Sein Name ist Matthew! Zeigen Sie bitte ein bisschen mehr Respekt vor dem Schiedsrichter!“
„Ich zeig euch nach dem Spiel gerne meinen Respekt! Ich warte vor dem Gelände auf euch!“, schrie der Mann wutentbrannt, während sein Freund ihn immer weiter Richtung Ausgang schob.
Matthew schaute nur paralysiert auf die Reste des Metts, die sich in den Zahnzwischenräumen des keifenden Mannes verfangen hatten. Zudem vernahm der Schiedsrichter eine kleine Alkoholfahne, die vermutlich von den beiden Männern stammte.
„Barbarisch. Sieht das eklig aus! Wegen solchen Cholerikern, brauchen wir Sicherheitspersonal! So ein Schwachmat! Und wegen solchen Idioten habe ich meinen Papa…“. Ich wünschte seine Wut wäre genauso fake wie das Fleisch zwischen seinen Zähnen! Ach ja. Nachher muss ich noch zu Opa! Der wird sich über die Überraschung freuen!“, dachte er sich und wirkte sehr traurig.
„Ich finde dich!“, schrie der Mann hinter.
Matt blickte auf die Kinder, wie sie in ihren Trikots völlig überfordert auf den wütenden Mann schauten. Ein Junge drehte sich peinlich berührt weg und spielte ein wenig mit dem Ball.
„Der arme Sohn! Schlimm solch einen Vater zu haben!“, dachte sich Matt. „Meiner wäre nie so ausgerastet, aber leider musste er damals dazwischen gehen, um mich zu beschützen! Das hätte er nicht tun soll!“
Die Miene des Schiedsrichters verfinsterte sich.
„Und du Madame, glaub bloß nicht, dass du ne Extrawurst von mir bekommst, nur weil du ne Frau bist. Auch wir sehen uns noch!“, rief der Mann aus 5 Metern Entfernung!
„Auf Ihre Extra-Mini-Speciale kann ich gut verzichten. Zumindest wenn das stimmt, was Ihre Frau Jana mir erzählt hat. Und nun Abflug!“, raunte die Frau ihn an.
„Entfernen Sie sich SOFORT vom Platz!“, rief der Schiedsrichter.
Die beiden schauten dem Mann und seiner Begleitung noch eine Weile hinterher, bis diese aus deren Blickfeld verschwunden waren.
„Sorry, Matt. Tut mir leid, dass das passieren musste!“, sagte die Security-Verantwortliche und lächelte Matt dabei an. Unfassbar, dass es trotz der neuen verschärften Gesetze immer noch solche Subprimaten gibt! Du kannst nun weiter pfeifen!“
„Danke, Kathi!“
Matt nickte Kathi mit einem Lächeln zu und pfiff das Spiel wieder an.

