Habe den Film gestern im Rahmen des Zürich Filmfestivals gesehen und ja, der kann schon was. Hat mir gut gefallen.
Wie Neo eingangs schon geschrieben hat, spielt der Film an drei Tagen, nämlich an Weihnachten 1991. Diese verbringen die Mitglieder der Royal Family gemeinsam auf ihrem Anwesen Sandringham in Norfolk. Die Feierlichkeiten laufen nach einem strengen königlichen Protokoll ab. Tradition steht im Zentrum. Dafür, dass das Protokoll auch eingehalten wird, hat man Major Alistar Gregory abbestellt (Falkenblick Timothy Spall), der mit strengem Blick die Abläufe überwacht und insbesondere die unzuverlässige, widerspenstige und psychisch labile Diana im Auge behält.
Das sind dann auch die Attribute, welcher Diana anhängen - in der Royal Family und in der Presse. Die Leute scheinen nur darauf zu warten, dass sie verrückt wird und zusammenbricht. Und tatsächlich bringen sie diese drei Tage auch an den Rand des Wahsninns. Schon zu Beginn des Films macht die Diana des Films einen verlorenen und verwirrten Eindruck. Dass in der Nähe des Anwesens, wo sie Weihnachten verbringen, ihr Elternhaus steht, in dem sie aufgewachsen ist, verstärkt noch das Gefühlschaos, in dem sich Diana wiederfindet.
Die bevorstehenden drei Tage mit der Royal Family belasten Diana sichtlich. Das wird umso mehr verstärkt, als sie auf Major Gregory trifft, der ihr gleich bei ihrem Eintreffen zu verstehen gibt, dass er dafür sorgen wird, dass auch sie sich an die Regeln der Tradition unterordnet. Der Druck unter dem Diana leidet, steht ihr ins Gesicht geschrieben - ein Zwangskorsett aus Traditionen, Pflichten und Regeln, das ihr die Luft abzuschnüren droht. Fröhlich und gelöst wirkt sie eigenltich nur, wenn sie mit ihren beiden Kindern alleine ist. Ihre einzige Vertraute ist ihre Assistentin und Einkleiderin Maggie, die allerdings schon nach dem ersten Tag von Charles weggeschickt wird, was Dianas Verzweiflung noch weiter bestärkt.
Der Film lässt keine Zweifel offen, Pablo Larrain und Screenwriter Steven Knight hegen für die Königsfamilie keine besonderen Sympathien. Die Royals, insbesondere Charles werden als pflichtbewusste und kalte Menschen dargestellt, die für Dianas Leiden keinerlei Verständnis aufbringen. Wobei gesagt werden muss, dass Charles oder die Queen nur sehr wenig Screentime erhalten und entsprechend auch als Charaktere bewusst blass gehalten werden.
Die Welt der Royal Family inszeniert Larrain als eine Art Totalitarismus im Kleinen. Individuelle Freiheiten haben hier keinen Platz. Alles ist bis ins kleinste Detail vorgegeben, ein sich selbst auferlegter Determinismus sozusagen. Immer wieder verhandelt Diana mit den Ankleiderinnen, Charles oder Major Gregory über die Kleider, die Diana anziehen soll. Für jede Mahlzeit und für jeden Anlass wurde ihr ein Kleid vor-ausgewählt, das sie zu tragen hat. Und es entwickelt sich zu einem steten Ringen, dass Diana diesen Vorgaben auch nachkommt. Denn Diana entpuppt sich eben nicht nur als leidende, sondern auch als widerspenstigte Frau, die sich gegen diese Vorgaben immer wieder auflehnt. Dieses Auflehnen inszeniert Larrain als eine ständige Kraftanstrengung, die Diana alles abverlangt. Ein ständiges Anrennen gegen Wand, von dem stets neue Verletzungen davon trägt.
Es ist ein schmaler Grat, diesem Leiden und Rebellieren Dianas so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Denn die Gefahr droht, dass man als Zuschauer mit der Zeit ein wenig die Geduld mit ihr verliert oder sie als Drama-Queen daherkommt, also genauso, wie man es ihr im Film auch vorwirft. Umso wichtiger sind die Momente, welche Diana von einer anderen Seite zeigen. Insbesondere, wenn sie mit ihren Söhnen zusammen ist. Dann ist sie sie liebende, fürsorgliche Mutter, die sich liebreizend um ihre Kinder kümmert. Irgendwie fühlte ich mich in diesen Szenen mit den Kindern ein wenig an den Film "Finding Neverland" erinnert.
Kristen Stewart ist ohne Frage fantastisch in der Rolle. Ganz unabhängig davon, ob sie jetzt die reale Diana gut portraitiert oder nicht. Sie spielt einfach phänomenal und man vergisst eigentlich sofort, dass Kristen Stewart da auf der Leinwand steht. Es ist eine recht wilde Mischung aus Zerbrechlichkeit, Kampfeswille, Zärtlichkeit, Verunsicherung, Naivität und Charme, die sie unter einen Hut bringen muss, was ihr aber grossartig gelingt.
Zwei Nebenfiguren haben mir zudem besonders gut gefallen. Sally Hawkins als Maggie und Dianas engste Vertraute. Sie ist neben den Kindern jene Figur, welche die wärmsten Momente mit Diana im Film hat. Auch grossartig Sean Harris als sympathischer Küchenchef, der auch für ein paar Lacher sorgt.
Die Inszenierung ist eh grossartig. Wir haben es hier natürlich nicht mit einem realistischen Portrait oder Millieustudie zu tun, sondern mit einem künstlerischen Werk, das insbesondere optisch stark durchstilisiert ist. Das Spiel mit den Kleidern und der Mode passt da natürlich super dazu. Aber auch sonst bietet der Film diverse inszenatorische Einfälle, denen man einfach gerne folgt. Seien das ganze Sequenzen, Farben oder Kameraeinstellungen. Der Film bietet auf der Ebene enorm viel zu entdecken. Und dieser starke Stilwillen passt eben auch wunderbar. Denn damit betont er das Märchemotiv, das im Film steckt: Die Prinzessinengeschichte, aber eben auf den Kopf gestellt.
Im Gegensatz zu Jackie (ist aber auch lange her, dass ich ihn gesehen habe) ist Spencer trotz vieler düsterer und beklemmender Momente doch leichter und auch humorvoller geworden. So sehr Diana auch leidet, letztlich ist es ihre Stärke und ihre Widerspenstigkeit, welche im Zentrum stehen.
Richtige Royalkenner werden bestimmt auch viel zu nörgeln haben. Ich gehe nicht davon aus, dass der Film ein adäquates oder unbedingt allen gegenüber faires Bild zeichnet. Wie gesagt, ich denke, die Sympathien und Antipathien von den Machern sind klar verteilt.
8.5-9/10