Weltpolitik (u.a. der Russland Ukraine Krieg)

Duncan

Well-Known Member
"Serbien muss Sterbien" stand auf Ö/U Propagandaschriften lange vor dem 1. WK. Ö/U hätte niemals auf das Deutsche Reich gehört, wenn sie dagegen argumentiert hätten. Noch bevor die Kriegserklärungen gekommen sind, sprach Deutschland Ö/U auch die unaueingeschränkte Solidarität aus. Sie saßen mit drin und, wie gesagt, eigentlich wollten auch alle.

Diese antiserbischen Propagandaexzesse/Spannungen auf dem Balkan sind allgemein bekannt. Aber dass Ö/U "niemals auf das Deutsche Reich" gehört hätte, halte ich für ein klares Fehlurteil. Umgekehrt macht es mehr Sinn: Österreich MUSSTE auf zustimmende Signale aus Deutschland warten, erst dann konnten sie es wagen, Serbien den Krieg zu erklären (weshalb ja auch gewisse Zeit zwischen dem Attentat und der Kriegserklärung ins Land ging).

Geradezu kurios wird es, wenn dieser Teil aus dem WK1-Artikel in Wikipedia zutrifft:

Das deutsche Auswärtige Amt wollte den Krieg zwischen Österreich und Serbien zunächst vermeiden, da es richtig den „Weltkrieg“ als Konsequenz voraussah. Das Auswärtige Amt vertrat noch bis 4. Juli die Meinung, dass Österreich keine demütigenden Forderungen an Serbien stellen solle. Soweit bekannt, führte maßgeblich ein Statement von Kaiser Wilhelm II. („Mit den Serben muss aufgeräumt werden und zwar bald.“) vom 4. Juli dazu, dass das Auswärtige Amt umgehend die gegenteilige Haltung einnahm.

Das alles klingt für mich nicht nach "historischen Gesetzmäßigkeiten", seien sie nun marxistisch oder sonstwie definierbar. Es klingt nach Zufall, nach Chaos, nach Tragik im Sinne der Griechischen Göttersagen... und eben weil wir damit nicht zurechtkommen, brauchen wir offenbar andere Narrative.
 

Hi'Pat'Bateman

Well-Known Member
@Duncan

Zunächst mal, hat darüber niemand gesprochen und wieder fehlt wichtiger Kontext. Mitunter einer der größten Klimasünder da draußen war und ist China (Kommunismus). Ebenfalls auch Russland. Die größte Klimaschaden wurde auch in kommunistischen Ländern angerichtet und wird es noch.

Ich verstehe die Kritik am Kapitalismus aber du machst es dir zu leicht, und löst gar nichts, wenn du alles was schiefläuft auf den Kapitalismus schiebst. Tatsache ist, dass der Kapitalismus auch helfen kann den Klimawandel und Kriege zu beenden. Aber diese Faktoren werden komplett ignoriert.

Glaubst du wirklich, dass die EU ohne generalisierte, kapitalistische Marktwirtschaft bis heute Bestand hätte?

Unfug. Spätestens seitdem der Kapitalsimus die vorherrschende Wirtschaftsweise geworden ist, ist er auch der gesellschaftliche Taktgeber. Die Staaten als ideelle Gesamtkapitalisten versuchen immer die idealen Verwertungsbedingungen für ihre Kapitalie (Unternehmen) herzustellen. Große Staaten mit großem Einfluss sind Imperien. Jeder Krieg spätestens seit dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) dreht sich ausschließlich darum, genau diese Voraussetzungen zu schaffen.

Und erklär mir bitte wie ein System, dass unzählige (Welt)Kriege mit zig Millionen Toten provoziert hat und für die Klimakastatrophe verantwortlich ist, denn bitteschön "die Lösung" der Probleme sein soll, die es selbst verursacht hat? Die Aussage ist geradezu absurd & irrational. Du sagst damit, dass du ein (gigantisches) Feuer mit riesigen Mengen Benzins löschen willst.

Im Übrigen ein Zitat aus Wikipeda zum Thema "Weltkrieg".

"Als Weltkrieg wird ein Krieg bezeichnet, der durch sein geographisches Ausmaß über mehrere Kontinente und durch den unbegrenzten Einsatz aller verfügbaren strategischen Ressourcen weltweite Bedeutung erlangt oder der im Ergebnis eine grundsätzliche Neuordnung der weltweiten internationalen Beziehungen mit sich brint."

weiter:

"Die Bezeichnung Weltkrieg für einen Krieg fand schon im Vorfeld des Ersten Weltkrieges vielfach Verwendung, als sich ein militärischer Konflikt der Weltmächte unter neuen Dimensionen der Kriegsführung abzeichnete,"

"Alle Konflikte betrafen die wichtigen Großmächte und wurden bereits in Europa und Amerika bzw. Europa, Amerika und Asien ausgetragen."

Gemäß oben genannten Kriterien war der Siebenjährigen Krieg ein Weltkrieg, denn er fand nicht nur in Europa, sondern FAKTISCH auch in Asien (u.a. Indien) und Nordamerika statt. Und es ging damals um die Weltordnung (genau wie bei jedem anderen Weltkrieg auch). Insofern handelt es sich um Weltordnungskriege. Dass WK1 und WK2 in ihren industriellen Dimensionen nochmal ganz anderen Ausmaße angenommen haben, bestreitet niemand. Deswegen kann man hier auch von "Totalen Kriegen" sprechen.

Zum Thema "Unwissenschaftlichkeit" --> Was stört dich konkret an den Texten? Es sind Essays. Du kannst dir auch gerne von den Autoren (z.B. Robert Kurz) Bücher beschaffen. Kurz war ausgebildeter Philosoph und wie die restlichen Verfasser akademisch ausgebildet. Ich wollte dir nur einen Input geben.

Zum Thema Kapitalismus:

Wie bereits mehrfach erwähnt und allgemein bekannt, hat sich der Kapitalismus über die letzten 500 Jahren als allgemeine Gesellschaftsform durchgesetzt. Jeder Staat, jedes Unternehmen, jeder Mensch ist dem kapitalistischen Verwertungszwang auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wie wird Profit (vulgo: Geld) geschaffen? In dem der Kapitalist das Proletariat um ihren Mehrwert ausbeutet. Der einzige mehrwertschaffende Faktor in der kapitalistischen Welt ist die menschliche Arbeitszeit. Diese gerinnt bei der Produktion in den Waren zum Mehrwert, den der Kapitalist (idealerweise) in Form von Profit abschöpfen kann, wenn er sie am Markt veräußern kann.

Die Unternehmen stehen in Konkurrenz zueinander, weil das ganze (irrsinnige) Ziel der Veranstaltung darin besteht, möglichst große Quanta an Mehrwert / Profit / Kapital zu akkumulieren. Das schlägt sich ja auch in dem Unsinn nieder, dass die Wirtschaft "wachsen" muss. BTW: eine der wenige Organismen, die in der Natur exponentiell wachsen, ist Krebs. Am Ende stirbt der Wirt. Ein passender Vergleich für den Kapitalismus und unseren Planet als Wirt.

Und ausnahmslos JEDE Krise im Kapitalismus lässt sich darauf zurückführen, dass diese Akkumulationsregime ins Stottern geraten ist bzw. nicht mehr reibungslos funktioniert hat.

Die Konkurrenz zwingt die Unternehmen zu ständigen Rationalisierungsmaßnahmen, welche dem Kapitalisten, der sie zuerst umsetzt, Extraprofite ermöglichen (zB wird eine neue Produktionsmethode eingeführt, welche sich dann als "Wettbewerbsvorteil" manifestiert). Die Konkurrzen schläft bekanntlich nicht. Ergebnis: Die neue Methode wird irgendwann allgemeiner (globaler) Standard, das Produktivitätsniveau steigt und der Wert (resp. der sich daraus ergebende Preis) der Waren beginnt tendenziell zu fallen. Das führt bei den Kapitalien jetzt aber zu einem grundsätzliche Dilemma:

Nämlich dass die Profite je verkaufter Waren zurückgehen. Was tun? Achja - richtig! WACHSEN! NEUE MÄRKTE ERSCHLIEßEN! Und vor allem:

Noch mehr sinnlose Waren für die Müllhalde produzieren. Um den Warenumsatz möglichst in die Höhe zu treiben, werden die Waren natürlich nicht nachhaltig ausgelegt. Sie sollen ja auch nicht lange halten, im Gegenteil. Aus dieser blödsinningen Logik heraus ist sowas wie ein Erdbeben auch prima, denn das führt ja zu Arbeit, an der Unternehmen (und Staat) wiederum Geld verdienen. Die berühmten Krisenprofiteure. Und das BIP steigt...

Zwischenfrage: Wie kann man ein System auch nur ansatzweise als "sinnvoll" erachten, das es erlaubt, dass sich Menschen auf Kosten und Leid anderer Menschen bereichern? Und NEIN, das hat keine individuelle Komponente - diese Logik ist systemimmanent!