17:44 Uhr

Als Matt nach dem Duschen aus dem Vereinsheim trat, wartete Kathi bereits mit einem großen Lächeln auf ihn.
„Na du?!“
„Na!“
„Ich hab´ mich eben umgeguckt. Dieser Idiot scheint nicht mehr hier zu sein. Unfassbar, dass man bei einem Spiel der D-Jugend so ausrastet.“
„Echt schlimm! Der macht da weiter, wo sein Bruder damals aufgehört hat. Das verstehe ich einfach nicht!“, sagte Matt mit seufzender Stimme.
Kathi nahm Matt in den Arm.
„Ich weiß. Furchtbar so was. Aber seitdem gibt es ja zum Glück die neuen Gesetze und dutzende Maßnahmen, die durchgeführt wurden.“
Matt folgte Kathis Blick, der auf eine der zahlreichen Überwachungskameras auf dem Gelände gerichtet war.
„Ja, aber leider ein paar Jahre zu spät!“
„Du Matt, ich bin richtig stolz auf dich. Jeder weiß, wie viel Überwindung es kostet das zu leisten, was du leistest. Wie du Tag für Tag deine Angst überwindest. Richtig stark! Er wäre bestimmt sehr stolz auf dich!“, sagte Kathi und lächelte Matt an. „Und dennoch verstehe ich es nicht. Wie kann man so viel Wut entwickeln? Das ist doch nur ein Spiel!“, fragte Kathi.
„Das liegt bestimmt an der Tatsache, dass er kein Gewinnlos gezogen hat und wie fast alle anderen nur dieses billige Ersatzfleisch essen darf!“, scherzte Matt.
„Ja. Das kann sein! Und du bringst mir wirklich etwas mit? Versprochen?! Ich habe seit Jahren kein echtes Fleisch gegessen. In meiner Familie sind eh alle sogenannte „Überzeugte“, aber so ein Mettbrötchen ist unbezahlbar!“
„Wenn ich ehrlich, gibt es Geileres!“, sagte Matt, während er Kathi tief in die Augen schaute und lächelte. Er zögerte etwas und beugte sich langsam zu ihr rüber. „Schokolade zum Beispiel!“
„Du Spinner!“, rief Kathi und boxte Matt gegen die Schulter.
„Immer diese unnötige Aggressivität im Fußball, die keine Grenzen kennt!“, rief Matt.
Beide lachten.
„Keine Sorge. Ich bring dir auch eins mit! Aber jetzt hab` ich erstmal ein wichtiges Date. Diese Person liebt Mettbrötchen nämlich genauso wie du!“
„So. So. Jemand, der dir wichtiger ist als ich?!“
„Öhm. Joa. Sagen wir mal, ähnlich wichtig! Öhm. Aber du sag mal. Wo hast du mein Gewinnlos hingetan, das ich dir gezeigt hab?“
„Das habe ich dir wieder in deine Tasche gelegt. Ganz oben auf deine Klamotten. Ganz oben drauf!“
„Das ist aber nichts!“, sagte Matt und wühlte hektisch in seiner Tasche, die er entnervt präsentierte.
„Dann kann das nur Chris gewesen sein. Er hat doch gesagt, dass er sich rächen will!“, sagte Kathi.
„Bestimmt! Echt krass, dass der das durchzieht! Hier sind doch überall Kameras!“
„Das kann ihm ja egal sein! Nur heute kriegt jeder Besitzer eines Gewinnloses richtiges, ECHTES, blutiges Fleisch! Das ist der einzige Tag im gesamten Jahr! Bis die Polizei ihn geschnappt hat, hat er das ganze Mett längst verputzt und verdaut! Dann bringt es mir auch gar nichts, dass ich einer der Lotteriegewinner bin.“
„Mist!“
„Ja. Das ist echt schade! Aber zum Glück…!“
Matt grinste Kathi provokativ an.
„Zum Glück was?!“
„Zum Glück habe ich damit schon gerechnet und dein Los schnell weggepackt. Chris besitzt jetzt ein Los vom letzten Jahr, dass ich ganz naiv oben auf meinen Klamotten positioniert habe! Mal gucken, was er damit bekommt!“
„Du dummer Arsch! Wo hast du das denn her?“
„Sorry. Aber das war einfach zu riskant. Das Los habe ich bei Ebay ersteigert! Selbst das alte Los war noch 150 Euro wert! Und wie ich Chris kenne, war es für ihn eine zu große Hürde eben auf das Datum zu gucken!“
„Heftig! Aber geile Idee!“
„Ja, aber ich muss jetzt echt los! Ripke schließt um 18:30 Uhr!“
„Sehen wir uns heute Abend!?“
„Mal sehen! Ich bin jetzt ein begehrter Mann. Keiner kann sagen, was heute Abend noch passiert!“
„Haha. Spinner!“, sagte Kathi und lächelte.

18:07 Uhr

Vorsichtig blickte Matt sich um. Von Chris oder anderen potentiellen Neidern war keine Spur. Schnell rannte er bis zur Eingangstür. Zwei große bullige Türsteher bewachten die Metzgerei. Als Matt sich zur Straße umdrehte, sah er mehrere Polizeiwagen, die auf der Straße patrouillierten.
„Das Ticket und den Perso bitte!“
Nervös zückte Matt das gefaltete Los und seinen Ausweis aus seiner Handyhülle.
Einer der Türsteher inspizierte den Schein, bevor er ihn scannte.
„Dafür, dass dieses Los so kostbar ist, gehen Sie damit aber nicht liebevoll um!“
„Das stimmt, aber ich gelobe, dass ich dem Fleisch des armen getöteten Tieres mit mehr Respekt entgegentrete werde!“
„Aber immerhin ist das Los aktuell und nicht vom letzten Jahr, wie bei dem Otto von vorhin!“
„Ist da echt jemand mit nem alten Los erschienen? Wie dreist ist das denn? Wie dumm kann man sein?“
„Dreist und dumm. Der wollte sich echt mit uns anlegen!“
„Und?“
„Die Polizei kümmert sich jetzt um ihn!“
„Und die Ärzte um seinen Nasenbeinbruch!“, ergänzte der andere Türsteher.
Die Türsteher lachten und winkten Matt herein.
„Danke!“, sagte Matt fröhlich.

