Ich bin so frei und mache nen Doppelpost, um den Film dahin zu bringen, wo er hingehört: Nach weiter oben
Es gibt Filme, die Szenen beinhalten, die man am liebsten feiern würde, weil sie so treffsicher einen Umstand auf den Punkt bringen und man bemerkt, welche Sicht die Macher auf die Welt um sich haben. "The World's End" ist so einer dieser Filme. Wenn Gary King (Simon Pegg) und seine vier Jugendfreunde in ihrer alten Heimatstadt einen Club betreten, in dem alle im Gleichtakt zu "Join Our Club" tanzen, wirkt das erst einmal wie ein ganz normales Bild. Wäre da nicht der Umstand, dass alle Discobesucher Roboter - oder sowas in der Art zumindest - sind. Nicht wenige dürften an dieser Stelle mit einem breiten Grinsen Edgar Wright und Simon Pegg Beifall spenden und sich vor den beiden dafür verneigen, erneut Momente erschaffen zu haben, die wie das Finale von "Hot Fuzz" mit nur einem sich aus der Gesamtsituation ergebenen Umstand zielsicher die Idiotie in einer für einen Großteil zur Normailtät gehörigen Tätigeit offenzulegen.
Über solche grandiosen Einzelmomente hinaus liefert Wright das, was die Fans von "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" von ihm auch erwarten. Doch wirkt der baldige "Ant-Man"-Regisseur dabei im Gegensatz zu den beiden Vorgängern etwas ziellos. "The World's End" ist mit Sicherheit zehn Nummern besser als der Großteil aller anderen in diesem Jahr erscheinenden Komödien - doch ergänzt er die ersten beiden Teile der "Blood and Cornetto Trilogie" mehr, als sie noch einmal mit etwas besonders Ausgefallenem zu bereichern. Und überhaupt: Ist es nun der Abschluss der "Blood and Cornetto Trilogie" oder der "Blued and Cornetto Trilogie"?
Der mit "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt" erfolgte Ausflug nach Hollywood scheint Spuren hinterlassen zu haben bei Wright - im Positiven wie im Negativen. Ganz in der Tradition von "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" hält er sich nicht mit Splatter-Einlagen zurück, lässt Köpfe zerplatzen und das Blut spritzen... Naja... Irgendwie zumindest. Denn zermatscht werden eigentlich nur künstliche Wesen, die mit einer Art Tinte gefüllt sind, wodurch die vielen brutalen Spitzen ein wenig entschärft wirken, so wie es besonders in den 90ern bei zensierten Versionen brutaler Videospiele der Fall war. Das stört nicht wirklich und passt zur Story des Films, irritiert mit Blick auf die Vorgänger jedoch schon etwas.
Doch wo Hollywood Wright eventuell handzahmer im Umgang mit der roten Flüssigkeit gemacht hat, so sehr profitierte Wright Inszenierung von Actionszenen davon. Wenn King und seine Freunde gegen die Roboter ankämpfen, ist das so herrlich schräg choreogafiert, dass man hin-und-hergerissen ist zwischen Lachen und Mitfiebern. Hier kommt immer wieder der ganze Wahnsinn aus dem Kämpfen von "Scott Pilgrim" durch. Wenn Horden von wie normale Durchschnittsmenschen aussehenden Robotern die Verfolgung der Hauptprotagonisten aufnehmen, erinnert das durchaus an die Zombiehorden aus "Shaun of the Dead". Und Szenen wie die eingangs beschriebene Club-Sequenz" versprühen die Sozialkritik eines "Hot Fuzz". "The World's End" entpuppt sich so als Best Of des bisherigen Kinoschaffens von Wright, was vor allem für seine Fans ein Fest ist. Dass er es bei dem Cocktail dieser bekannten Elemente belässt und dem nichts weiter hinzufügt: Sei's drum. Zu schnell ist das Tempo, zu witzig und pointiert die Dialoge, zu sehr interessiert uns das Schicksal unserer fünf alternden Jugendfreunde, als dass uns irgendwas fehlen würde.
Dennoch wird es "The World's End" schwieriger haben. War "Shaun" eine liebevolle Persiflage und gleichzeitig Huldigung auf das Genre des Zombiefilms und "Hot Fuzz" dasselbe für das Genre des Actionfilms, so stellt sich bei "World's End" die Frage, welches Genre denn hier nun eigentlich Pate stand. Klar, Science Fiction, mag jetzt jeder mit Blick auf Robotern und gewisse andere Elemente schreien. Doch so einfach ist es nicht. Spielten die ersten beiden Teile sehr stark mit Genre-Konventionen und führten diese intelligent vor, ist der Bezug zu einem Genre bei "The World's End" gar nicht so stark herausgearbeitet. Das ist weder gut noch schlecht. Es ist ein Fakt, der "The World's End" dann doch von seinen beiden Vorgängern unterscheidet. Statt den Fokus auf das Spiel mit Genre-Klischees zu legen, geht es Wright und Pegg mehr denn je um ihre Charaktere. Vor allem geht es hier um Gary King, deren ganzer Lebenssinn darin besteht, eine Nacht von vor 20 Jahren zu wiederholen und zu vollenden. Ein Mann, der nur an seiner Vergangenheit hängt, sich nie weiteentwickelt hat und nun auf seine alten Freunde trifft, die allesamt ein ganz anderes Leben führen. Und es geht um das Gefühl, nach langer Zeit in seine Heimat zurückzukehren und das Gefühl zu haben, es hat sich nichts verändert und doch ist irgendwie alles anders. So ist Wrights Trilogie-Abschluss mehr eine eigenständige britische Komödie, die sich neben den gewohnt hervorragenden Wortwitzen und irrsinnigen Einfällen auch viel Zeit für die Charaktere nimmt, das Herz am rechten Fleck hat und die lediglich durch Elemente des Sci-Fi-Genres ergänzt wird. Erst ganz am Ende wird dann doch wieder vermehrt mit Genre-Konventionen jongliert.
Fazit: Mehr schwarzhumorige britische Komödie mit Sci-Fi-Elementen denn permanentes Spiel mit Genre-Konventionen. Das mag eventuell nicht allen Fans von "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" schmecken, doch ist auch "The World's End" wieder eine mehr als gern gesehene positive Ausnahme im sonst so langweiligen Komödien-Einerlei, gleichzeitig eine Art Best-Of von Wrights Inszenierungsstil und hinter all dem Wahnsinn die tragische Geschichte eines Menschen, der so sehr an der Vergangenheit hängt, dass nichts anderes mehr in seinem Leben Platz hat als die Wiederholung einer als nahezu perfekt empfundenen Jugendnacht.
Hinweis: Mein Englisch ist nicht komplett Sattelfest. Ich habe recht viel sehr gut verstanden, hier und da gibt es aber noch ein paar kleine Fragezeichen, vor allem was die gesellschaftskritische Komponente angeht. Kann sein, dass ich noch ein paar Sachen ergänze oder hier und da meine Sicht ändere, nachdem ich ihn im September auf Deutsch gesehen habe
Noch ein Hinweis, weil ich es es vergessen habe, in den Text einzubauen: Der Soundtrack ist eine Wucht! Grandiose Songs, zu einem Großteil - wie könnte es anders sein - aus den 90ern. Von Teenage Fanclub bis zu Blur, The Doors und Kylie Minogue.