12 Years a Slave ~ Steve McQueen [Kritik]

<Rorschach>

Well-Known Member
Hier! nur nicht heute und auch nicht morgen :smile: vl geht sichs am Sonntag noch aus. sonst nächste Woche 8)
Dieses Wochenende darf Leo mal die Sau rauslassen :thumbsup:
 

xyla

New Member
Ich war gestern Abend in der OmU.

Bei einem Film, der ein so ernstes Thema anschneidet, habe ich immer das Gefühl, dass bestimmte, normalerweise geltende Filmkriterien bei der Bewertung und Beurteilung des Films leicht hinten an gestellt werden. z.B. so geschehen bei Der Soldat James Ryan, der an vielen Stellen ungeschönt und wichtig war, aber oft auch einfach nur patriotischen Hollywood-Kitsch verpackt hat.

In diesem Fall ist es nicht so auffällig und drastisch, aber durchaus vergleichbar.

Im Vorfeld habe ich noch keinen anderen McQueen Film gesehen, aber viel Gutes über Hunger und Shame gehört. Seinen Stil fand ich dann erstmal etwas gewöhnungsbedürftig.
Er sucht mit der Kamera am Anfang oft die Nähe zu Details und nutzt dazu einige starke Close-Ups. Allerdings passt das weniger zur Stimmung des Films als z.B. bei Stoker aus dem letzten Jahr. Man könnte meinen er wollte die Perspektive der Sklaven einnehmen, um die klaustrophobische Beklommenheit der Situation einzufangen, aber er setzt das Stilmittel z.B. bei der Flussfahrt für das Rad des Dampfers ein, was leider nicht so wirklich passen will und der ganzen Situation nichts bringt. Ist aber nur ne kleine Unstimmigkeit im Stil - nichts weltbewegendes. Sonst schafft er es oft, außergewöhnliche Bilder einzufangen und glänzt auch oft mit langen, ungeschnittenen (und ungeschönten) Szenen.
Einiges geht dabei unter die Haut
u.A. Solomon am Galgen während um ihn herum der Alltag weiter geht und die spielenden Kinder deutlich machen, wie sehr die Gewalt gegen und der Tod von Sklaven zu eben diesem Alltag gehören.
und werden sicherlich noch ein ganze Weile im kollektiven Film-Gedächtnis hängen bleiben. Wenn man sich dann allerdings wieder das Ende anguckt, ist es in seiner Darstellung ein wenig zu sehr Hollywood und artet zum Teil sogar in Selbstbeweihräucherung aus - oder nicht Mr. Pitt?

Zum Thema Pitt: Die darstellerischen Leistungen gehen ziemlich weit auseinander. Brad Pitt liefert sicherlich keine Bestleistung ab, genausowenig Adepero Oduye als Eliza. Die beiden reißen einen leider aus der sonst sehr dichten Athmosphäre wenn sie vorkommen. Pitt ist für seine Rolle einfach zu groß und lässt auch einfach nur seine übliche Art raushängen. Er clooneyt einfach ein wenig rum und verkauft sich damit unter Wert. Gerade auch deswegen schade, weil er eine Schlüsselrolle innehat, aus der eigentlich mehr gemacht werden müsste, ohne, dass man sich fragt, welcher Hintergedanke da mit Brad Pitt projeziert werden sollte.
Fassbender und Lupita Nyong'o hingegen holen alles aus ihren Rollen raus. Ich hab 2013/14 bisher keine bessere Leistung gesehen. Gerade Fassbender ist auf jeden Fall zurecht für den Oscar nominiert und das meiner Meinung nach auch außer Konkurenz. Faszinierend böse. Das gilt auch für den kurzen Auftritt von Paul Giamatti und Fassbenders Filmfrau Sarah Paulson, die beide mit kurzer Zeit auf der Leinwand überaus hassenswert werden. Gerade Paulson schafft das bereits ohne große Schwierigkeiten mit ihren ersten paar Sätzen. Chiwetel Ejiofor spielt Solomon solide - nicht überragend, aber auch niemals schlecht.

Der Soundtrack ist dann leider wieder leicht auf der negativen Seite anzusiedeln. Zimmer inszeniert das ganz gerade zu Beginn zu plump und später zu aufdringlich. Im besten Fall wird man dem ganzen wohl neutral gegenüberstehen, aber da hat er in der Vergangenheit schon deutlich außergewöhnlicheres und einfühlsameres geleistet.

Insgesamt sehenswert, auch oscarwürdig, oft klasse, aber leider auch immer wieder mit Einbrüchen. Dennoch eine 7-8/10 oder 4/5, da die 'positiven' Argumente überwiegen und die negativen zwar vorhanden sind, aber den Film nicht zu sehr belasten.
 

