Revolvermann schrieb:
Allerdings gefällt mir, wie Tyler, das "immer besser" nicht so recht.
Oh, das war durchaus beabsichtigt.
Eine Provokation im ersten Absatz ist doch immer ein guter Start, der zur Diskussion einlädt. Und gegen Ende wird das ja auch ein wenig relativiert...
Revolvermann schrieb:
Hast du schonmal einen Film in der deutschen Fassung gesehen und dazu den deutschen Untertitel laufen lassen? Man merkt es bei englischen O-Ton und deutschen Untertiteln auf DVD/BD schon oft. Teilweise steht dort der bescheuertste Kram. Absolut dilettantische Übersetzungen. Bei Serien ist es noch schlimmer als bei Filmen. Es ist nicht immer so und auch nicht immer gleich schlimm aber ich habe es schon oft bemerkt.
Schaut man nun einen japanischen, russischen oder französischen Film, hauptsache in einer Sprache die man so gut wie gar nicht kann, würde ich eher die Synchro empfehlen als den O-Ton mit Untertiteln. Vielleicht liegt das daran das irgendein Mitarbeiter im stillen Kämmerlein für die Untertitel mal eben das Dialogbuch Übersetzt und bei einer Synchro mit mehr Leuten, mehr wert auf die Arbeit gelegt wird. Keine Ahnung warum.Aber es ist so.
Ja, das ist mir auch schon öfter aufgefallen. In erster Linie aber bei den deutschen Untertiteln, bei englischen (die ich damals oft bei englischen Filmen laufen ließ) weniger - letztere bevorzuge ich übrigens auch, wenn ich einen fremdsprachigen Film schaue.
Bei der Synchronisation läuft das übrigens so, dass zunächst jemand die Texte übersetzt und eine Rohfassung auf deutsch liefert. Diese Rohfassung wird anschließend vom Synchronautor überarbeitet und auf die Lippenbewegungen, etc. angepasst. Damit gibt es schonmal zwei (unterschiedliche) Übersetzungen für das gleiche Drehbuch und ich habe keine Ahnung, welche davon (oder ob überhaupt eine davon) für die Untertitel im Heimkino verwendet wird.
In beiden Fällen (Untertitel oder Synchro) hast Du aber das gleiche Problem: Die Übersetzung. Deshalb ist der O-Ton grundsätzlich
immer besser.
Die Diskrepanzen bestehen so oder so, ob die Untertitel schlechter übersetzt sind als die Synchro oder andersrum. Wenn ich die Sprache nicht verstehe, kann ich nicht beurteilen, wie akkurat die Übersetzung ist. Ich habe also die Wahl, mich entweder auf die Arbeit des Synchronstudios zu verlassen oder auf die Güte der Untertitel und dabei den Film im O-Ton zu sehen. Ich bevorzuge letzteres.
Revolvermann schrieb:
Der 2. Punkt ist die deutsche Sprache an sich und die Tatsache das es meine Muttersprache ist.
Es ist die Sprache die ich jeden Tag spreche und die mein Gehirn ziemlich perfekt aufnimmt. Ich nehme meine Mitmenschen und ihre Emotionen seit Kindertagen in dieser Sprache wahr. Ich finde manchmal, so kann man sich besser emotional auf einen Film einlassen weil die Sprache einfach so "nebenbei" durchs Hirn läuft. Schwer zu erklären. Nicht umsonst fühlen sich Menschen gleicher Sprache weltweit zugehörig.
Man kann ja ein top Englisch-Versteher sein aber es kommt in einer total dramatischen Szene nur ein einziges Wort vor das man nicht kennt. Selbst wenn man es sich (wie so oft) aus dem Zusammenhang zusammenreimen kann, ist doch ein kleiner Teil deines Verstandes mit diesem Fremdwort beschäftigt.
