Spoiler, aber das sollte ja klar sein.
"Du hast mich in einer merkwürdigen Phase meines Lebens kennen gelernt."
Das ist der entscheidende, weil so ziemlich letzte (allerletzte, oder?) Satz des Films. Und meiner Meinung nach will Er, nennen wir ihn Norton, damit Marla erklären, dass diese Phase nun vorbei ist. Er hat Es-Figur Tyler beseitigt und während gerade Bankenwesen und Prjekt Chaos pulverisiert werden, kann er von seinen vergangenen Dämonen befreit endlich wach und als er selbst ins Leben blicken und Marlas Hand nehmen. Er ist geheilt, wenn wir Tyler/Projekt Chaos als Krankheit sehen. Er hat sich gegen absolute und gewalttätige Anarchie entschieden, was nicht heißt, dass er jetzt als Anzugträger in Büro und Reihenhaus verbringt (Ist das nicht der Ansatz der Comics? Der ist jedenfalls nicht Kanon.), aber dass er sich gewissen Vorzügen des zivilisierten modernen Lebens nicht länger verschließen oder gewaltsam in den Weg stellen will.
Das ist, wenn ihr mich fragt, die Botschaft, mit der uns der Film zurück in unsere Realität entlassen will.
Wobei wir natürlich über den Schwengel sprechen könnten, der als "Tyler ist nicht restlos beseitigt" Einzelframe-Warmung durchs Bild zuckt. Das hat jedoch eher was von einer "Der Dämon ist noch nicht tot" Horrorfilmwarnung, wenn es nicht sogar einzig ein visueller Gag ist.
Aber grundsätzlich denke ich, dass das Ende eine klare Trennung zwischen Norton und Tyler beschreibt und diese als eine vage Rückkehr zur Vernunft darstellt. Wie gesagt, wir sehen ja nicht, wie sehr Norton nun zum Spießer wird. Wenn das also die finale Intention ist, stehen die vorausgegangenen 120 Minuten in einem gewissen Widerspruch dazu. Wir als Zuschauer sind Norton in Fight Club und in Projekt Chaos, also in die Arme von Tyler Durden gefolgt. Uns wurden "die Augen geöffnet" und wir haben die vermeintliche Wahrheit unserer Gesellschaft endlich erkannt. In Tyler we trust - und so. Finchers Regie unterstreicht jeden Kommentar von Tyler als faszinierend, als klug und irgendwie anziehend, selbst wenn wir irgendwie und irgendwo ahnen, dass es nur Gewäsch ist. Aber visuell und verbal gibt uns der Film quasi null ZWeifel daran, dass Tyler ohnehin über jeden Zweifel erhaben ist.
Das wäre bis zur Hälfte eine vertretbar Regie-Entscheidung gewesen sein, aber Finchers hyperintensiver Stil lässt nicht locker. Die Bildsprache sagt nicht, dass Norton plötzlich Tylers Illusion und Lügen durchschaut, sondern es kommt eher einem Rückfall ins Spießertum gleich. Wie er da im Morgenmantel durchs Haus in der Paper Street irrt, die Sache mit Robert Paulson, seine asexuelle Natur im Umgang mit Marla. An einem gewissen Punkt zwingt uns die Inszenierung, uns als Zuschauer von der bisherigen Leitfigur Norton zu trennen. Insbesondere dann, wenn wir erfahren, dass er und Tyler ein und dieselbe Person sind. Tyler ist auch dann immer noch super smooth und anziehend und kommt halt mit dem Rückenwind aus 90-minütiger Brachialzelebrierung daher. Da sind wir erstmal verwirrt, weil unsere Leitfigur plötzlich wieder - so scheint es - einen Schritt zurück gemacht hat und der goldene Gott dieser Geschichte plötzlich als Bösewicht dargestellt wird. Denn das versucht der Film, zumindest verbal, durch Norton, aber zu diesem Zeitpunkt ist das goldene Kalb Tyler Durden 300 Meter groß und quasi unangreifbar.
Selbst der Anschlag auf die Bürogebäude ist als Akt der Gewalt nicht so radikal, dass wir uns spätestens da plötzlich Norton anschließen. Heutzutage, mit der Finanzkrise und Occupy im Rücken, würden viele wahrscheinlich noch viel länger auf Tylers Seite bleiben. Norton ist selbst am Ende noch das Schaf, das Zahnrad in der Maschine. All das Blabla mit der chemischen Verbrennung, mit dem Job, der wir nicht sind, dass wir keine Rockstars sein werden, dass wir den modernen Schönheitsidealen nicht folgen können und sollen, Selbstverbesserung ist Masturbation usw. - all das ist uns noch immer sehr präsent. Wenn Norton sich dann also entschließt, das Kapitel Tyler Durden zu beenden, sind wir nicht unbedingt auf seiner Seite. Projekt Chaos ging vielleicht ein bisschen weit, aber eigentlich ist Tyler immer noch der Mann mit dem Plan - das dürfte immer noch mehr oder weniger die Reaktion zum Ende sein. Obwohl das Ende für sich alleinstehend eigentlich recht deutlich formuliert, den jugendlich-naiven Aktionismus abzuschütteln und wirklich-wirklich klar zu sehen, seine Entscheidungen der realen Realität (ja) anzupassen und keiner gewaltsam verdunkelten Negativsicht.