Revolvermann

Well-Known Member
Sehr dichte Atmosphäre. Zum Teil scheint man quasi die Hitze und den Geruch von Schweiß wahrzunehmen. Mcqueen zeichnet ein hartes und unbemühtes Bild der Sklaverei im Süden der USA um 1853.
Den Pathos schraubt er soweit zurück wie es diese Art der Erzählung zulässt ohne ein staubtrockenes Lehrstück der Geschichte zu werden.
Zimmers Score untermalt das ganze wenig originell. Dennoch unterstützt das ständige Wummern und melancholische Dudeln die Höllenfahrt des Hauptdarstellers. Als wolle die Musik einen genauso wenig loslassen wie der Master seinen Untergebenen. Was den Zuschauer aber noch mehr in den Bann zieht, sind zu einem die grandiosen Darstellungen der Hauptdarsteller (allen voran Fassbender) und zum anderen die Gewaltszenen. Denn diese sind nicht zum Selbstzweck verkommene Mittel um die Situation zu dramatisieren, sondern quälend lange Einstellungen die mit ständigen Close-Ups den Zuschauer einen geradezu unangenhemen Kinobsuch bescheren.
Einige leicht aufgesetzt wirkende Szenen um Schuld und Sühne sind notwendig um dem Publikum den Schrecken der Unterjochten spüren zu lassen und gleichzeitig das Dilemma der Plantagenbesitzer näher zu bringen. So ist selbst der Blick auf den absolut bösen Epps alias Fassbender durchaus deferenziert. Man hasst ihn fast umso mehr wenn man versteht wie er seine Einstellung und seine Taten vor sich selbst rechtfertigt.

8,5/10
 

Schneebauer

Targaryen
Ganz nette Kritik, aber Pitt zu unterstellen, er wäre nur an Bord um einen Oscar zu bekommen ist ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt und unnötig. Inwiefern das mit seiner Rollenauswahl, oder was so schlimm dran sein soll, dass "ausgerechnet Pitt" den weißen Gutmenschen/Samariter mimt, zu tun haben soll, ist mir nicht ersichtlich...
 

Metroplex

Well-Known Member
Ich habe den Film am Samstag in der OV gesehen. Er war zwar "ganz gut" aber von all den nominierten Oscar Filmen die ich bis jetzt nachgeholt habe, hat mich der hier am wenigsten berührt. Vielleicht ist es, weil wir hier in Europa zu weit weg sind von der ganzen Sklaverei Thematik, aber wärend im Kino vor mir eine dauernd geheult hat, hat mich das gesehene ziemlich kalt gelassen...

zB als Solomon dazu gezwungen wurde Patsey auszupeitschen... war das dramatisch? Ich fand die Szene eher zu lang und relativ langweilig.

Am besten hat mir mal wieder Cumberbatch gefallen. Ich hoffe ihm steht eine lange Kariere bevor, ich kann nicht genug von ihm sehen (und vorallem hören!).

Edit: Ach ja, noch was: Ich finde man hat die 12 Jahre nicht wirklich "gespürt". Es hätten gerade sogut 6 Monate sein können.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Metroplex schrieb:
Edit: Ach ja, noch was: Ich finde man hat die 12 Jahre nicht wirklich "gespürt". Es hätten gerade sogut 6 Monate sein können.
Das wäre der einzige Kritikpunkt, dem ich beipflichten würde. Ich würde nicht gerade von 6 Monaten sprechen, aber es könnten ebensogut nur 2, 3 Jahre statt 12 sein.
Zimmers Score hat mir sehr gut gefallen. Entweder bin ich da anspruchsloser oder der eine oder andere meckert hier auf hohem Niveau.

Ansonsten kann ich mich Gonzos Kritik denke ich ganz gut anschließen.
 

Joel.Barish

dank AF
Ich weiß auch nicht, was u.a. mich davon abhält, mich hier zu äußern. Habe den Film vor knapp drei Wochen schon gesehen und er ist mir mit einigen Passagen noch sehr bewusst im Kopf, aber so wirklich den Drang zum Austausch hatte ich nicht. Ich will nicht sagen ich sei enttäuscht gewesen, aber mit dem Auftritt von Brad Pitt wurde der Film merklich schwächer und simpler, was nur teilweise an Pitt oder seiner Rolle liegt. Am Ende wird auch die Erzählperspektive etwas problematisch, auch wenn sie konsequent zuende gebracht wird und zu Beginn eigentlich der ideale Mechanismus ist, um Handlung und Zuschauer zu verbinden. Der Film hat ja eh eine Art - wenn man das so nennen will - Parabelcharakter, mit Solomon als Opfer und Beobachter, der viele verschiedene Ausdrucks- und Daseinsformen der Sklaverei erlebt und beobachtet. Dadurch lässt sich auch die episodische Struktur erklären und die Tatsache, dass einige Figuren (insbesondere Fassbender) weniger dreidimensionale Persönlichkeiten sind, als vielmehr Beispielcharaktere.