Das würde ich zur Rubrik "Gewohnheit" bzw. "bequem und einfach" zählen. Klar, bei der Muttersprache muss man sich nicht großartig konzentrieren, da läuft alles automatisch. Jedenfalls so lange, bis Fachbegriffe, Fremdwörter oder für Dich ungewöhnliche Dialekte/Akzente auftauchen. Oder man sich fragt, wer dieser Dr. Brinkmann ist, von dem der Joker da redet.
Aber je mehr Filme ich auf englisch sehe, umso weniger habe ich das Problem, mir Zusammenhänge zusammenreimen zu müssen, Vokabeln nicht zu verstehen, etc. Am Ende ist die Sprache dann so vertraut, dass es kaum noch einen Unterschied macht, ob man auf Deutsch oder Englisch dem Geschehen folgt. Das fängt mit kleineren, oft verwendeten Redewendungen an und nimmt zu, je öfter man "übt". Und ich "übe" viel. Genauso wie es mir hier bei den italienischen Kollegen manchmal passiert, dass mir ein Satz auf deutsch rausrutscht, kommt es auch vor, dass mir zu Hause ein "Fuck", "Wait a minute..." oder "Are you kidding me?" über die Lippen kommt. (zugegeben, beides passiert nicht oft)
Revolvermann schrieb:
Ein weiterer wichtiger Teil, den du aber bereits kurz angesprochen hast, ist die Gewöhnung. Jemand der 550 Folgen Simpsons auf deutsch gesehen hat wird nicht auf Anhieb die englische Fassung besser finden. Vielleicht sagt er das aber der Bezug ist nicht der Selbe. Ganz einfach weil man die Figuren mit der Stimme verbindet. Ich habe "Breaking Bad" komplett auf deutsch gesehen und Monate später nochmal auf Englisch. Das war eine ganz, ganz lange Zeit sehr komisch. Ich hatte einen Bezug zu Charakteren und Szenen aufgebaut die mir auf einmal völlig fremd vorkamen.
Das gilt aber auch andersrum: Wenn ich einen Film oder eine Serie auf englisch gesehen habe und dann mit der Familie nochmal auf deutsch sehe (witzigerweise letztes Jahr Weihnachten mit Breaking Bad passiert, das ich meiner Schwester gezeigt habe

), ist das auch erstmal komisch.
Revolvermann schrieb:
Es stand übrigens im vorletzten Rolling Stone ein schöner Artikel warum der Autor die deutsche Synchronfassung von "Boardwalk Empire " besser findet als das Original. Ich habe den Artikel Online leider nicht gefunden. Jedenfalls findet er die deutsche Stimmen sehr schön einprägsam und den Charakteren entsprechend.
Falls Du den noch findest, würde mich das interessieren. Ich glaube aber erstmal nicht, dass ich das ähnlich wie der Autor sehen würde. Steve Buscemi ist z.B. ein Schauspieler, mit dem ich die Originalstimme verbinde - klingt der anders, passt da was nicht.
Revolvermann schrieb:
Eine Stimme kann nämlich in der Synchro direkt der Figur entsprechend besetzt werden. Ein Schauspieler natürlich ebenso. Aber bei der Besetzung einer Rolle geht es eben nicht nur um die Stimme.
Ich habe auch nicht geschrieben, dass
nur die Stimme zählt. Es kann auch gut sein, dass eine Synchronstimme besser zur Figur passt (natürlich mit der gerade angesprochenen Einschränkung, dass es komisch wirkt, wenn man den Darsteller bereits vorher im Original gehört hat). Die anderen Probleme (Übersetzung, etc.) bleiben aber trotzdem bestehen.
Revolvermann schrieb:
Das soll jetzt aber keinen flaschen Eindruck erwecken. Ich bin ein Freund der Originalversion. Alleine schon weil ich die englische Sprache gerne höre und mich dort ständig verbesser.
That's what I wanna hear!
@Kenzie: Achso, ich merke gerade, dass ich Deinen ersten Text vorhin nicht richtig gelesen habe.

Sorry.
Du liegst natürlich richtig und beschreibst gerade ganz gut, was bei der Synchro verloren gehen kann.
@topic: Freut mich übrigens sehr, dass es einiges an Resonanz gibt.