In der Metzgerei wurde Matt von einem überdimensionalen goldenen Mettigel auf zwei Beinen begrüßt, der sich in einer Glasvitrine befand und dessen elektrischer Arm ihm leicht zuwinkte.
„Herr Bridgen, was für ein seltener Gast! Was kann ich für Sie tun?!“, grüßte ihn ein älterer Mann mit krausen, graumelierten Haaren, der eine Schürze trug.
„Hallo Herr Ripke. Ich hatte dieses Jahr richtiges Glück“, sagte Matt mit einem großen Lächeln und wedelte mit dem Gewinnlos. Matt ging zur Theke und zeigte dem Mann seinen Schein.
„Ich hätte gerne Metti, aber nicht aus Gold, sondern aus richtigem Fleisch! Genau in dieser Größe!“
Herr Ripke betrachtete penibel das Los.
„Das ist natürlich kein echtes Gold! Auch wenn Metti nicht ganz wertlos ist. Ach. Oh. Das tut mir leid. Das ist leider nur die dritte Gewinnkategorie. Das reicht leider nur für so circa 800 Gramm Mett und 20 Bratwürste. Steaks sind da leider nicht inkludiert.“
„Hm. Schade. Mehr nicht?“
„Leider nein, mein Herr. Aber es ist gar nicht so wenig wie das klingt. Das ist immerhin ein Fünftel meines gesamten Fleischbestandes.“
„Ärgerlich! Hm. Naja!“
„Beklag Sie sich nicht bei mir. Schuld ist diese Greta NichtszuthunBerg und diese schwachsinnigen neuen Europarichtlinien. Zum Glück verkaufen sich die Veganprodukte und der Käse ganz gut. Ansonsten wäre ich genauso pleite wie alle anderen Metzger in 50 Kilometer Entfernung! Willkommen im Jahr 2025, sag ich da nur!“
„Ach. So schlimm ist es gar nicht für mich. Die Person, für die das Mett bestimmt ist, wird sich auch so freuen. Und ein bisschen was zum Einfrieren habe ich auch noch.“
„Bestimmt. Das ist schließlich das neue Gold!“
„Dann hätte ich gerne 6 halbe Brötchen mit Gold und einer Extraportion Zwiebeln! Und dazu zwei Packungen Bratwürstchen bitte!“
„Aber gerne doch, Herr Bridgen!“
Matt nickte zufrieden, während Herr Ripke sich nach unten in den gekühlten Tresorraum begab. Als er zurückgekehrt war und Matt einen schwarzen Koffer mit integriertem Kühlsystem überreicht hatte, gab er ihm einen letzten Ratschlag.
„Steigen Sie am besten in einen der Polizeiwagen und lassen Sie sich nach Hause eskortieren! Sie wissen doch bestimmt noch was Lukas Schmitz letztes Jahr passiert ist.“
Matt nickte.
„Gute Idee! Ich möchte schließlich nicht für ein bisschen Wurst in einen Hinterhalt gelockt werden und ins Koma fallen!“
„Eben! Heute ist die Polizeieskorte im Gewinn inklusive! Schließlich hat keiner Lust auf einen neuen Skandal! Warten Sie! Ich hab‘ ne Idee. Ich ruf eben an. Dann kommen die Polizisten gleich in den Laden und passen auf Sie auf!“
„Danke, Herr Ripke! Das ist sehr zuvorkommend von Ihnen!“
„Gerne, gerne! Und lassen Sie es sich schmecken! Kauen Sie nicht so schnell. Es könnte das letzte Mett Ihres Lebens sein! Das muss man genießen.“



18:41 Uhr

Nachdem die beiden Polizisten ihn herausgelassen hatten und Matt sich freundlich verabschiedet hatte, ging er die letzten Schritte zu Fuß. Schon bald sah er die Bushaltestelle und begrüßte die Person, auf die er sich so lange gefreut hatte. Sie saß alleine auf der Bank des kleinen Häuschens.
„Hallo Opa! Schön dich zu sehen! Wie geht’s?“
„Matthew. Nice to see you. But how did you find me?“
„Ich kenn doch deinen Lieblingsort!“
„Häh? I don’t get it. Was für ein Ort? Ich warte nur auf den verdammten Bus, aber der kommt ja leider nicht. Ich muss nach Hause. Ich will endlich zu deiner Großmutter. Sie wartet schon. Schließlich geht die Sonne ja schon langsam unter…“
Matt senkte seinen Kopf und blickte traurig auf den Boden.
„Nicht meckern! Ich hab‘ dir zum Trost was Feines mitgebracht!“
Erwartungsvoll öffnete Matt den schwarzen Koffer, kramte eine Tüte heraus und zückte zwei belegte Brötchenhälften mit Mett und Zwiebeln.“
„Och näää. Nicht diesen künstlichen Mist. Weißt du…Früher da gab es noch richtiges Fleisch“, sagte der Großvater mit einem kleinen Akzent.
„Opa. Jetzt vertrau mir doch einmal und probier‘s bitte! Just try!“
„No!“
„Come on. Give me one chance!“
„Okay. Dann gib her. Ich habe ja auch seit Stunden nichts mehr gegessen!“
Halbherzig biss er in das Brötchen rein. Plötzlich fing er an, zu lächeln und vergoss vor Glück eine Träne.
„Matthew. Was hast du getan? Is it real…?
„Ja, ist es, Opa. Alles Gute zum 80.! Happy Birthday!“
„Das schmeckt sensationell. So echt! Und die Zwiebeln sind perfekt. Thanks. Danke!“
Matt blickte in die feuchten Augen seines Opas, der genüsslich sein Brötchen verschlang.
„Delicious!“
Nach kurzer Zeit hatte er seine Hälfte verputzt und blickte auf Matt.
„Opa, was ist?“
„Du, Matthew?“
„Ja?“
„Hast du vielleicht noch...?“
„Klar doch. Auf einem Bein kann man ja nicht stehen oder wie heißt das alte Sprichwort?“
„Da hast du recht.“
Gerade als er seinem Großvater eine weitere Hälfte überreichen wollte, zog er diese wieder weg und zeigte in bekannter Schiedsrichtermanier seinen mahnenden Zeigefinger.
„Aber tu‘ mir einen Gefallen. Iss die zweite Hälfte ein bisschen langsamer. Es könnte sein, dass wir beide nie wieder ein Mettbrötchen in unserem Leben kriegen!“
Der alte Mann nickte und roch genüsslich an der zweiten Hälfte. Dann leckte er mit der Zunge ganz langsam über ein Stück Fleisch und kaute es anschließend sehr langsam.
„Das ist ja himmlisch. Du Matthew?“
„Ja?“
„Sag mal. Haben wir eigentlich gewonnen?“
Matthew erschrak und verschluckte sich leicht. Er hustete stark.
„Was meinst du denn damit?“
„Haben wir gewonnen?“
„Was gewonnen?“
„Das Spiel! Im Finale um die Meisterschaft!“
„Opa. Ich bin doch Schiedsrichter. Ich kann gar nicht gewinnen. Ja, unsere B-Jugend hat heute aber gewonnen, wenn du das meinst!“
„Nein. Doch nicht das! Dein Spiel damals! Das in der A-Jugend. Haben wir gewonnen?“
„Du meinst das vor 5 Jahren?“ Matthew stockte der Atem. Ihm wurde ganz schlecht. „Das kann man so oder so sehen!“
„Also?! Haben wir gewonnen?!“
Matthew verbarg seine Trauer und zückte ein Taschentuch. Danach wischte er sich damit über die Augen.
„Weinst du etwa?“
„Nein. Das sind die Zwiebeln. Die sind wirklich scharf!“, sagte er und putzte sich die Nase.
„Herrlich lecker! Nicht?!“
„Joa.“
„Also. Haben wir nun gewonnen?“
„Ja. Opa. Wie konntest du das vergessen? Ich habe auch ein Tor geschossen!“
„Und deswegen haben wir gewonnen?“ Matt zögerte. „Öhm. Nein. Das Spiel wurde beim Stand von 2:1 abgebrochen.“
„Und wieso haben wir dann gewonnen?“
Matthew wartete einen Moment.
„Öhm. Ja. Mensch, Opa. Das weißt du nicht mehr?“
„Nein. Du weißt doch, dass ich mich in letzter Zeit an vieles nicht mehr erinnern kann! Das ist ganz schlimm!“
„Das Spiel wurde abgebrochen, weil Chris Ortlepps großer Bruder auf den Schiedsrichter los ging. Unser Trainer ist sofort dazwischen. Aber der Ortlepp hat dann auch ihn einfach brutal attackiert und zusammengetreten, bis der Trainer sich nicht mehr rührte. Es waren zwei feste Tritte ins Gesicht. Es ging ganz schnell!“ Matts Stimme brach fast weg. Er kämpfte mit seinen Worten. „Aber dadurch wurde das Spiel für uns gewertet und wir sind Meister geworden. Leider ist unser Trainer ein paar Tage später im Krankenhaus gestorben. Deswegen wollte ich auch Schiedsrichter werden. Um solche Idioten zu stoppen!“
„Das ist echt schlimm. Aber, vergiss nicht. Ihr habt trotzdem gewonnen. Das ist doch toll. Meister! Einfach Stark!“
Matthews Knie zitterten wie damals ganz stark. Danach schwieg er, während sein Großvater wieder genüsslich mit einem Lächeln im Gesicht in das Brötchen biss. Plötzlich verschluckte dieser sich auch.
„Moment mal. War der Trainer nicht dein Va….?!“
Matthew nickte. Der Großvater hörte auf, zu essen und schwieg. Minutenlang redeten beide kein Wort.
„Oh. Ach so!“, jammerte der Großvater.
„Du Matthew, mir ist kalt und ich hab‘ keinen Hunger mehr! Außerdem habe ich ganz starke Kopfschmerzen Und wo bleibt dieser blöde Bus?!“, sagte er mit trotziger Stimme und sprang panisch auf.
„Du Opa. Ich glaube, der kommt nicht mehr. Ich ruf mal an und frag, was da los ist!“
Matt nahm sein Handy und ging auf die Funktion „Ausgehende Anrufe“.
„Hallo. Hier ist Matthew Bridgen. Er ist wieder hier. Ja. An der Bushaltehalte. Sie können ihn jetzt abholen“, sagte Matt und legte auf.
„Oma wird bestimmt schimpfen!“, sagte der Großvater mit jammernder Stimme. „Sie hasst es, wenn ich zu spät nach Hause komme!“
Der Großvater lief nervös auf und ab.
„Du Opa, keine Sorge. Ich habe hier etwas, dass sie milde stimmen wird!“
Matt packte ein weitere belegte Brötchenhälfte aus und präsentierte diese seinem Großvater.
„Matthew, du bist der Beste. Weißt du, Fußballspielen wie auf der Insel, dass können die Deutschen nicht, aber die Mettbrötchen sind klasse! Die Mettbrötchen und deine Oma sind die einzigen Gründe warum ich überhaupt hiergeblieben bin, you know!“, scherzte der Großvater und lachte.
Zwei junge Frauen näherten sich den beiden. Eine legte ihre Hand fürsorglich auf die Schulter des Großvaters.
„Herr Bridgen. Was machen Sie denn immer für Sachen?! Es gibt gleich Torte. Die anderen Bewohner wollen doch mit Ihnen feiern!“
„Ich will keine fucking Torte. Ich will zu meiner Frau und ein Mettbrötchen.“
„Hm. Ja, wir verstehen das. Es gibt aber dort drinnen eine große Überraschung für Sie!“
„Susi? Ist Susi etwa hier?“
„Das finden Sie nur heraus, wenn Sie jetzt mitkommen.“, sagte die Frau.
Die beiden Frauen und Matthew lächelten verlegen.
„Na gut, aber darf ich später das Mettbrötchen essen?!“
„Aber natürlich, Herr Bridgen!“
„What about you, Matthew?“
„Opa, ich hab‘ noch ein wichtiges Date! Sie liebt Mett genauso wie du!“
„Ok, mein Junge! Das klingt nach einer tollen Frau! Hol sie dir! Danke für den Besuch. Love you!“, sagte der Großvater und zwinkerte ihm dabei zu.
„Love you, too! CU tomorrow. Same time, same place! Enjoy your party!“

Der alte Mann schaute Matthew verwirrt an und trottete dann kommentarlos langsam in Richtung des Heims, während Matthew den beiden Frauen eine Packung eingeschweißter Würstchen überreichte.
„Das ist für das Grillfest. Ein kleines Dankeschön für Ihre tolle Arbeit!“
„Danke sehr. Das wäre nicht nötig gewesen!“
„Doch war es!“

Die Frauen bedankten sich und folgten langsam Matts Großvater. Wehmütig blickte er den dreien hinterher. Dabei konnte er gut verstehen, wie die beiden Frauen sich über seine Familie unterhielten.
„Schlimm, wie der alte Herr Bridgen aufgrund von einem Fußballspiel seinen Sohn und seine Frau verloren hat!“, sagte eine der Frauen.
„Häh. Wie das denn?“
„Weißt du das nicht? Sein Sohn wurde damals auf dem Fußballplatz totgeschlagen. Seine Frau hat das nie wirklich verkraftet und sich deshalb ein halbes Jahr später er…“
Plötzlich klingelte das Handy und sorgte dafür, dass Matt den Frauen nicht mehr zuhörte. Als Matt die Nummer sah, strahlte er wieder.

22:47 Uhr

Matt und Kathi lagen engumschlungen auf dem Mittelkreis des Fußballplatzes und betrachteten den Vollmond und den Sternenhimmel. Beide aßen dabei die beiden letzten belegten Brötchenhälften.
„Und was ist das für ein Sternbild?!“, fragte Kathi.
„Erkennst du das wirklich nicht?“
„Nö!“
„Das ist doch ganz einfach! Guck dir mal den Grundkörper an und darauf erkennt man doch eindeutig so etwas wie Stacheln!“
„Keine Ahnung. Jetzt sag es doch einfach!“
„Boah Kathi ey. Das ist der große Mettigel!“
„Du Idiot!“, sagte Kathi schmunzelnd.
Matt strahlte Kathi zufrieden an.
„Danke Kathi!“
„Wofür?“
„Seitdem es dich gibt, habe ich endlich kaum mehr Angst, diesen fürchterlichen Platz zu betreten!“
„Kein Ding! Und seitdem es dich gibt, breche ich endlich mal Tabus!“
„Aha. Welche denn?“
„Naja, ich erzähle Fake Geschichten über zu kleine Penisse, breche nachts auf Fußballplätze ein und…
„Na ja, wir hatten immerhin einen Schlüssel!“
„Jaja…und ich…?“
„Und was?“
Kathi fuhr sich nervös durch ihre langen Haare.
„Und ich küsse Männer, die komplett nach Zwiebeln riechen und noch Fleischreste zwischen ihren Zähnen haben!“ Kathi schaute Matt tief in die Augen und küsste ihn dabei. „Und das fühlt sich verdammt geil an!“, sagte sie.
„Oh ja!“, sagte Matt und küsste sie zurück.
Matt schaute danach auf das neue Sternbild, das er für sich entdeckt hatte.
„Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass Mett eigentlich doch voll okay ist. Es gab für mich schließlich immer gute Gründe, Mett zu hassen, aber dieser eine hat mich voll überzeugt!“, sagte Matt zu Kathi und lachte, während er glücklich mit ihr in seinen Armen auf dem Rasen lag und den Sternenhimmel beobachtete.

ENDE
 
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Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Die Story ist recht unterhaltsam und flüssig geschrieben. Nur hat mir der Teenie-Slang mit "krass", "geil" usw. nicht zugesagt. Wie alt sind der Schiedsrichter und Kathi? An einer Stelle wurde das Wort "leider" leider zu oft wiederholt: "Das tut mir leid. Das ist leider nur die dritte Gewinnkategorie. Das reicht leider nur für so circa 800 Gramm Mett und 20 Bratwürste. Steaks sind da leider nicht inkludiert."
Insgesamt ist die Geschichte ganz okay, würde ich sagen.
 