Dieser ganzen Irrsinn führte im Kontext der mikroelektronischen Revoluton seit den 70er Jahren dazu, dass die Produktivität so sprunghaft angestiegen ist, dass eigentlich nicht mehr genügend Menschen in die Verwertungsmaschinerie eingesaugt werden konnten, um das System am Laufen zu halten. Wie mussten jetzt die Staaten reagiergen? VERSCHULDUNG. Das war im Übrigen auch der Grund, warum der Goldstandard und Bretton Woods gekippt wurden. Es kam nicht mehr genüg Geld in die Staatskassen, also mussten die Staaten jetzt beginnen, ihre Zukunft "zu verkonsumieren", in dem sie immer größerer Schuldenberge aufnahemen. Und diese Schuldenberge werden immer weiterwachsen und mit jeder Krise noch mehr, weil es dem Kapital beim aktuellen Produktivitätsstandard an Verwertungsmöglichkeiten fehlt. Die Lücke zwischen fehlender Kaufkraft und Überangebot an Waren (immer weniger Menschen können in immer kürzerer Zeit immer mehr Waren herstellen) kann nur durch das Schaffen fiktiven Kapitals (Kreditgeld, Aktien"gewinne", steigen Immobilienpreise etc.) noch leidlich abgefangen werden. Das Problem ist nur, dass dieses Geld keinen Wert hat. Wir erinnern uns:

(Mehr-)Wert schafft nur der Mensche in Form der in Waren geronner bzw. verdinglichter Arbeitszeit. Daher auch das obige Marxzitat (im Übrigen erklärt es der Text viel besser als ich).

Das fiktive Kapital bleibt so lange imaginär (fiktiv) wie es nicht durch Verwertung realisiert wurde. Heißt: Geld muss investiert werden, es muss etwas produziert werden und am Ende muss dieses Etwas mit Proift verkauft werden. Das berühmte G-W-G' von Marx. Da aber das Verhältnis von Kaufkraft und Warenangebot aufgrund der diversen Produktivitätsschübe gekippt ist (immer weniger Menschen werden in den Verwertungsprozess eingesaugt, haben also kein Geld zum Kaufen der Waren) muss das System die immer größer werdende Kluft mit "fiktiven Kapital" schließen. Die "Schuldigkeit" wird also immer größer. Und irgendwann (tja, nur wann?) stößt das System an seine logische, innere Schranke - der Entwertung des Geldes als Medium der Vermittlung in unserer Weltgesellschaft. Geld ohne Wert.

Und wenn wir immer produktiver werden und also immer Waren (und Dienstleistungen) realisieren müssen, um profitabel zu bleiben, dann führt das zu einer immer heftigeren Verstoffwechslung mit der Natur. Immer mehr Ressourcen werden verschlissen und müssen auf dem "Alter des Kapitals" geopfert werden. Tja, und am Ende steht uns der Kollaps der planetaren Grenzen bevor. Klimakatastrophe, Kollaps der Biodiversität, Hungerkatastrophe, Barbarei. Der Kapitalismus ist gerade dabei, seine logische, äußere Schranke zu erreichen.

Welche Rolle spielt jetzt der Staat?

Der Staat lebt von den Steuereinnahmen und der Profitabilität der Unternehmen. Große Staaten mit ausreichenden Kapital werden natürlich versuchen, ihren Status mindestend zu halten oder zu verbessern. Das ist das "Great Game" bzw. der imperiale Wahnsinn, den wir gerade in der Ukraine erleben. Hier treffen Imperien aufeinandern, die eine alte Weltordnung halten wollen (USA, EU) und welche, die eine neue entstehen lassen wollen (RUS, CHN).

Alles was als Gründe für den Krieg genannt wird (Demokratie, Menschenrechte, Genozid, Sicherheitsinteressen, etc.) sind lediglich das Narrativ, der Vorwand, um den Imperien eine Legitimierung ihrer Machtinteressen zu ermöglichen. Inwiefern das allen Teilnehmern immer bewusst ist ("Sie wissen es nicht. Aber sie tuen es." Marx), sei mal dahingestellt. Es sind letztlich immer die Sachzwänge des Kapitals, die sie dazu "zwingen", zu handeln, wie sie handeln.

Am Bsp. der Ukraine zeichnet sich für mich folgendes Bild ab:

Die Russen versuchen ihre Vorstellung einer mulitpolaren Weltordnung durchzusetzen (Loslösung der BRICS-Staaten aus der Hegemonie der USA). Die USA versuchen wiederum ihren einzigen Joker, den sie noch haben, und zwar die Weltleitwährung, zu retten. NOCH muss jedes Land dieser Erde Dollar-Devisen bevorraten, um am Welthandelt teilnehmen und Energie kaufen zu können. Sollte sich aber ein Großteil der Weltgemeinschaft davon verabschieden, wäre der Dollar als Leitwährung obsolet. Die USA könnten sich nicht mehr verschulden, ihr Hegemonie wäre am Ende. Desweiteren sitzt die Ukraine mWn auf Rohstoffen iHv knapp 7 Billionen Dollar (Seltene Erden, Gas, Weizen usw.). Putin will verhindern, dass sich der Westen den Zugang dazu sichert. Dieser Neokolonialismus spiegelt sich auch in Afrika wieder, wo die Russen, Chinesen und die EU immer aktiver werden.

Letztlich musst jeder Staat, jede imperiale Macht, aufgrund der kapitalistischen Sachzwänge alles daran setzen, die optimalen Verwertungsbedingungen für ihre Kapitalien zu schaffen. Und da wird alles in den narrativen Ring geworfen, um das irgendwie zu rechtfertigen ("Westliche Werte", Rassismus, Kuluralismus etc.pp.).

Abschließend:

Es gab noch NIE einen "echten" kommunistischen Staat. Der würde nämlich ohne Arbeitszwang, Wertverwertung, Profit, Geld und Wachstumszwang auskommen. Alle Ostblockstaaten waren staatskapitalistische Gebilde. Der Unterschied bestand lediglich in der Organisation der Verwertung der Abreitskraft (hier zentralistisch, im Westen marktgetrieben). Der Staatskapitalismus war weniger effizient in der Kapitalakkumulation als der Marktkapitalismus des Westen, DESWEGEN ist der Ostblock untergegangen. Wobei ich sagen muss, dass der Ostblock ideologisch ("Sozialismus") auf dem besseren Weg war, weil ja immerhin in eine Richtung von Weltvorstellung geschielt wurde, die wirklich frei vom Kapitalismus sein sollte.
 
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Woodstock

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Diese antiserbischen Propagandaexzesse/Spannungen auf dem Balkan sind allgemein bekannt. Aber dass Ö/U "niemals auf das Deutsche Reich" gehört hätte, halte ich für ein klares Fehlurteil.
Sie haben darauf gehört den Krieg nicht ohne Grund zu beginnen und das Attentat, hätten sie nicht als Grund hätten gelten lassen müssen aber sie wollten es. Ö/U wollte diesen Krieg, es hätte ihn gegeben und Deutschland hätte das nicht verhindern können. Ähnlich wie die 100.000 Mann vor der ukrainischen Grenze Krieg bedeutet haben
(irgendwie müssen wir wieder zum Thema zurück :squint:)

Das Auswärtige Amt vertrat noch bis 4. Juli die Meinung, dass Österreich keine demütigenden Forderungen an Serbien stellen solle.
Das meinte ich, Ö/U hat Serbien im Prinzip in den Krieg provoziert, egal was das Deutsche Reich gesagt hätte.
Das alles klingt für mich nicht nach "historischen Gesetzmäßigkeiten", seien sie nun marxistisch oder sonstwie definierbar.
Es klingt nach Zufall, nach Chaos, nach Tragik im Sinne der Griechischen Göttersagen... und eben weil wir damit nicht zurechtkommen, brauchen wir offenbar andere Narrative.
Technik die wir nicht verstehen, erscheint wie Magie. Zusammenhänge die wir nicht nachvollziehen können, erscheinen wie Chaos.
 

Duncan

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Sie haben darauf gehört den Krieg nicht ohne Grund zu beginnen und das Attentat, hätten sie nicht als Grund hätten gelten lassen müssen aber sie wollten es. Ö/U wollte diesen Krieg, es hätte ihn gegeben und Deutschland hätte das nicht verhindern können. Ähnlich wie die 100.000 Mann vor der ukrainischen Grenze Krieg bedeutet haben
(irgendwie müssen wir wieder zum Thema zurück :squint:)

Ich bin nicht überzeugt und denke schon, dass es vorerst keinen Krieg gegeben hätte, wenn das Dt. Auswärtige Amt bei seiner Haltung geblieben wäre. Aber yep, ich denke auch dass das Ukraine-Problem gerade dringlicher ist.

Zusammenhänge die wir nicht nachvollziehen können, erscheinen wie Chaos.

A propos Chaos: verstehst Du den letzten Beitrag von Hi'Pat'Bateman? Deine Antwort an IHN soll jetzt eine Antwort an mich sein? :confused:

Aber egal. Wahrscheinlich marxistische Neodialektik... 😅

EDIT: Nope, es war erst Zitat posten, dann nachträglich Antwort auf das Zitat - sollte man besser vermeiden.
 
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Hi'Pat'Bateman

Well-Known Member
Ich bin nicht überzeugt und denke schon, dass es vorerst keinen Krieg gegeben hätte, wenn das Dt. Auswärtige Amt bei seiner Haltung geblieben wäre. Aber yep, ich denke auch dass das Ukraine-Problem gerade dringlicher ist.



A propos Chaos: verstehst Du den letzten Beitrag von Hi'Pat'Bateman? Deine Antwort an IHN soll jetzt eine Antwort an mich sein? :confused:

Aber egal. Wahrscheinlich marxistische Neodialektik... 😅

EDIT: Nope, es war erst Zitat posten, dann nachträglich Antwort auf das Zitat - sollte man besser vermeiden.
Ich hatte mich explizit auf die Aussage von Woodstock bezogen. Es ging ja in den letzten Posts um Kapitaliamus etc. Daher der Aufhänger. Und mehrere Posts zu zitieren war mir zu aufwändig.

Im Übrigen will ich eure Diskussion nicht schlecht reden. Natürlich können sich staatliche Akteure situativ entscheiden (zB Sprengt man Nordstream in die Luft oder nicht? Erschieße ich den Thronerben oder nicht?).

Aber die Leitplanken, die Sachzwänge, sind immer die kapitalistischen. Der Fluchtpunkt bzw das Ziel ist immer die Profitmaximierung.
 

Woodstock

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Ich hatte mich explizit auf die Aussage von Woodstock bezogen. Es ging ja in den letzten Posts um Kapitaliamus etc. Daher der Aufhänger. Und mehrere Posts zu zitieren war mir zu aufwändig.
So viel zu
Na dann freue ich mich auf die Diskussion. Beim Thema Profit bleibe ich hartnäckig:
Aber die Leitplanken, die Sachzwänge, sind immer die kapitalistischen. Der Fluchtpunkt bzw das Ziel ist immer die Profitmaximierung.
Von allem, was ich bisher gelesen habe, ziehst du alle deine Informationen aus nur einer Quelle. Das ist so ziemlich das Schlimmste, was man in der historischen Forschung machen kann.
Ich bin nicht überzeugt und denke schon, dass es vorerst keinen Krieg gegeben hätte, wenn das Dt. Auswärtige Amt bei seiner Haltung geblieben wäre.
Das hätte es gar nicht können, da der deutsche Kaiser den Krieg wollte und die höchste Autorität gewesen ist. Der Krieg war unausweichlich, wenn es nicht das Attentat ausgelöst hätte, wäre es irgendwas anderes gewesen.
 

Duncan

Well-Known Member
Ich hatte mich explizit auf die Aussage von Woodstock bezogen.
Gut, und das mit dem Zitat und Antwort gleichzeitig posten, statt zeitlich getrennt, üben wir bitte noch einmal. Vermeidet unnötige Verwirrung.

Aber zurück zur eigentlichen Diskussion. Was mich sowohl an Batemans als auch Woodstocks Argumentationsweise/Weltsicht stört ist dieses starke insistieren auf historisch unumgehbaren Gesetzmäßigkeiten und daraus ableitbaren "Zielen" der Geschichte. Wenn Bateman schreibt...
die Leitplanken, die Sachzwänge, sind immer die kapitalistischen. Der Fluchtpunkt bzw das Ziel ist immer die Profitmaximierung.
und Woodstock schreibt...
Alles aber auch alles was sie tun, unabhängig von Herrscher oder System dient diesen Zielen. Das sind die historischen fixen Dauerbrenner aller dieser Länder.

... dann hat man dieses "Weltmechanismen"-Narrativ immer irgendwie drin, sei es marxistisch, idealistisch oder sonstwie grundiert. Mich macht so eine quasi-mystische Einsicht in höhere Gesetzmäßigkeiten jedenfalls extrem misstrauisch. Ich brauche da schon handfestere Daten, etwa zur demographischen Entwicklung usw.
Ö/U wollte diesen Krieg, es hätte ihn gegeben und Deutschland hätte das nicht verhindern können.

Das ist dann so eine typische Aussage, die sich ergibt. Das Deutsche Reich hätte den Krieg nicht verhindern können, weil Österreich es nun einmal so wollte. Dazu würde ich gerne mal die Meinung der Österreicher hier im Forum hören. Denn nach allem was ich weiß ist kaum eine Armee von der eigenen Bevölkerung damals so verlacht und verspottet worden wie die KuK. Die Vorstellung, dass die alleine, ohne erklärte deutsche Rückendeckung auf Serbien losgehen und sich damit, ebenfalls alleine, einem russischen Angriff aussetzen, halte ich für völlig absurd.

Für valide halte ich einzig das Argument, dass der Kaiser den Krieg wollte und er das Auswärtige Amt ohnehin überstimmt hätte. In dem Wiki-Artikel freilich klingt es wie eine unglückliche Bemerkung, die ihm herausgerutscht ist, und dann eine Art "Kadavergehorsam" im Amt bewirkte.
die historischen fixen Dauerbrenner aller dieser Länder.

Deutschland ist nicht anders. Unser Dauerbrenner lautet, halte den deutschen Bund zusammen und kontrolliere Zentraleuropa und den europäischen Binnenhandel.
Egal was Deutschland gemacht hat, es diente immer diesem einen Ziel.

Wie ich schon anmerkte: da das damalige deutsche Reich einfach als "Zentraleuropa" angesehen werden kann, darf man die Aussage "kontrolliere Zentraleuropa" als überflüssig streichen (denn natürlich machen wir das, solange wir uns selbst kontrollieren). Also ist der deutsche "Dauerbrenner": halte die Nation zusammen und kontrolliere den europäischen Binnenhandel. Das eine kann man idealistisch auslegen, das andere marxistisch. Welches Motiv ist jetzt stärker? Sind beide gleich stark? Lassen sie sich reibungslos ineinander überführen?

Im übrigen ist es auch unlogisch, über die verpasste Chance von Deutschland als kulturelle Großmacht zu trauern, wenn man aufgrund historisch unumgehbarer Gesetze davon ausgeht, dass wir ohnehin von Feinden umzingelt und zum Krieg gezwungen worden wären. Da müsste man dann eher fragen, seit wann genau unser historisches Schicksal besiegelt war.
BTW: eine der wenige Organismen, die in der Natur exponentiell wachsen, ist Krebs. Am Ende stirbt der Wirt. Ein passender Vergleich für den Kapitalismus und unseren Planet als Wirt.

Dies zum Abschluss: auch solche Zuspitzungen sollte man vermeiden. Denn diese Vergleiche Biologie/kulturelle Systeme laufen immer wieder nur auf gefährlichen Unsinn hinaus. Es stimmt auch inhaltlich praktisch nichts an dem, was Du da schreibst, denn die Krankheit Krebs ist kein "Organismus", und es gibt auch keinen "Wirt". Es ist Dein eigenes System, das sich partiell nicht so verhält, wie es sollte, und dich dadurch töten kann, aber nicht muss. Und "exponentiell wachsen" tun etliche Organismen zeitweise, zumindest im Embryonalaufbau, wenn ihre Zellen 1->2->4->8 usw. machen. Organismen regulieren ihr Zellwachstum so hoch und so runter, wie es ihrem Gesamtsystem am besten entspricht. Krebszellen starten sehr oft einfach nur diese Teilungsprogramme aus der Embryogenese wieder. Sie verhalten sich so gesehen dann "natürlich", aber leider zum falschen Zeitpunkt.
 

McKenzie

Unchained
Dazu würde ich gerne mal die Meinung der Österreicher hier im Forum hören. Denn nach allem was ich weiß ist kaum eine Armee von der eigenen Bevölkerung damals so verlacht und verspottet worden wie die KuK.
Ich kann mich nicht mehr gut dran erinnern, ich war zu der Zeit sehr jung :hae:

Ok Scherz beiseite, ich weiß es ehrlich gesagt wirklich nicht ohne wo nachzuschauen.


Es stimmt auch inhaltlich praktisch nichts an dem, was Du da schreibst, denn die Krankheit Krebs ist kein "Organismus", und es gibt auch keinen "Wirt". Es ist Dein eigenes System, das sich partiell nicht so verhält, wie es sollte, und dich dadurch töten kann, aber nicht muss. Und "exponentiell wachsen" tun etliche Organismen zeitweise, zumindest im Embryonalaufbau, wenn ihre Zellen 1->2->4->8 usw. machen. Organismen regulieren ihr Zellwachstum so hoch und so runter, wie es ihrem Gesamtsystem am besten entspricht. Krebszellen starten sehr oft einfach nur diese Teilungsprogramme aus der Embryogenese wieder. Sie verhalten sich so gesehen dann "natürlich", aber leider zum falschen Zeitpunkt.
Jo, gut gesagt.
 

Woodstock

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Gut, und das mit dem Zitat und Antwort gleichzeitig posten, statt zeitlich getrennt, üben wir bitte noch einmal. Vermeidet unnötige Verwirrung.

Aber zurück zur eigentlichen Diskussion. Was mich sowohl an Batemans als auch Woodstocks Argumentationsweise/Weltsicht stört ist dieses starke insistieren auf historisch unumgehbaren Gesetzmäßigkeiten und daraus ableitbaren "Zielen" der Geschichte. Wenn Bateman schreibt...

und Woodstock schreibt...


... dann hat man dieses "Weltmechanismen"-Narrativ immer irgendwie drin, sei es marxistisch, idealistisch oder sonstwie grundiert. Mich macht so eine quasi-mystische Einsicht in höhere Gesetzmäßigkeiten jedenfalls extrem misstrauisch. Ich brauche da schon handfestere Daten, etwa zur demographischen Entwicklung usw.
Ich denke, ich werde falsch verstanden und ich versuche, das mal aufzuklären. Ich hoffe, es gelingt mir.

Zunächst mal, habe ich hier im Thread schon sehr viel zur demographischen Entwicklung mancher Länder geschrieben. Ich verlasse mich durchaus auf eine Fülle von Daten und Quellen.

Ich spreche auch zu keiner Zeit von irgendwelchen mythische oder höhere Gesetzmäßigkeiten und hatte auch nicht vor es so klingen zu lassen.

Ich versuche dieses Missverständnis mal aufzuklären. Während der Corona Pandemie, gab es in den Medien immer wieder Ländervergleich. Man hat sich gefragt, warum Deutschland nicht den Schwedenweg ging, warum Großbritannien so kämpfen musste aber Taiwan und Südkorea nicht etc. Das gab es dann viel Kritik und Augenrollen. Was viele allerdings nicht verstanden haben ist, dass Ländervergleiche aus vielen Gründen keinen Sinn ergeben. Kultur, Klima, Geschichte, Bevölkerungsgröße, Handelsrouten, Ballungszentren etc. eines jeden Landes spielen eine Rolle. Darunter auch die geographische Lage. Durch all diese Faktoren haben Länder unterschiedliche Probleme und Prioritäten. Aber auch ihre individuelle Art und Weise ihre umliegende Welt wahrzunehmen.

Trotz wechselnder Herrscher bleiben aber viele dieser Probleme und Prioritäten gleich. Finnland wird immer eine problematische Grenze zu Russland haben, England hat immer den Vorteil eine Insel zu sein, Deutschland wird immer in Zentraleuropa liegen. Die Geographie bestimmt viele Prioritäten und Probleme eines Landes. Die vorangegange Geschichte ebenfalls. Deutschland war immer das Bindeglied zwischen dem Balkan und Russland, den imperialen Großmächten England und Frankreich, dem konkurriende andere deutschsprachigen Reich Österreich und den skandinavischen Staten im Norden. Dadurch hatte Deutschland für alle diese Länder einen gewissen strategischen und wirtschafltichen Stellenwert. Deutschland war dadurch, heute wie auch in seiner Vergangenheit, immer in einer, nicht nur geogrpahischen, zentralen Rolle in Europa. Es war Pulverfass für Veränderungen, gerade weil es so vielen Einflüssen ausgesetzt war, die ganz automatisch durch den Binnehandel gekommen sind. Und dieser Binnenhandel sorgte auch stets für einen gewissen Wohlstand, der wiederum Macht und eigenen Einfluss erzeugte, was nicht allen gefallen hat. Diese Stellung zu erhalten war nicht leicht und durch die Trennung in damals bis zu 38 Kleinstaaten kam den umliegenden Mächten ganz recht aber den größeren deutschen Herrschern war es ein Unding. Die Bestrebungen zu einer Nation zusammenzufinden, waren lang und anstregend. Die müssen wir nicht im Detail durchkauen aber als sie es geschafft haben, befanden sie sich halt trotzdem noch in ihrer geographischen, wirtschaftlichen und politischen Ausgangslage.

Das nur mal als Beispiel. Wenn ich sage, dass diese Ausgangslagen und grundsätzlichen Faktoren eines Landes dessen Probleme, Prioritäten und damit auch dessen Politik bestimmt haben, dann ist das keine mythische oder höhere Gesetzmäßigkeit. Es ist einfach eine logische Schlussfolgerung. Es gibt gewisse Faktoren die sich nicht ändern lassen, mit denen man sich befassen muss und die Ziele des Landes definieren, unabhängig davon, ob die Regierung rechts, links, monarchisch oder demokratisch ist. Mancher Scheiss bleibt einfach haften wie Kacke am Schuh.

Aber die Formulierung "historische Fixpunkte" ist eine schwierige Aussage, dass gestehe ich ein und in einer wissenschaftlichen Arbeit hätte ich sie nicht getätigt :squint:

Das ist dann so eine typische Aussage, die sich ergibt. Das Deutsche Reich hätte den Krieg nicht verhindern können, weil Österreich es nun einmal so wollte. Dazu würde ich gerne mal die Meinung der Österreicher hier im Forum hören.
Die haben glaub die gleichen Geschichtsbücher (eine Aussage die ich bei US-Amerikanern vielleicht schon nicht mehr machen würde) aber ja, die Meinung würde mich auch interessen.
Denn nach allem was ich weiß ist kaum eine Armee von der eigenen Bevölkerung damals so verlacht und verspottet worden wie die KuK. Die Vorstellung, dass die alleine, ohne erklärte deutsche Rückendeckung auf Serbien losgehen und sich damit, ebenfalls alleine, einem russischen Angriff aussetzen, halte ich für völlig absurd.
Absolut richtig. Es wäre totaler Wahnsinn. Jetzt im Nachhinein, wissen wir das alle. Volle Zustimmung. Ö/U wurde aber nicht klug regiert. Das Land war das nationale Äquivalent eines felllosen, immerdurch zitternden Chihuahua, bei dem man glaubt, dass er jede Sekunde tot umfällt, da sein eigener Körper einfach auseinanderfällt. In jeder Region herrschten Spannugen, überall waren Völker die nicht miteinander konnten und kaum einer mochte die Österreicher und dann wollen die mit Serbien noch ein Volk, dass einfach nicht will. Das war absoluter Wahnsinn und hätte nie funktionieren können. Aber wenn Ö/U das besser gewusst hätten, hätten sie niemals eine solche Propagandekampagne gestartet. Die Herrscher des Landes wollten Serbien und sie haben sich, trotz der Bedenken des Deutschen Reiches, langsam in eine politische Position gebracht, die einen Krieg erzwungen hätte. Als würdest du mit einem Schlagstock in der Tasche absichtlich in eine NoGo-Zone gehen, und warten angegriffen zu werden, damit du endlich draufhauen darfst. Am Ende kannst du sagen, der andere hat angefangen (geht übrigens vorm deutschen Recht nicht als Notwehr durch. Ist nur ein Gleichniss :squint:).

Das ist vollkommen absurd, da gebe ich dir recht. Ob sie das ohne Bündnis zum Deutschen Reich gemacht hätten, kann dir niemand mit hundertprozentiger Garantie sagen. Das Bündnis hatten sie aber nun mal und sie haben sich in diese Position gebracht. Mit jedem anderen Gedanken befinden wir uns in der alternativen Geschichte und, obwohl das sehr spannend ist, gehen die Diskussionen darüber selten irgendwo hin. :squint:
Für valide halte ich einzig das Argument, dass der Kaiser den Krieg wollte und er das Auswärtige Amt ohnehin überstimmt hätte. In dem Wiki-Artikel freilich klingt es wie eine unglückliche Bemerkung, die ihm herausgerutscht ist, und dann eine Art "Kadavergehorsam" im Amt bewirkte.
Mag so klingen, gebe ich zu und er haute auch ab und an bedenkliche Formulierungen raus (also sogar für damalie Maßstäbe bedenklich) aber wenn man den damaligen deutschen Kaiser mal genau unter die Lupe nimmt, stellt man fest, dass der Mann viele Komplexe hatte und nicht gerade das beste Pferd im Stall war. Er hat sich schon damals nicht durch die besten und klügsten Aussagen berühmt gemacht. In seiner Familie war er eine Lachnummer (besonders auf der britischen Seite), seine Eltern waren distanziert und kalt ( auch ein Grund, warum er die eher libearlen Ansichten der Mutter nicht übernommen hatte), der linke Arm war verkrüppelt und Reiten bereitete ihm große Schmerzen. Der militärische Oberbefehlshaber kann nicht reiten, ein Imageproblem. er wurde durch all das egozentrisch, impulsiv und man streitet bis heute, ob er manisch deppressiv war. Man weiß, er war oft melancholisch. Er hatte dadurch ein starkes Geltungsbewusstsein. Zudem war er ein stolzer Bewunderer der preußischen Militärtradition und war vernahrt in die Marine (wahrscheinlich auch aufgrund seiner Familiengeschichte mit dem englischen Königshaus und dessen Marine) und wollte seinen "Platz an der Sonne" (wirtschaflich wie, auch militärisch), um endlich allen zu zeigen, dass er jemand ist. Wenn man diese Aussage dann nochmal liest, ergibt sich, finde ich, ein anderes Bild. Er hatte endlich die Chance zu zeigen, was sein Reich kann.
Wie ich schon anmerkte: da das damalige deutsche Reich einfach als "Zentraleuropa" angesehen werden kann, darf man die Aussage "kontrolliere Zentraleuropa" als überflüssig streichen (denn natürlich machen wir das, solange wir uns selbst kontrollieren). Also ist der deutsche "Dauerbrenner": halte die Nation zusammen und kontrolliere den europäischen Binnenhandel.
Das war alles nicht so selbstverständlich. Z.B. waren nicht alle deutschen Fürsten so begeistert davon sich unterzuordnen. Es gab auch lange den Streit, ob man sich Österreich oder Preußen anschließt. Allein diese Entscheidung hätte die Kontrolle in Zentraleuropa komplett verschoben und damit auch den Handel und die Kontrolle über die Binnenschifffahrt. Selbst nachdem der preußische König zum Kaiser ernannt wurde, war z.B. die Armee noch immer unterteilt in bayrisches Regiment so und so und erste schwäbische usw. Das war kein fester, sondern eher ein wackliger Bund. Eine Zweckgemeinschaft, wenn man so will. Die Kooperation wurde teuer erkauft, hauptsächlich durch Blut. Preußen schaffte es auch nur die Deutschen durch militärische Einigkeit gegen Österreich und dann gegen Frankreich zu binden.
Das eine kann man idealistisch auslegen, das andere marxistisch. Welches Motiv ist jetzt stärker? Sind beide gleich stark? Lassen sie sich reibungslos ineinander überführen?
Ich hoffe, ich konnte nun klarstellen, dass ich keine idealistische Motivation habe. Mir geht es nur um historisch belegbare Fakten und Daten und diese im historischen Konsens zu interpretieren. So wie ich es gelernt habe.
Im übrigen ist es auch unlogisch, über die verpasste Chance von Deutschland als kulturelle Großmacht zu trauern, wenn man aufgrund historisch unumgehbarer Gesetze davon ausgeht, dass wir ohnehin von Feinden umzingelt und zum Krieg gezwungen worden wären. Da müsste man dann eher fragen, seit wann genau unser historisches Schicksal besiegelt war.
Vielleicht wurde die Frage schon beantwortet, vielleicht auch nicht. Das mit der kulturellen Großmacht ist nicht komplett abwegig. Unter Wilhelm II war nicht alles rückständig, ganz im Gegenteil. Er war nicht ganz blöd und brachte viele Veränderungen ins Reich. Er war begeistert von den Wissenschaften, allgemein von Technologie und war für den Fortschritt. Seine Sozialpolitik war vergleichsweise modern. Er hat sogar versucht ethnische Minderheiten zu einen und insgesamt innenpolitisch mehr Stabilität und Bildung in das Reich zu bringen. Es gab eine Chance.

Allerdings wollte er die mlitärische Disziplin auch gerne in die zivilie Gesellschaft tragen und war vernahrt in die Waffentechnologie und das Soldatentum.

Er fuhr lange Zeit zweigleißig was seine Prioritäten und Vorlieben anging aber das Reich hat sich immer zu in kleinere Scharmützel und Konflitke reinziehen lassen, die langsam aber sicher die einzelnen, europäischen Fronten gefestigt haben. Bündnisse schmeideten sich und es wurde immer klarer wohin der Weg geht. Aber es war nicht zu jeder Zeit in Stein gemeißelt, dass es so kommen musste. Wilhelm II war eine komplexe, zwiegespaltene Persönlichkeit. Er wurde von der Familie nicht akzeptiert, er durfte nie ein richtiges Kind sein, jeder zog ihn in eine andere Richtung und er musste früh für den Thron fit gemacht werden, da sein Vater krank war. Die Ausbildung war übereilt. Er war einfach nicht bereit. Weder als Kaisier, noch als Mensch für so eine Verantwortung. Damit will ich nichts entschuldigen abe es erklärt viel.

Jetzt im Nachinein betrachtet, erscheint die Bezeichnung "kulturelle Großmacht" unlogisch aber ich versuche Geschichte auch immer aus dem Blickwinkel der Leute on damals zu sehen. Mit unserem heutigen Wissen fällt es uns immer leicht zu irgendwelchen Urteilen zu kommen. Aber so wie wir nicht wissen, wohin unsere Reise gehen wird, wussten die Leute es damals auch nicht. Manche Lektionen und Zusammenhänge aus der geschichte erscheinen uns heute selbstverständlich und wir fragen uns, warum sie so dumm handeln konnten aber wir haben dieses Wissen, da diese Menschen damals diese Fehler gemacht haben. Sie hatten diesen Vorteil nicht.
Hier und da der richtige Einfluss, da ein nettes Wort oder irgendwo eine andere Entwicklung und es hätte alles anders sein können. Aber da sind wir wieder in der alternativen Geschichte. :squint:
Dies zum Abschluss: auch solche Zuspitzungen sollte man vermeiden. Denn diese Vergleiche Biologie/kulturelle Systeme laufen immer wieder nur auf gefährlichen Unsinn hinaus. Es stimmt auch inhaltlich praktisch nichts an dem, was Du da schreibst, denn die Krankheit Krebs ist kein "Organismus", und es gibt auch keinen "Wirt". Es ist Dein eigenes System, das sich partiell nicht so verhält, wie es sollte, und dich dadurch töten kann, aber nicht muss. Und "exponentiell wachsen" tun etliche Organismen zeitweise, zumindest im Embryonalaufbau, wenn ihre Zellen 1->2->4->8 usw. machen. Organismen regulieren ihr Zellwachstum so hoch und so runter, wie es ihrem Gesamtsystem am besten entspricht. Krebszellen starten sehr oft einfach nur diese Teilungsprogramme aus der Embryogenese wieder. Sie verhalten sich so gesehen dann "natürlich", aber leider zum falschen Zeitpunkt.
Volle Zustimmung.

Jetzt aber zurück zum Thema :squint:
 

Hi'Pat'Bateman

Well-Known Member
Dies zum Abschluss: auch solche Zuspitzungen sollte man vermeiden. Denn diese Vergleiche Biologie/kulturelle Systeme laufen immer wieder nur auf gefährlichen Unsinn hinaus. Es stimmt auch inhaltlich praktisch nichts an dem, was Du da schreibst, denn die Krankheit Krebs ist kein "Organismus", und es gibt auch keinen "Wirt". Es ist Dein eigenes System, das sich partiell nicht so verhält, wie es sollte, und dich dadurch töten kann, aber nicht muss. Und "exponentiell wachsen" tun etliche Organismen zeitweise, zumindest im Embryonalaufbau, wenn ihre Zellen 1->2->4->8 usw. machen. Organismen regulieren ihr Zellwachstum so hoch und so runter, wie es ihrem Gesamtsystem am besten entspricht. Krebszellen starten sehr oft einfach nur diese Teilungsprogramme aus der Embryogenese wieder. Sie verhalten sich so gesehen dann "natürlich", aber leider zum falschen Zeitpunkt.
Krebs ist organisch (ich habe das Wort "Organismus" gebraucht, um den Kapitalismus als etwas "fassbares" zu subjektivieren) und wächst exponentiell. Das mit dem Wirt stimmt natürlich - es sollte nur die Drastik veranschaulichen. Trotzdem ist das Beispiel so untreffend nicht. Geht man von Richard Dawkins Theorie der Memetik aus, könnte man den Kapitalismus durchaus als "soziokulturelles Krebsgeschwür" bezeichnen(ein Mem, dass mutiert und bösartig geworden ist, wenn man so will). Denn ganz offensichtlich ist es ja nicht naturwissenschaftlich, sondern ein ideologisches Konstrukut, dass die Menschen beherrscht, das die Menschen aber nicht beherrschen. Und das in letzter Konsequenz zur eigenen Auslöschung führt.

Und natürlich gibt es in der Natur exponentielles Wachstum - aber immer mit Selbstregulation! Alles andere könnte sich evolutionsbiolgisch gar nicht durchsetzen.

@Woodstock

Dass dir postmarxisitsche Strömung der "Wertkritik" nicht viel sagt, liegt auch daran, dass sie a) recht jung ist (Ende der 80er entstanden) und b) innerhalb der linken Szenen aus ideologischen (oftmals querfrontlerischen) Gründen ein Schattendasein fristet. Die Linke versucht immernoch dem Irrsinn eines Arbeiterbewegungsmarxismus in Realität umzusetzen (starke Löhne, Gewerkschaft, usw.). Das Vorhaben blamiert sich aber mit jedem Krisenschub immer mehr an seiner eigene Ideologie.

Zum Thema Wissenschaftlichkeit:

Da die Wertkritk noch nicht im Mainstream angekommen ist (wobei ich erfreulicherweise immer mehr Ansätze in der radikalen Öko-Bewegungen feststellen kann), gibt es dazu auch keinen "Module" oder "Lehrbücher". Was es glücklicherweise gibt, sind Bücher und Aufsätze von diversen Autoren aus der wertkritischen Szene, die ich gerade dir mit deinem offenbar großen historischen Wissensschatz (ausgebildeter Politologe?) ans Herz lege:

https://www.amazon.de/Schwarzbuch-Kapitalismus-Abgesang-Marktwirtschaft-Ullstein/dp/3548363083/ref=sr_1_1?keywords=schwarzbuch+kapitalismus&qid=1676728721&sprefix=Schwarzbuch+Ka,aps,557&sr=8-1

https://www.amazon.de/gp/product/B098DCW1SW/ref=dbs_a_def_rwt_hsch_vapi_tkin_p1_i3

https://www.amazon.de/Die-große-Entwertung-Spekulation-Staatsverschuldung-ebook/dp/B07K9DND5L/ref=sr_1_1?keywords=die+große+entwertung&qid=1676728778&s=digital-text&sprefix=Die+große+entwer,digital-text,127&sr=1-1

https://www.amazon.de/Aufstieg-Zerfall-Deutschen-Europa-Tomasz/dp/3897715910/ref=sr_1_5?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&crid=2QMTTO922HQMS&keywords=Konicz&qid=1676728805&s=digital-text&sprefix=konicz,digital-text,137&sr=1-5-catcorr

https://www.amazon.de/Klimakiller-Kapital-Wirtschaftssystem-Lebensgrundlagen-zerstört/dp/3854766920/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&crid=2QMTTO922HQMS&keywords=Konicz&qid=1676728805&s=digital-text&sprefix=konicz,digital-text,137&sr=1-1-catcorr

Wenn du es besonders wissenschatlich möchtest, dann empfehle ich zum Einstieg "Die große Entwertung" von Lohof/Trenkle. Eine ausgezeichnete Arbeit über die inneren Widersprüche der kapitalistischen Logik. Und immer auch eine gesellschaftspolitische und historische Abhandlung, denn das kapitalistische Weltsystem hat sich ja nicht im luftleeren Raum entwickelt.

Achja, und nicht zu vergessen ist da natürlich noch die Weltsystemanalyse von Immanuel Wallerstein , die ebenfalls in die wertkritische Analyse eingeht:

https://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Wallerstein

Online lässt sich natürlich auch etliches an Beiträge, Essays, Analysen usw. dazu finden:

https://www.krisis.org/

https://www.exit-online.org/

https://www.konicz.info/

Die Artikel von Tomasz Konicz schätze ich über alle Maßen, weil er es versteht, die doch sehr komplexe Thematik in seinen Beiträgen und Artikeln überaus fassbar zu vermitteln. Wer einen leichten Zugang zur Wertkritik haben will, dem kann ich seine Artikel empfehlen.

Abschließend noch zur Wissenschaftlichkeit:

Im Master-Studium (bin Wirt-Ing) bestand die Prüfung in Wirtschaftspolitik in einer Analyse zum Thema "Die Staatsschuldenkrise Griechenlands - Ursachen der Krise, Verlauf und Konsequenzen für den Euro, die EWWU und den deutschen Export" --> dabei war meine Hauptquelle das Buch "Aufstieg und Zerfall des Deutschen Europa" (s.o.) mit einer 1,3 als Ergebnis. So unwissenschaftlich kann die Wertkritik also nicht sein ;-)
 
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Woodstock

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Krebs ist organisch (ich habe das Wort "Organismus" gebraucht, um den Kapitalismus als etwas "fassbares" zu subjektivieren) und wächst exponentiell. Das mit dem Wirt stimmt natürlich - es sollte nur die Drastik veranschaulichen. Trotzdem ist das Beispiel so untreffend nicht. Geht man von Richard Dawkins Theorie der Memetik aus, könnte man den Kapitalismus durchaus als "soziokulturelles Krebsgeschwür" bezeichnen(ein Mem, dass mutiert und bösartig geworden ist, wenn man so will). Denn ganz offensichtlich ist es ja nicht naturwissenschaftlich, sondern ein ideologisches Konstrukut, dass die Menschen beherrscht, das die Menschen aber nicht beherrschen. Und das in letzter Konsequenz zur eigenen Auslöschung führt.
Dann löst sich das Problem doch von selbst, schön. :biggrin:
Und natürlich gibt es in der Natur exponentielles Wachstum - aber immer mit Selbstregulation! Alles andere könnte sich evolutionsbiolgisch gar nicht durchsetzen.

@Woodstock

Dass dir postmarxisitsche Strömung der "Wertkritik" nicht viel sagt,[...]
Ich finde es wirklich angenehm (nicht), dass du, anstatt auch nur ansatzweise zu versuchen, auf meine Beiträge einzugehen, du automatisch davon ausgehst, dass ich keine Ahnung habe. Daraufhin schlägst du mir lauter Bücher und Quellen aus deiner Bubble vor, welche deine einseitige Weltanschauung unterstützen. Schon beim ersten Blick auf die Autoren der Bücher und der Webseiten ist es klar zu erkennen, dass du die Gedanken der immer gleichen Autoren wiederkäust. Das sagt mir als ausgebildeter Anthropologe (mit interdisziplinärer Ausrichtung - da meine Ausbildung anscheinend plötzlich wichtig ist), dass du deren Ansichten nie kritisch betrachtet hast und keine konsequente Quellenkritik betrieben hast.

Zudem habe ich oftmals bemerken müssen, dass die schlimmsten Historiker, Wirtschaftswissenschaftler, Militärs, Politiker, Ärzte, Genetiker usw. im Prinzip alle sind, welche die Geschichte aus dem Blickwinkel ihres eigenen Faches betrachten und diese Ergebnisse und Thesen nie kritisch auf ihre Validität überprüfen. Wie sollten sie das auch? Sie haben nie richtig gelernt, wie man das macht. Das führt zu einseitigen Interpretationen und einem mangelnden Verständnis für das große Ganze. Ganz abgesehen davon, dass es oftmals einfach falsch ist.

Ich werde es noch einmal wiederholen. Das wirtschaftliche Bestreben eines Landes ist immer relevant, aber es ist selten der einzige Grund für ein Ereignis. Es ist nicht ratsam, Ereignisse auf eine Ursache herunterzubrechen, da der Mensch allein schon ein komplexes Wesen ist und dadurch die Beweggründe für seine Taten und Entscheidungen nie auf nur eine Ursache zurückzuführen sind. Da du das kategorisch ignorierst, auf nichts eingehst und die ganze Zeit die gleiche Platte abspielst, sehe ich hier keinen Grund weiterzumachen.
Im Master-Studium (bin Wirt-Ing) bestand die Prüfung in Wirtschaftspolitik in einer Analyse zum Thema "Die Staatsschuldenkrise Griechenlands - Ursachen der Krise, Verlauf und Konsequenzen für den Euro, die EWWU und den deutschen Export" --> dabei war meine Hauptquelle das Buch "Aufstieg und Zerfall des Deutschen Europa" (s.o.) mit einer 1,3 als Ergebnis. So unwissenschaftlich kann die Wertkritik also nicht sein ;-)
Ich kannte mal einen renommierten Professor der Politikwissenschaften, welcher davon überzeugt war, dass die Tower am 11. September von der CIA gesprengt wurden. Außerdem behauptete er, dass die Demonstranten am Maidan alles Amerikaner gewesen sind und hielt das russische Referendum auf der Krim für legitim. Ein anderer Professor war der Meinung, dass die Pest nicht existierte und der Schwarze Tod nur die Pocken waren. In dem politikwissenschaftlichen Institut in meiner Nähe (ich möchte vermeiden, Namen und Orte zu nennen), wurde jede USA-kritische Arbeit mindestens eine Note schlechter bewertet. Das Institut hing mit dem deutsch-amerikanischen Institut zusammen. Verzeih mir, wenn ich nicht sehr viel auf Noten gebe. Diese Akademiker waren, trotz ihrer Überzeugungen, Professoren. Gerade, weil sie gute Noten hatten und nicht weil sie recht hatten. Es interessiert mich als nicht, welche Note du hast, sondern deine Ergebnisse und wie du dort hingekommen bist.

Um nachvollziehen zu können, wie deine Note zustande gekommen ist, müsste ich also deine Arbeit lesen, dein Institut kennen und deine Prüfer*innen. Ansonsten beweist mir deine 1,3 gar nichts, außer dass du etwas auf Autoritätsbeweise gibts und einen guten Masterabschluss hast (Herzlichen Glückwunsch - ganz ehrlich). Ich habe tatsächlich gedacht, dass du bisher nur das Abitur hast oder zumindest noch nicht studiert bist. Das wäre auch überhaupt nicht schlimm gewesen, aber es erklärt vielleicht, warum ich dein historisches Interesse gelobt habe und dir Tipps gegeben habe, wie du dein Wissen ausbauen kannst. Das kam also nicht aus einem Anflug von Überheblichkeit meinerseits, sondern beruht einfach auf einem Missverständnis bzgl. deines Bildungsstandes. Sollte das jetzt schroff klingen, dann nur, weil ich diesen Zwinker-Smilie für arrogant und hassenswert finde. Das konntest du allerdings nicht wissen, weswegen ich dir nichts unterstellen möchte. :squint:

Aber jetzt überrascht es mich umso mehr, dass du uns solche Quellen vorlegst und uns so aggressiv versuchst zu bekehren. Wenn ich in meinen historischen Arbeiten solche schwammigen und einseitigen Texte als Hauptquellen vorgelegt hätte, ohne sie kritisch auseinanderzunehmen, sondern als Bestätigung meiner These, hätte ich eine Fünf bekommen. Und das aus guten Grund.

Und ja, Historiker*innen sind verdammt anspruchsvoll. Ein elitärer Haufen, der selten andere Disziplinen für voll nimmt, wenn sie in ihrem Gebiet wildern. Das führt dazu, dass Genetiker, Wirtschaftswissenschaftler usw, ihre Daten selbst historisch deuten und dabei häufig Mist bauen. Darum bin ich interdisziplinär aufgestellt. Diese Engstirnigkeit ging mir irgendwann auf den Keks. Ich behaupte nicht immer recht zu haben. Ich bin sehr wohl zu überzeugen und möchte auch überzeugt werden, aber ich hasse es, wenn mein Gegenüber auf seiner Meinung beharrt und nicht weichen möchte, obwohl seine Argumentation nirgendwo hinführt. Das ist unwissenschaftlich.
"Wissen Sie, es gibt einen Grund, warum Sie Doktorand sind und ich Professor."
"Ja, ihr Alter."
Es gibt in manchen Disziplinen so viele offene Fragestellungen, welche durch andere Disziplinen beantwortet wurden, aber da niemand die Artikel der jeweils anderen liest, fällt es keinem auf. Auf solche Umstände hinzuweisen führt allerdings dazu, dass man aneckt. Nicht nur, weil es kaum interdisziplinäre Akademiker gibt, sondern weil man die Thesen und Meinungen von renommierten Akademikern herausfordert und nicht selten dabei recht hat oder zumindest eine neue Denkweise reinbringt, welche neue Fragen aufwirft. Das ist spannend. :smile:


Und nun bitte zurück zur Ukraine.

Anscheinend, aber ich konnte noch keine neutrale und verlässliche Quelle dafür finden, werden in Europa ukrainische Piloten am Eurofighter ausgebildet. Das würde nicht passieren, wenn die Kampfjet-Debatte bereits zu Ende wäre. Die Briten werden wohl weich. Die Polen liefern anscheinend ihre restlichen MIGs. Umso wichtiger ist es jetzt, dass Deutschland keine Eurofighter liefert. Wir haben zwar die größte Luftflotte dieser Maschinen, aber diese ist in Osteuropa verteilt. Unter anderen in Estland. Mit dem Ausfall der polnischen Maschinen wäre diese Flanke geöffnet.

Die Ukraine wollen aber lieber F-16. Das ergibt Sinn, die F-16 ist zwar ein Multitool, aber in der Rolle als Bomber am besten einzusetzen und gerade hier mangelt es der ukrainischen Luftwaffe. Ihre verblieben Su-25 horten sie wie einen Schatz, was natürlich dafür sorgt, dass sie nicht so häufig eingesetzt werden, wie sie sollten. Was weg ist, ist weg.

Warum will die westliche Koalition, wenn überhaupt, eher über Abfangjäger sprechen und nicht über Bomber? Weil sie mit Bombern innerhalb Russlands Ziele angreifen könnten. Abfangjäger dienen mehr der Verteidigung. Das Ziel des Westens ist, es, die Ukraine zu verteidigen und dabei die russische Armee aufzureiben, sodass sie für die nächsten 20 bis 30 Jahre nicht mehr kriegsbereit ist. Dabei wollen sie aber nicht versehentliche den dritten Weltkrieg auslösen, wenn westliche Bomber Ziele im russischen Festland angreifen.

Es ist kein Zufall, dass aktuell so viele russischen Maschinen über die Grenze fliegen und die Bereitschaft der europäischen Luftstreitkräfte testen. Die Botschaft ist klar: "Wir könnten jederzeit euren Luftraum überfallen. Wäre doch schade, wenn eure Jets nicht da wären und wir freie Bahn hätten."
 

Duncan

Well-Known Member
Was viele allerdings nicht verstanden haben ist, dass Ländervergleiche aus vielen Gründen keinen Sinn ergeben. Kultur, Klima, Geschichte, Bevölkerungsgröße, Handelsrouten, Ballungszentren etc. eines jeden Landes spielen eine Rolle. Darunter auch die geographische Lage. Durch all diese Faktoren haben Länder unterschiedliche Probleme und Prioritäten. Aber auch ihre individuelle Art und Weise ihre umliegende Welt wahrzunehmen.

Gerade die vielen Verweise auf geographische, demographische und kulturelle Besonderheiten waren mir in Deinen Analysen von Anfang an positiv aufgefallen. Das sind handfeste Einzelelemente, bei denen sich (kritisierbare) Zusammenhänge herstellen und anschaulich begründen lassen. Dass sich idealistisch klingende Formulierungen unabsichtlich eingeschlichen haben glaube ich Dir gerne, passiert einfach wenn man "unter Strom" was längeres raushaut.
Das mit der kulturellen Großmacht ist nicht komplett abwegig. Unter Wilhelm II war nicht alles rückständig, ganz im Gegenteil. Er war nicht ganz blöd und brachte viele Veränderungen ins Reich. Er war begeistert von den Wissenschaften, allgemein von Technologie und war für den Fortschritt. Seine Sozialpolitik war vergleichsweise modern. Er hat sogar versucht ethnische Minderheiten zu einen und insgesamt innenpolitisch mehr Stabilität und Bildung in das Reich zu bringen. Es gab eine Chance.

Ich würde sogar schlicht behaupten dass Deutschland eine kulturelle Großmacht war. Man muss sich einfach mal die Dichte wirklich bedeutender Literaten, bildender Künstler und natürlich auch Wissenschaftler vor WK 1 ansehen, und dann den - gerade in den Künsten - ziemlich traurigen Rest nach WK2 1945. Dieser Kriegseintritt 1914 war einfach die Idiotie des Jahrhunderts. Bei dieser Gelegenheit ein Lob an die Leute im Auswärtigen Amt, die zunächst, wie dokumentiert, gegen Krieg waren - blöd waren die nicht, sondern haben die Folgen ganz richtig vorausgesehen. Ich weiß auch, dass damals einer auf dieser Ebene einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, als Deutschland umschwenkte und ins Kriegsgeschehen eintrat. Der hat offenbar gewusst, dass das ein Fehler ist, der wohl nie wieder gutgemacht werden kann.
Krebs ist organisch (ich habe das Wort "Organismus" gebraucht, um den Kapitalismus als etwas "fassbares" zu subjektivieren) und wächst exponentiell.

Jede Zelle ist "organisch", egal ob Bakterium oder Teilzelle eines Mehrzellers. Und grundsätzlich wachsen die, wie angedeutet, ALLE erstmal exponentiell, weil it's cell division, stupid: 1->2->4 usw. Dann kommt die Regulierung - und ob Du's glaubst oder nicht, sogar bösartige Tumore können ihr Wachstum "von selbst" wieder herunterbremsen (hier kommt es aber auch auf die genaue Bedeutung von "fremd" und "selbst" an).
Geht man von Richard Dawkins Theorie der Memetik aus, könnte man den Kapitalismus durchaus als "soziokulturelles Krebsgeschwür" bezeichnen(ein Mem, dass mutiert und bösartig geworden ist, wenn man so will). Denn ganz offensichtlich ist es ja nicht naturwissenschaftlich, sondern ein ideologisches Konstrukut, dass die Menschen beherrscht, das die Menschen aber nicht beherrschen. Und das in letzter Konsequenz zur eigenen Auslöschung führt.

Ich verstehe was Du meinst, rate hier aber zur Vorsicht: natürlich kann man das alles wieder auf reine Biologie, und damit auf die naturwissenschaftliche Ebene runterbrechen ("Mem" als biologisch auflösbarer Gedächtnisinhalt, der auch biologisch wieder perzipiert werden muss, sogar wenn er zwischendurch in nicht-biologischen Speichermedien ruht). Man könnte dann sogar sagen: super, ist doch alles ein natürlicher Prozeß - jede Tierart stirbt irgendwann an bestimmten Schwächen, und wir, weil wir auch nur Tiere sind - gierige Tiere eben - sterben aufgrund unserer schlechten Mem-Weitergabe. Wir sind zum Aussterben verurteilt, sobald wir "memetisch vollends degeneriert" sind.

Aber ich finde, wir gewinnen bei dieser Beschreibung nichts. Schon zu Zeiten von Marx und Engels war es ein Fehler, dass einfach jeder krampfhaft Darwin für seine Zwecke vereinnahmen wollte. Biologie bitte streichen, und stattdessen bei wirtschaftlichen Statistiken und anderen relevanten Fakten bleiben, das wäre meine Empfehlung an alle Neomarxisten. Macht doch nicht ohne Not dieselben dummen Fehler wie eure Vorgänger.
Im Master-Studium (bin Wirt-Ing) bestand die Prüfung in Wirtschaftspolitik in einer Analyse zum Thema "Die Staatsschuldenkrise Griechenlands - Ursachen der Krise, Verlauf und Konsequenzen für den Euro, die EWWU und den deutschen Export" --> dabei war meine Hauptquelle das Buch "Aufstieg und Zerfall des Deutschen Europa" (s.o.) mit einer 1,3 als Ergebnis. So unwissenschaftlich kann die Wertkritik also nicht sein ;-)

Glückwunsch auch von mir zu der sehr guten Note. Aber Woodstocks Vorbehalte kann ich bestätigen, es kommt immer auf die Qualität der Lehre und Forschung an, und die ist an manchen Fakultäten einfach nur completely rotten. Einen konkreten Fall habe ich in einem anderen Thread schon erwähnt. Da bei Woodstock das Stichwort "Anthropologie" fiel, hier noch ein anderer, den er vielleicht sogar kennt:

https://www.lesejury.de/davidson-black/buecher/schaedelfall/9783947612017
(siehe auch die Rezension unten, es liegt tatsächlich ein Realfall zugrunde)

Aber jetzt auch von meiner Seite aus zurück zur aktuellen Situation in der Ukraine:

Tagesmeldung in der Zeitung war, dass der englische Geheimdienst nach gut einem Jahr Krieg 60 000 getötete russische Soldaten, vielleicht sogar deutlich mehr, für möglich hält. Ukrainische Verteidiger in Bachmut berichten, dass die Russen immer wieder in großen Wellen angreifen und im Abwehrfeuer sterben - Szenen wie in WK 1. Wie soll das weitergehen? Ab wann ist Schluss damit, bei 100 000 Toten, bei 200 000? Woodstock hatte die historische Marke von 400 000-500 000 genannt, aber ich mag einfach nicht glauben, dass wir jetzt jahrelang diesem "body count" zusehen dürfen.
 

Woodstock

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Tagesmeldung in der Zeitung war, dass der englische Geheimdienst nach gut einem Jahr Krieg 60 000 getötete russische Soldaten, vielleicht sogar deutlich mehr, für möglich hält. Ukrainische Verteidiger in Bachmut berichten, dass die Russen immer wieder in großen Wellen angreifen und im Abwehrfeuer sterben - Szenen wie in WK 1. Wie soll das weitergehen? Ab wann ist Schluss damit, bei 100 000 Toten, bei 200 000? Woodstock hatte die historische Marke von 400 000-500 000 genannt, aber ich mag einfach nicht glauben, dass wir jetzt jahrelang diesem "body count" zusehen dürfen.
Der britische Geheimdienst beziffert die Zahl der Verluste irgendwo im "niedrigen" sechsstelligen Bereich, da sie auch die Verwundeten zählen. Der genannte Body count bezieht sich auf historische Angriffskriege der Russen und ich bin mir ziemlich sicher, dass durch die modernen Medien, die Zahl von einer halben Million unwahrscheinlich wird. Allerdings haben sie die Medien sehr gut im Griff. Aktuell spricht man darüber, dass Ostdeutschland russisches Gebiet ist und man es wiederholen sollte und die einzige Möglichkeit der Entnazifizierung ist die Ermordung aller Erwachsenen und die Kinder russisch großzuziehen. In der russischen Propaganda kann man mittlerweile das Wort "Nazi" mit "Nicht Russisch" gleichsetzen. Auch eine Möglichkeit, den demografischen Wandel auszugleichen.

In Afghanistan haben die Russen ca. 60.000 Verluste gehabt. Ca. 15.000 starben. Hier zogen sie sich ebenfalls zurück. Aber dieser Krieg ging zehn Jahre und sie mussten mittendrin mit der Tschernobyl Katastrophe fertigwerden. Außerdem gab es regelmäßig Aufstände im Balkan, welche Truppen kostete. Insgesamt hat sich die Sowjetunion komplett übernommen und hatte zu viele Probleme auf einmal. Eines dieser Probleme wären für ein Land schon zu viel gewesen, aber drei... Bei einer sowieso schon geschwächten Wirtschaft.

60.000 Tote und Verwundete in 10 Jahren. Die Russen haben 60.000 Tote in nur einem Jahr und mindestens doppelt so viele an Verwundete. Das ist absoluter Wahnsinn.

Russland hat aktuell nur zwei Probleme, den Krieg und die Sanktionen. Die Korruption zähle ich mal nicht, da die schon immer ein durchgängiges Problem war. Das heißt, sie können das noch eine Weile so weitermachen, aber ihnen gehen bereits die jungen Leute aus. Jetzt holen sie schon die Leute über 40 und älter in die Schlacht. Nach nur einem Jahr.

Ich habe es irgendwo schon mal geschrieben. Ich vermute die Zahl irgendwo bei ca. 250.000. Anscheinend gab es Wochen in welchen sie 1000 Mann pro Tag verloren haben. Das ist einfach nur abartig. Die schicken ihre Panzer, Fahrzeuge und Infanterie ins flache Land und sind Minen und Artillerie komplett ausgeliefert. Da kommt kaum was an. Das ist pervers! Selbst eine Kolonne, welche gut durchkommt, kann durch ein Geschoss von Minen umzingelt werden, welche sie nach 24 Stunden selbst zerstören. Da stehen sie dann und warten, bis die Artillerie sich schnell auf sie eingeschossen hat. Das ist ein Blutbad.

Wobei die Ukrainer wohl kaum das russische Festland bombadieren würden und die Sorge somit eigentlich unbegründet ist, oder?
Sie ist begründet. Aus dem gleichen Grund gibt es auch keine Flugverbotszone. Die moderne Flugabwehrtechnik würde erlauben, dass die Russen aus dem russischen und belarussischen Kernland Boden-Luft-Raketen in den ukrainischen Luftraum schießen können. Wenn diese Abschussvorrichtungen nicht angreifbar wären, da man sonst Belarus in den Krieg ziehen könnte und der Krieg mit Russland noch weiter eskaliert, wäre das wie Fische im Fass erschießen.

Diese Ziele müssen angreifbar sein, sonst könnte die Ukraine seinen Luftraum nicht zurückerobern.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Aktuell spricht man darüber, dass Ostdeutschland russisches Gebiet ist und man es wiederholen sollte und die einzige Möglichkeit der Entnazifizierung ist die Ermordung aller Erwachsenen und die Kinder russisch großzuziehen.
Hat das schon irgendwer von den deutschen "Friedensaktivisten" mitbekommen?
 

Woodstock

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Hat das schon irgendwer von den deutschen "Friedensaktivisten" mitbekommen?
Das war letztes Jahr schon Thema, als man eine NATO-Flugverbotszone diskutiert hat.

Die Ukraine hat noch aktive Flugstaffeln, welche täglich kämpfen und nicht von solchen Systemen beschossen werden. Das heißt, die Russen können diese Systeme entweder nicht benutzen oder sehen aktuell keinen Grund dazu, da die ukrainische Luftwaffe hauptsächlich im ukrainischen Luftraum operiert. Das Problem besteht außerdem auch andersrum.

Manche der ukrainischen Flieger sind schon in Rumänien und Polen notgelandet und tauchen regelmäßig in deren Luftraum auf. Sollte ein Flugzeug über Rumänien oder Polen abgeschossen werden oder die Rakete schlägt dort versehentlich ein und Menschen kommen zu Schaden, ist das ebenso ein Kriegsgrund.

Es ist auch sehr gut möglich, dass sie diese Systeme nicht verwenden würden, wenn die Ukraine mit westlichen Jets diese Ziele angreift, um sich nicht weiter zu blamieren oder die NATO erst recht nicht mit hereinziehen wollen, sollte was schiefgehen. Um das nicht zu riskieren, schließt die Koalition Bomber aus, also F-35, Tornados und F-16. Sie diskutieren über MIGs und Eurofighter. Diese würden, als Abfangjäger, nur innerhalb der Ukraine operieren, so wie jetzt auch schon, und mindert damit die Chance einer Eskalation. Allerdings ist ihr strategischer Nutzen gegen Panzer und Artillerie begrenzt.
 

Duncan

Well-Known Member
Ich glaube Manny meinte mit seiner Frage die angekündigte "Umvolkung" Ostdeutschlands - das würde mich auch mal interessieren, was unsere Friedensfreunde von der AfD dazu sagen (falls sie denn was sagen - schweigen liegt hier wohl näher...).
 

Woodstock

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Ich glaube Manny meinte mit seiner Frage die angekündigte "Umvolkung" Ostdeutschlands - das würde mich auch mal interessieren, was unsere Friedensfreunde von der AfD dazu sagen (falls sie denn was sagen - schweigen liegt hier wohl näher...).
Die AfD ist ein von Russland geförderter Verein. Dieser unmoralische, wissenschaftsfeindliche Haufen wird nichts gegen Russland sagen.
 

Duncan

Well-Known Member
Irgendwie stecken wir da auch in einem asymmetrischen Informationskrieg. Als Ollie Kalkofe als Reaktion auf das "Friedensmanifest" von Schwarzer & Wagenknecht sinngemäß twitterte, dass das für ihn unterlassene Hilfeleistung sei, wurde er sofort von putinfreundlichen/querdenkerischen Botnachrichten geflutet. Siehe bzw. höre sein Bericht hier, der ganz nett ist, weil auch das Thema ChatGPT aufgegriffen wird:

https://www.ardaudiothek.de/episode...r-welkster-erfinden-das-rad-neu/ard/12378897/

Umgekehrt aber werden AfD-Twitterer wohl kaum vom potentiell unangenehmen/ Wählerstimmen kostenden Thema russischer Umvolkungsphantasien belästigt. Jedenfalls nicht in dieser Menge.
 
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