Phoenix ~ Petzold, Hoss. Deutschlands Vertigo. [Kritik]

Joel.Barish

dank AF
Der neue Film von Christian Petzold, dem wohl interessantesten deutschen Regisseur derzeit, wo Tom Tykwer im Ausland verschwindet, Herzog überwiegend Dokus dreht und Wenders quasi gar nichts macht. Petzold drehte u.a. "Die innere Sicherheit", den deutschen "Wenn der Postmann zweimal klingelt" Verschnitt "Jerichow" und zuletzt "Barbara". Auch dieser Film ist mal wieder - zum sechsten Mal - mit Nina Hoss.

Story:
Nelly (Hoss) kehrt nach Kriegsende als Überlebende aus dem Konzentrationslager zurück. Ihr Gesicht ist entstellt und die Rekonstruktion ihres vorherigen Ichs stellt Nelly nicht zufrieden. Ihr Mann Johnny (Zehrfeld), der laut einer Freundin (Kunzendorf) für Nellys Verhaftung verantwortlich war, erkennt sie nicht, sieht in ihr aber eine Möglichkeit, an Nellys geerbtes Vermögen zu kommen. Nelly gibt sich als Esther aus und lässt sich von Johnny beibringen, wie sie eine authentische Nelly abgibt.

Trailer

Seit diesem Donnerstag in den Kinos.

BG-Kritik: Phoenix (Joel)
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Bevor sich der Thread hier jährt, ohne das jemand drauf antwortet, springe ich mal "schnell" in die Bresche, da ich den Film gerade eben geguckt habe. Ein wenig spät und nur dadurch motiviert, dass der Film zur Zeit einen anständigen US-Release bekommen hat und meine Lieblingskritiker Lobeshymnen anstimmen und ja, ich denke ich kann ihnen da schon echt zustimmen. In großen Teilen stimme ich natürlich auch Joel und seiner Kritik zu, obwohl mich die kleineren Schwachpunkte des Drehbuchs eher weniger gestört haben.

Der Film guckt sich wunderbar "un-deutsch": weder die Kameraarbeit, noch die Schauspieler erinnern im Entferntesten an die Standards, die wir vom deutsche Witz-und-Schäm-Kino der Herren Schweighöfer, Schweiger und Co. Das ist wirklich gut gemachtes und effektives Kino! Hat mir wirklich sehr gut gefallen :top:

Die letzten Minuten haben mich zerstört...
Der Gesang von Hoss - Zehrfelds Blick und dann die Reaktion der anderen... :crying:

8 / 10 Film-Enden, die Erinnerung bleiben
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Die letzten Minuten sind wirklich verheerend. :squint: Ganz so groß wie ihr würde ich den jetzt nicht loben, vor allem nicht auf eine Stufe mit Vertigo stellen, aber die Parallelen der Ideen sind schon unübersehbar. Hoss ist echt klasse in der Rolle, und Petzolds Handhabe der ganzen Maskerade ist gelungen und bewegend.

Von dem Namensvetter muss ich definitiv noch ein paar Sachen nachholen, und wenn es nur Barbara ist.
 

Joel.Barish

dank AF
Ich persönlich würde Phoenix mittlerweile gerne in der Wertung etwas anheben. Der ist mir nach wie vor sehr positiv im Gedächtnis. Von "auf einer Stufe mit Vertigo" war hier ja auch nicht die Rede. Nur die Handlungsparallelen sind überdeutlich und wohl auch bewusst. Welcher Film überhaupt kann schon mit Vertigo auf einer Stufe stehen?

Aber warum denn ausgerechnet Barbara, Jay? Ich mein, guck ihn. Der ist gut, aber Petzold hat noch Besseres gemacht. Mal so ein spontanes (bitte nicht drauf festnageln) Petzold Ranking

Jerichow > Phoenix > Die innere Sicherheit > Gespenster > Barbara > Toter Mann > Wolfsburg > Yella
(Seinen Dreileben Beitrag und den Polizeiruf von neulich mal ausgenommen.)
 

Puni

Well-Known Member
Merkwürdig, mir sind die Vertigo-Parallelen überhaupt nicht aufgefallen, aber vielleicht ist das letzte Mal Vertigo schauen auch schon zu lange her. Aber bei 'nem Petzold-Ranking, dem einzigen deutschen Regisseur, der wirklich jedes Mal liefert, bin ich dabei:

1. Jerichow
2. Gespenster
3. Barbara
4. Die innere Sicherheit
5. Phoenix
6. Toter Mann
7. Wolfsburg
8. Yella

Yella irgendwie der einzige Petzold, den ich für sehr mittelmäßig halte.
 

Joel.Barish

dank AF
Die Handlungsparallelen sind eigentlich, wenn man Vertigo grob im Kopf hat, nicht zu übersehen. Aber eben Handlung, nicht so Spielereien wie Farben und Kameratricks oder die Höhenangstthematik. Halt die Sache mit der "doppelten" Identität und der Maskerade. Petzold hat ja regelmäßig Einflüsse von Hollywood. Jerichow ist ja auch "Wenn der Postmann zweimal klingel" auf Deutsch. (Und sooo gut.)

Gute Rangfolge aber. Wir haben 1 und die letzten drei gleich. Yay! :biggrin: Ja, Yella ist irgendwie nicht ganz rund. Der ist irgendwie das Gegenteil von Phoenix, denn das Ende von Yella ist ausgesprochen blöd. Den Weg dorthin fand ich nicht uninteressant, aber diese Art von Ende ist in 8 von 10 Fällen eher nicht so toll.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Die innere Sicherheit hab ich bereits gesehen. Auch den fand ich jetzt nicht Bäume ausreißend gut, aber definitiv sehenswert.

Wusste gar nicht, dass Puni den so abfeiert. Also dein dt. Lieblingsregisseur? Und wo wir schon mal hier sind, schon Wir sind jung wir sind stark gesehen? Ich bin ja nicht der größte Verfechter deutschen Kinos, aber der kann was.
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Stimmt, nach dem FIlm sollte man Qurbani (so schreibt man den doch - oder?) im Auge behalten, aber ansonste würde ich, wenn es um noch immer in Deutschland aktive Filmemacher geht, schon sagen, dass Petzold und Dresen schon wirklich die besten sind, was wir vorzuzeigen haben. Deutlich besser als Herr von Donnersmarck, zum Beispiel :facepalm:
 

Puni

Well-Known Member
Jay schrieb:
Die innere Sicherheit hab ich bereits gesehen. Auch den fand ich jetzt nicht Bäume ausreißend gut, aber definitiv sehenswert.

Wusste gar nicht, dass Puni den so abfeiert. Also dein dt. Lieblingsregisseur? Und wo wir schon mal hier sind, schon Wir sind jung wir sind stark gesehen? Ich bin ja nicht der größte Verfechter deutschen Kinos, aber der kann was.
Jay schrieb:
Die innere Sicherheit hab ich bereits gesehen. Auch den fand ich jetzt nicht Bäume ausreißend gut, aber definitiv sehenswert.

Wusste gar nicht, dass Puni den so abfeiert. Also dein dt. Lieblingsregisseur? Und wo wir schon mal hier sind, schon Wir sind jung wir sind stark gesehen? Ich bin ja nicht der größte Verfechter deutschen Kinos, aber der kann was.
Was heißt abfeiern, der deutsche Filmmarkt bzw. Regisseure, die herausstechen, sind rar gesät, auch wenn es natürlich viele tolle deutsche Filme gibt. Und da finde ich Petzold noch durchweg am Besten. Wir sind jung. Wir sind stark habe ich gesehen, zwar nicht der deutsche "Hass", aber sehr eindringlich und thematisch aktueller denn je. Da fällt mir ein, ich wollte eigentlich mal so eine schöne "Deutsche Filme"-Poserfilmliste raushauen, habe mich mit dem deutschsprachigem Film in den letzten Jahren eigentlich recht oft beschäftigt. Letzte Highlights: Zeit der Kannibalen und "Ich fühl mich Disco". :ugly:
 

Revolvermann

Well-Known Member
Gerade gesehen. Fand den Film durch und durch gelungen. Auch wenn sich im Mittelteil ein paar Längen auftun und die ein oder andere Sache zwischen den beiden Hauptfiguren, wie soll ich sagen, nicht optimal gelöst war. Denn "nicht ganz überzeugte" kann ich nicht schreiben, weil die Schauspieler komplett überzeugen. Wer den Film kennt, weiß villeicht wie ich das meine.
Jedenfalls ist das Finale atemberaubend. Ein Paradebeispiel wie man ein Finale mit einfachsten Mitteln zu etwas Gigantischem macht. Manche Regisseure scheinen das in Zeiten, in denen alles am besten immer größer und aufwändiger wird, vergessen zu haben.

7,5/10
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Da mich der schon länger interessiert hat und es ihn nun auf Netflix (US) gibt, gleich mal gegönnt und mir hat er ebenfalls gut gefallen. Obwohl der Film recht kurzweilig ist, eine emotional komplexe, gelungen konstruierte Geschichte mit unauf- aber eindringlichem Holocaust-Hintergrund. Wunderschön gefilmt, großartig subtil gespielt und nicht nur die Schlussszene, sondern die ganzen letzten 20 Minuten zerstören. Ich denke, ich würde um die 8/10 geben.
 
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