Joel.Barish schrieb:
Tyler,
Von deiner zu einseitigen (wir hatten das privat ja schon mal
) Vorstellung dessen, was FeministInnen sind, wie sie denken und was sie wollen, einmal abgesehen, sprichst du durchaus etwas Interessantes an.
Ich hätte schreiben sollen "manche Feministinnen". Mir ist schon klar, dass es da unterschiedliche Meinngen nd Radikalitätsgrade gibt.
Wie viel historische Authentizität gehört und/oder passt in einen Unterhaltungsfilm? Wir können wahrscheinlich alle akzeptieren, dass z.B. Darstellungen des europäischen Mittelalters in der Regel ein wenig hübscher und sauberer aussehen, als das wohl der Realität entsprach. Wenn es um konkrete Figuren geht, sollte man immer berücksichtigen, was genau der Film/die Serie mit dieser Figur beabsichtigt. "Der Untergang" geriet ja seinerseits auch arg in die Kritik, weil Hitler ja überwiegend (!) als gebrochener "Bunker-Papa" dargestellt wurde. Nur sind Hitlers eigentliche Taten im öffentlichen Diskurs wesentlich bewusster, bekannter und besser belegt als all die schlimmen Dinge, die Kleopatra vor X Jahrhunderten begangen haben mag. Aber das mag ja auch Teil deines Arguments sein.
Ja, Hitlers Taten sind allgemein bekannt, Cleopatras eher nicht.
Aber sind nicht nahezu alle Herrscherporträts dieser Art in gewisser Weise hinfällig? Denn gehörte Gewalt bzw. eine strenge Hand zur Absicherung der eigenen Macht nicht fast immer dazu, wenn eine Person über ein großes Reich herrscht? Noch dazu wenn diese Zeit lange zurückliegt und wir da nun mit unseren Rechtsvorstellungen des 21. Jahrhunderts ankommen. Aber grundsätzlich ja, eine einseitige Heroisierung hilft sicherlich wenig, eine Figur kennen zu lernen.
Es ging mir nicht so sehr darum, Cleopatra für ihren Regierungsstil zu kritisieren (das war in der Tat "normal" unter Herrschern), sondern die Filmemacher für ihre Darstellung. Wenn sie schon im Vorfeld sagen: "
a woman who was brighter, more intelligent, richer and a better administrator and ruler than the men of her time", dann wird sie damit einseitig heroisiert, wie du selbst sagst. Und ich meine, Mord und Folter sind keine Kleinigkeiten, die hier unterschlagen werden. Und sie ließ nicht foltern, sie folterte selbst, was ein ganz anderes Licht auf ihren Charakter wirft.
Wenn es denn darum geht, das Wesen einer Figur zu ergründen. Was aber, wenn eine Figur eher Repräsentant einer Idee oder eines Ideals ist? Müssen wir in einem Film über Ghandi zeigen, welchen Dreck auch immer er am Stecken haben mag, oder untergräbt das nicht die eigentlich zentrale und wichtige Leistung der Figur? Müssen wir zeigen, dass Martin Luther King ein Fremdgeher und angeblich nicht immer liebevoller Womanizer war, oder dürfen wir uns auf seine friedliche Protestbewegung für die Aufhebung der Segregation konzentrieren? Gleiches gilt für Kennedy.
Das ist ein interessanter Punkt, aber es kommt auf die Ausmaße der verschwiegenen Untaten an. Wenn herauskommen sollte, dass Ghandi ein Folterer, Martin Luther King ein Vergewaltiger und Kennedy ein hinterfotziger Brudermörder war, dann müsste man das auch zeigen. Fremdgehen ist sicherlich unschön, aber kein Vergleich zu Folter und Mord. Welches Ideal verkörpert Cleopatra? Das Ideal einer gerechten, intelligenten, attraktiven, guten Herrscherin, die gut für ihr Volk war. Aber das war sie höchstens für manche Adeligen, die ihr nicht im Weg standen. Ganz bestimmt nicht für die Sklaven.
Ghandi und King haben wirklich Großes geleistet (bei Kennedy bin ich mir nicht sicher), was genau hat Cleo gemacht?
Ideale kann man auch mit fiktiven Figuren zeigen oder eben mit historischen Persönlichkeiten, die es auch wirklich verdient haben. Ein Ideal auf einer Lüge aufzubauen halte ich für keine gute Idee.
Und eigentlich müsstest du zeitgleich im "Straight Outta Compton" Thread diese Kritik äußern, Tyler. Denn das ist ja einerseits ein Thema, welches dich (auch) sehr interessieren dürfte und zudem ist der Film - anders als dieser gerade erst angekündigte - schon fertig und wir wissen schon, dass bei SOC einige Details an den Rand oder gänzlich unter den Teppich gekehrt wurden.
Mit dem Privatleben von Dr. Dre und Ice Cube kenne ich mich nicht aus. Haben sie Leute getötet und/oder gefoltert?
Falls ja, dann sollte das in dem Film natürlich erwähnt werden.
Revolvermann schrieb:
Ein realistischer Film wäre insoweit möglich, als das er dem derzeitigen Erkenntnissen der Historiker und Archäologen entsprechen könnte.
Ganz genau!