MamoChan

Well-Known Member
So wirklich hat mich die Geschichte nicht gepackt. Besonders der erste Teil war mir zu lang. Nach der Hälfte wurde es besser und der text lies sich auch flüssiger lesen. Aber wie gesagt, wollte hier der Funke einfach nicht überpringen. Vielleicht lag es auch an den Charakteren, die mich nicht fesseln konnten. Einzig den Großvater und seine Geschihcte fan dich interessant.
Die dort geschilderte Zukunft erinnerte mich wage an "Sloylent Green", aber ich weiß nicht, ob es beabsichtigt war. Und obwohl ich keine großen Sympathien für sie hege, stieß mir doch "Greta NichtszuthunBerg" mehr auf, als ich gedacht hätte. Es erschien mir zu platt.

Edit: Ich möchte meine Äußerung zu "Greta NichtszuthunBerg" gerne zurücknehmen. Offenbar war ich mit dem falschen Fuß aufgestanden und hatte dann gleich diese Geschichte gelesen. Es war eine Äußerung des Metzgers, und wenn er so reden will, kann er das gerne tun. Mir stieß diese Bemerkung auch nur sauer auf, weil ich selbst so einen "besorgten Bürger" in der Familie habe, was aber nicht das Problem des Autors sein sollte.
 
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Clive77

Serial Watcher
An sich eine schöne Geschichte über eine "mögliche Zukunft", die so sicher nicht eintreten wird. Teilweise wusste ich leider nicht, wer gerade spricht oder wer wer ist und das reißt dann schonmal raus. Bei den Dialogen hätte ich mir da eine andere Option gewünscht, damit man die besser zuordnen kann. Insgesamt aber keine schlechte Geschichte, in der schon einiges drinsteckt. Reicht von meiner Seite aber leider nur für ein (Trost-)Mettbrötchen.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Teilweise wusste ich leider nicht, wer gerade spricht oder wer wer ist und das reißt dann schonmal raus. Bei den Dialogen hätte ich mir da eine andere Option gewünscht, damit man die besser zuordnen kann.

Ja das war auch so mein Hauptproblem mit der Geschichte.
Die Idee war okay, aber irgendwie durchzieht die ganze Geschichten irgendwie eine Antipathie gegen Vegetarismus und Veganismus und man erkennt irgendwie, dass die Essenz des Ganzen nicht erkannt wird. So zumindest der Eindruck, soll aber nicht in die Bewertung der Geschichte einfließen.
 

McKenzie

Unchained
Hm..die macht es mir jetzt schwer. Ich war in der ersten Hälfte nicht sonderlich angetan von der Erzählweise, etwas zu viel direkte Rede die nicht immer sofort zuweisbar war, und die Gedanken hätte ich der Übersicht halber eher in kursiv geschrieben als in Anführungszeichen, generell irgendwie stressig zu lesen.
Allerdings hats mich mit der zweiten Hälfte dann doch gekriegt, die entworfene Nahe-Zukunft-Story ist gut und die Begegnung mit dem Opa ebenfalls, und der Schreibstil wurde angenehmer. Ich war erst irritert über Türsteher bei einer Metzgerei, aber dann ergab alles Sinn.
Die verschiedensten Arten Mett einzubauen waren witzig, fast schon etwas zu viel, aber passte vom Gesamtkonzept her schon.
Muss mal überlegen ob sie in die Punkteränge kommt, möglich.
 
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Sittich

Well-Known Member
Für mich hat sich die Geschichte auch langsam gesteigert. Der Anfang hat sich ein wenig gezogen und war wie McKenzie schrieb auch ein wenig anstrengend zu lesen. Der Part in der Metzgerei und das Treffen mit dem Opa haben mir dann gefallen. Insgesamt dann doch eine recht runde Geschichte mit reichlich Spuren von Mett.
 

Jizzle

Well-Known Member
Die Story ist von mir.

Bin mit ihr nicht zufrieden.

Aber der Opa und der archaische Metzger wurden extra nur für Sittisch kreiert. Die ganze Story und die Atmosphäre ist Neuland für mich.

Ich wollte etwas Experimentelles schaffen, um Punkte von Sittich zu erhalten, der mir NIE Punkte gibt und mich jedes Mal verzweifeln lässt :cool:

Tja, Mission leider wieder gescheitert :smile:
 
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