Hrmph... okay.
Eine Sache: Es ging mir nicht darum aufzuzeigen, wie viel Shawn Bu und sein Team wirklich können. Vielmehr ging es mir darum aufzuzeigen, wie wenig Handfestes der Film bietet, dafür, dass er von so vielen "Fans" weltweit so stark gefeiert wird. Es ging mir mehr um die Konsumenten, als um die Macher.
Eine andere Sache: Das Problem der Genrefaulheit im Deutschen Film ist real und ernst, war aber nicht Bestandteil meines Texts.
Außerdem: Ich habe es bereits gesagt, "Darth Maul: Apprentice" investiert eben glasklar und offensichtlich mehr in Story und Emotionalisierung, als so manch anderes VFX Show-Reel. Daher muss man das auch ansprechen, wenn man sich vernünftig damit auseinandersetzen will. Zum Vergleich mal
"Ataque de Pánico", der Kurzfilm, durch den "Evil Dead" Regisseur Fede Alvarez aufgefallen ist. Der Film ist so radikal befreit von allem, was irgendwie einem Plot ähnelt, so glasklar auf die reine Präsentation von Bildideen und Effekten reduziert (Der Film beginnt sogar mit einem Bildhinweis - das Kind - wie der Film zu verstehen ist.), dass man den Film kaum für seine schwache Story kritisieren kann, denn es gibt keine. Bei DM:A ist das anders.
Aber vielleicht geht das auch nur mir so, dass ich, wenn ich mir den Fede Alvarez Film angucke, quasi null Reaktionen habe. Wäre ich Chef von ILM oder Weta hätte ich den Jungen vielleicht mal für ein halbjähriges Praktikum eingeladen, aber wäre ich Filmstudiochef und suchte einen Regisseur für ein neues Projekt, würde ich garantiert nicht an diesem Film und diesem Regisseur hängen bleiben. Denn ein Regisseur, selbst wenn er nicht das Drehbuch schreibt, sollte das Prinzip des Geschichtenerzählens verstehen und beherrschen. Ein Drehbuch ist die Grundlage, aber der Regisseur muss verstehen, wie man die Worte (d.h. die Geschichte, die Persönlichkeiten und die Emotionen) in Bilder umsetzt.
Und...
Jay schrieb:
Quffreahlzo schrieb:
Ein ähnliches Problem hatte ich früher auch im Deutsch oder Literatur Unterricht, wenn Lehrer erklären, was sich der Autor bei Szene XY gedacht hat und wer das nicht genau so sieht, würde sich irren. Ich bin mir sicher, viele Autoren drehen sich heute im Grab herum und wundern sich, was man alles über sie schreibt, statt die Geschichte einfach zu genießen.
Da bin ich ganz deiner Meinung, weil ich das ähnlich erlebt habe. Dass ich mehrfach ausführlich interpretiert habe und das als falsch geahndet wurde, weil es nicht der Interpretation im Lösungsbuch entsprach.
Jedes Mal, wenn ich so ein Argument sehe oder höre (was erschreckend häufig passiert) frage ich mich, ob ihr wirklich alle so schlechten und schädlichen Deutsch Unterricht hattet, oder ob es nur gesagt wird, weil es wie ein gutes Argument klingt. Von der Grundschule abgesehen hatte ich vier verschiedene Deutsch Lehrer und nicht ein Mal habe ich erlebt, dass ein Lehrer eisern an der einen, vorgegebenen Textbuch-Lösung festhält. Im Gegenteil! In der Regel betonten Deutschlehrer (und an der Uni verhielt sich das ähnlich), dass man den Autor zunächst mal ignorieren sollte. Der Autor und dessen Biographie kann vielleicht eine Interpretation stärken, aber der erste Schritt ist die Auseinandersetzung mit dem Text.
Das Problem ist nur - ein Problem, welches regelmäßig zu Missverständnissen führt, was Interpretation überhaupt ist und will - dass viele dann schnell denken, dass man alles in einem Werk sehen kann und darf. Aber auch das ist so doch nicht richtig. Ein guter Autor oder ein guter Filmemacher geben uns Hinweise, Denkanstöße, oder haben mehr oder minder zufällig Details in ihrem Text, weil sie ihre eigene Grundidee so sehr verinnerlicht haben, dass sie ganz natürlich auf Welt, Handlung und Figuren abfärbt. Aber in der Regel darf man Autoren durchaus unterstellen, dass sie bewusst arbeiten, dass sie nicht einfach Dinge durcheinander werfen, damit jeder Leser/Zuschauer/Konsument irgendwas Nettes im Text entdecken kann.
Dennoch - und das ist essentiell wichtig - sind wir alle Individuen ("Nur ich nicht." Höhö
) und haben unsere unbestreitbar einzigartigen Erfahrungen gemacht und dadurch einen unbestreitbar subjektiven Blick auf ein Werk. Aus demselben Grund können Kritiken nie objektiv sein. Wir reagieren unterschiedlich auf gewisse Dinge und Anreize. Das heißt nach wie vor nicht, dass wir uns wahllos Dinge aus der Nase ziehen können. Interpretationen haben auch mit unserer subjektiven Wahrnehmung Grenzen, denn nicht alles lässt sich mit "Ich empfinde das aber so" begründen. Es gibt faktisch falsche Interpretationen, aber ein Text, ein Film, ein Kunstwerk ist kein unantastbarer Bedeutungsmonolith, sondern ein lebendiges Gebilde, welches in und durch uns an zusätzlicher Bedeutung gewinnt.
Jay schrieb:
Was ich zwischen Joels Zeilen lese, und er mag mich korrigieren falls nicht intendiert, ist Besorgnis über ungeduldige Reduktion. Sich auf Bad Boys 2 beispielsweise einzulassen ist eine Sache - ich weiß, dass er den überhaupt nicht mag, deswegen nehm ich den als Beispiel - aber viel schlimmer noch ist die Mentalität, bloß zu den geilen Stellen zu skippen und den Rest wegzulassen.
Hm? Nicht wirklich. Ich meine, diese "Movie Best Of" Mentalität gefällt mir nicht, aber darüber habe ich mich in diesem Text eigentlich nicht auslassen wollen. Nicht zuletzt weil (s.o.) DM:A ja zumindest versucht hat, eine kleine Geschichte zu erzählen.
Quffreahlzo schrieb:
Das ist kein Fanprojekt, wo sich ein paar Leute hinterm Haus prügeln und Effekte reinschneiden. Aber eben auch nichts professionelles. Nur etwas, das sehr professionell aussieht und nah drann kommt. Und daher finde ich, dass an vielen Stellen zu hart gebashed wird und viele einfach vergessen, dass Filme dafür da sind, den Menschen zu unterhalten. Versucht doch einfach mal zur Abwechslung, Medien wieder mehr zu genießen und weniger auseinander zu nehmen.
Du hast mittlerweile oft genug betont, mich aus dieser Bash-Anschuldigung nachträglich wieder rausnehmen zu wollen (
), daher will ich das gar nicht mehr auf mich beziehen. Und da ich weiß, wie das Internet tickt - das war u.a. ein Aspekt meines Texts - glaube ich dir, dass der Film mitunter unfair behandelt wird.
Aber - und das führt ein wenig zurück zum "Blau ist eine warme Farbe" Gespräch von neulich, welches ich aus termingründen leider ein wenig aus den Augen verloren habe; sry dafür - aber Filme sind nicht einfach nur dazu da, zu unterhalten. Selbst wenn wir uns ausschließlich auf das Medium Film beschränken, was unklug ist, da Film ein Fusionsmedium ist, gibt es unzählige Beispiele von Einzelfilmen, Personen, Geschichten oder ganzen Epochen, in denen Film mehr war als dieser viel zitierte und oft ent-kontextualisierte "Eskapismus", von dem alle sprechen. Für mich klingt das auch eher wieder nach einer zu stark polar aufgeteilten Sichtweise, dass es nur banale "Hauptsache ett' macht Spaß" Unterhaltung oder super verkopfte Kunstfilme gibt. [Hier Widerspruch einfügen, wenn ich das falsch aufgefasst haben sollte.] Jeder Film, egal ob Transformers, Star Wars, Superhelden, Michael Haneke, Godard, Bergman oder sonstwer - jedes Werk kann viel gewinnen, wenn man sich intensiv mit dem Präsentierten auseinander setzt. Mindestens intensiviert sich die Beziehung zwischen Werk und Konsument, wenn man mehr Zeit gewinnt, doch viele Leute wären überrascht, wie viel sich aus vermeintlichen "Hirn aus" Spaßfilmen holen lässt. Natürlich kommt bei einer solchen Betrachtung nicht jeder Film gut weg, denn manchmal erkennt man erst durch diesen genaueren Blick, was für ein Blödsinn uns da vorgesetzt wurde, aber ich glaube ganz ehrlich, dass wir alle davon profitierten, würden wir unsere Unterhaltungsfilme ein wenig ernster nehmen und nicht alles abfeiern, was ungefähr so aussieht, wie wir uns das im Vorfeld vorgestellt haben.
Dabei geht man nicht an ein Werk heran mit dem Ziel, es komplett zu zerpfücken - das wird ja auch gerne mal unterstellt. Aber es hilft und kann wirklich nützlich sein, sich mal ein paar Gedanken über das Gesehene zu machen, z.B. Charaktermotivation zu hinterfragen, Story Beats genauer zu beobachten, die Erzählperspektive zu untersuchen oder einen Zusammenhang zwischen Umgebung/Landschaft und Stimmung zu suchen. Irgendwie so und das lohnt insbesondere in der Welt von Star Wars, denn insbesondere Lucas' Original ist vollgestopft mit klassischen Anlehnungen - sowohl technisch als auch inhaltlich - aus der Literaturgeschichte. Wir verstehen viele Dinge unterbewusst, aber es gibt einen guten Grund, warum Star Wars (oder z.B. Jurassic Park) so beliebt und erfolgreich wurden, nämlich weil ihre Macher mehr Gedankenkraft und Mühen in den Aufbau gesetzt haben als andere Filmemacher. Sich diese Mühen bzw. die Funktionsweise klar zu machen kann nur helfen.
jak12345 schrieb:
Für Geschichten gibt es Drehbuchautoren. Der Regisseur sollte vorallem verdammt gut planen können und wissen was er will.
Antihelden, Böse waren immer beliebt.
Ich glaube Produzenten sind die Meinungen von Fans ziemlich egal, so lange sie nicht für irgendeine Marktanalyse benötigt werden.
Zum Ersten: Siehe oben, aber noch einmal in Kurzform: Jeder Regisseur muss verstehen, wie Geschichtenerzählen funktioniert. Dieses "Was er will" bedeutet im Prinzip, dass er wissen muss, wie die Geschichte in Bildern funktioniert und dazu muss er wissen, wie Story, Charaktere ud Emotionen funktionieren. Außerdem - und das steht so in meinem Text - hat Shawn Bu von DM:A in den Credits "Written, Produced and Directed" über seinem Namen stehen, also ist er hier ebenfalls der Drehbuchautor. Warum genau darf man ihn dafür also nicht kritisieren?
Zum Zweiten: Ja und nein. Man könnte jetzt lang und breit über die Veränderung(en) dieses Phänomens je nach Zeit und Kulturkreis sprechen, aber ich finde schon, dass wir uns seit ein paar Jahren in einem neuen Hoch dieser Sichtweise befinden. Häufig in Kombination mit schwammigen politischen Phrasen und einem jugendlich-aufklärerischen Grundgedanken, dass Schurken die Welt in der sie - und damit wir - leben besser einschätzen, als der strahlende Held. Da könnte man jetzt soziologisch und politisch nachbohren, wie sehr die Verschärfung unserer Welt zu einem generellen Pessimismus geführt hat, in dem Heldentum und Gutmenschentum häufig als naiv angesehen werden. Kann man drüber sprechen, ist mir aber gerade zu komplex.
Zum Dritten: Keinem Produzenten sollte eine Meinung egal sein, wenn sich eine Masse von X-Millionen zahlungskräftigen Menschen zu einem mehr oder weniger geschlossenen "Yay" oder "Nay" vereint haben. Können sie gar nicht. Und das war unter anderem der Punkt hier, dass wir durchaus einen Einfluss auf größere und professionellere Dinge ausüben und daher vielleicht ein wenig wählerischer sein sollten.
TheGreatGonzo schrieb:
Die Einstellung "Werk XY will gar nicht mehr sein als dies und das und ist deswegen dahingehend nicht zu bewerten" ist absolut tödlich für die Kunstform, weil man sich dann nicht mehr mit ihr beschäftigt.
#TheTruth! Danke für den Post.