Bis zu Pitts Auftritt gab es mehrere Szenen und Passagen, die absolut erstklassig und ungeheuer effektiv waren. Zweie davon hatten mit Galgen zu tun. Da läuft es mir immer noch eiskalt den Rücken runter. Aber jetzt, mit etwas zeitlicher Distanz, muss ich immer wieder an einen eigentlich kleinen und kurzen Moment im Film zurückdenken, wenn die Sklaven auf dem Weg an die "Arbeitsstelle" auf amerikanische Ureinwohner trafen. Da war dieser Moment, wo sich diese beide Gruppen, die in diesem Fall als Repräsentanten der viel größeren Gruppen zu sehen sind, wortlos gegenüber stehen und anschauen. Ein symbolischer Blick auf amerikanische Geschichte. Der Moment blieb auch hängen, da er mich an "Der schmale Grat" erinnerte, wo ein paar Soldaten (u.a. John C. Reilly) im Busch auf einen Ureinwohner treffen, der ihnen wortlos entgegen kommen, während sich Fremde auf "seiner" Insel gegenseitig töten.

Dem Kritikpunkt mit dem Zeitempfinden stimme ich aber auch absolut zu. Das ist wirklich schade, ist in einer Gegend ohne wirkliche Jahreszeiten aber auch nicht so leicht zu bewerkstelligen.
 

Remix

Well-Known Member
Merklich gealtert ist er in der Zeit schon.
Also wie 6 Monate kam mir das nicht vor. Aber nunmal auch nicht wie 12 Jahre. Bezug auf die vergangene Zeit wurde ja kaum genommen.
Der Standort wurde das Ein oder andere Mal gewechselt, dort gab es mal einen Charakter mit 2-3 Verletzungen mehr, doch direkt wird dem Zuschauer nie vermittelt, wo man denn aktuell steht.

Sonst aber ein bewegender und starker Film zu einem schwierigen Thema. Man konnte sich teilweise gut in die Charakterrollen hineinversetzen und die Verzweiflung spüren. Auch haben die Bösewichte ein gutes Bild abgegeben. Die Rolle von Pitt war zwar recht unnötig und kürzer, als ich vermutet hätte, gestört hat es mich aber nicht großartig.

8/10 Peitschenhiebe
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Habe zwischenzeitlich auch die Buchvorlage gelesen und die ist sehr gut (Film Ende letzten Jahres auch nochmals gesehen und auch den finde ich nach wie vor stark) - Aber zwei oft gehörte Kritikpunkte, die nicht fühlbare Zeit und Brad Pitts Rolle bzw. das "Hollywood-Ende", sind auf die Vorlage zurückzuführen, gerade Pitts Figur hat im Buch sogar noch eine größere und wichtigere Rolle als im Film. Überraschend auch, dass man einen spektaulären und intensiven Abschnitt aus dem Buch, Solomon flieht vor Verfolgern mit Hunden durch einen von Alligatoren besiedelten Sumpf, nicht im Film ist.
 

Presko

Don Quijote des Forums
So gestern auch gesehen und bin immer noch nachhaltig beeindruckt. Ein schlimmer Film, schlimm im Sinne von brutal. Im Gegensatz zu Gonzo habe ich Twelve Years a Slave als viel brutaler erlebt als Django. Die eine Szene mit Patsy fand ich beinahe unerträglich brutal - war fast etwas too much. Zudem bleibt in Twelve Years a Slave die Genugtuung aus, die Tarantino in seiner Rachefantasie ja auch bezweckt. Die Kritik am Hollywoodende kann ich nur sehr bedingt nachvollziehen.
Obwohl Solomon "gerettet" wird, gibt es wenig Grund zur Freude. Denn er lässt alle anderen in der Hölle zurück, aus der er befreit wird. Besonders tut einem das natürlich weh im Bezug auf Patsy, deren Martyrium am schrecklichsten ist. Man wünscht sich, Solomon würde zurück kehren und Epps für seine Taten bezahlen lassen oder wenigstens die anderen Sklaven mit sich in die Freiheit nehmen - aber nichts dergleichen. Vielleicht hätte man in einem letzten Bild noch einmal die Zurückgebliebenen zeigen sollen, anstatt Solomon mit seiner Familie. So dass nicht seine Rettung, sondern das Zurückbleiben aller anderen als Endpunkt bleibt.

Das mit Pitts Figur ist so eine Sache. Ich fand die Figur jetzt nicht störend. Taucht ja nur relativ kurz auf und es gab ja auch weisse Gegner der Sklaverei - definitiv. Aber klar, die Figur hätte dann auch mehr Tiefe vertragen und seine Rolle ist ein wenig die eines Retters, wobei das wird ja wirklich nicht ausgewalzt.

Cumberbatch würde ich ebenfalls sehr positiv hervorheben, weil er mal ganz zurückhaltend agiert und auf seine üblichen Manierismen verzichtet. Dano habe ich so auch noch nie gesehen und klar Chiwetel Ejiofor macht ebenfalls einen starken Job. Auch die ganze Inszenierung ist verdammt gut. Die Bilder sind zum Teil so ekelhaft schön.

Was dem Film wahnsinnig gut gelingt, ist es, diese Gleichgültigkeit und Willkür der Grausamkeiten zu transportieren, die Hilflosigkeit und das Ausgeliefertsein der versklavten Menschen. Für die meisten gibt es keine Hoffnung. Sie können nur hoffen, dass ihre Herren grad einen guten Tag haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben