Batou9 schrieb:
Die Mysterien sind aufgelöst, nur muss man das von der Ebene betrachten, von der die Autoren sie als Werkzeug erschuffen.
Das tue ich doch. Die Autoren wollten in erster Linie gute Einschaltquoten und haben deswegen alles Mögliche in die Serie eingebaut, möglichst viele WTF-Momente und Überraschungen - ohne dabei an die Zusammenhänge oder an das Finale zu denken. Jetzt im Nachhinein können sie natürlich behaupten, dass die ganze Serie von Anfang bis Ende durchdacht war, aber die ganzen Widersprüche und Unstimmigkeiten sprechen eine andere Sprache.
Und wenn sie wollten, dass die Zuschauer das Ganze "von der geistigen Ebene" betrachten, dann hätten sie diese ganzen (pseudo-)wissenschaftlichen Elemente weglassen sollen, also Daniels Theorien, Eloise mit den Formeln usw.
Deswegen passt auch der Vergleich mit Twin Peaks nur zum Teil. Bei David Lynch werden zwar ein paar Koordinaten erwähnt, oder eine bestimmte Planetenkonstellation, aber nur ganz am Rande. Da lief kein Wissenschaftlerteam herum und versuchte nicht, Bob und die Schwarze Hütte mit Wissenschaft zu erklären. Um dann am Ende zu sagen: "Betrachtet das Ganze doch von der
geistigen und der
philosophischen Ebene!" Wenn etwas nur Symbolisch gemeint ist, wäre es fatal, da zu viele Erklärungen und Rationalität einzubauen (oder es zu versuchen).
Ich glaube, dass Lost viel besser geworden wäre, wenn man diese wissenschaftlichen Erklärungsversuche weggelassen und nur 3-4 Staffeln gemacht hätte.
Ein anderer Unterschied zwischen Twin Peaks und Lost ist, dass Twin Peaks keine (zumindest nicht so viele und so grobe) Widersprüche und Logiklöcher hatte.
Nur so als Beispiel: Ja, das mit dem schwarzen Rauch wurde aufgeklärt. Aber ich fand diese Auflösung ganz schön schwach und da passt auch vieles nicht. MIB hat die Dharma-Initiative Jahrzehnte lang geduldet, obwohl dort mit einem U-Boot ständig irgendwelche Leute hin und hergereist sind. Warum hat er sie nicht daran gehindert, den Zaun zu bauen? In einer der späteren Staffeln gibt es eine Szene, wo Ben den schwarzen Rauch "heraufbeschwört" (indem er eine Spülung betätigt), und der Rauch taucht auf und tötet auch nur die Soldaten, aber nicht Ben. Wollte MIB nicht alle Leute töten, die Jacob benutzen könnte, um von der Insel zu fliehen?
Eloise ist doch eine Wissenschaftlerin, ein normaler Mensch ohne Superkräfte, oder? Was sollte dann diese Folge, wo sie Desmond in Visionen erscheint und ihm das Wesen der Zeit und das Leben erklärt?
Wieso konnte sich Michael nicht töten, nachdem er die Insel verlassen hatte? Ist Jacob zufällig Gott und wollte ihn unbedingt zurück auf die Insel bekommen (warum auch immer)?
Jacob sagt, dass er die Insel nicht verlassen kann, schafft es aber irgendwie, die Losties in der realen Welt zu besuchen (als sie Kinder waren) und ihnen physische Gegenstände zu überreichen (um die Verbindung zur Insel zu knüpfen, nehme ich an), also muss auch er in den Momenten auch physisch präsent gewesen sein. Sonst hätte er diese Gegenstände nicht halten können.
Die Wissenschaftler brauchen Jahre (!), um in mühsamer Forschung herauszufinden, wie man auf die Insel gelangt, wann und wo sich ein Fenster öffnet etc. Aber bei der Flucht startet Lapidus das Flugzeug und fliegt es auf Anhieb durch das Portal. Der Typ war echt cool, daran wird es liegen.
Und das sind jetzt nur ein paar Beispiele. Sind ja schon einige Jahre seit der Sichtung vergangen, sonst könnte ich noch einiges mehr nennen. Ich bleibe dabei: die Serie war überhaupt nicht durchdacht. Sie hatte viele interessante Charaktere (ich kann mich seltsamerweise immer noch an fast alle Namen erinnern), sie hatte einige tolle Ideen und eine sehr schöne Atmosphäre, vor allem in den ersten drei Staffeln. Sicherlich hatte sie auch eine philosophische Seite, was nicht verkehrt ist. Aber es ist doch wohl aberwitzig, so viel Pseudowissenschaft einzubauen und dann von den Zuschauern zu verlangen, dass sie es ignorieren und sich nur auf die geistige Ebene konzentrieren.