Merci
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Sodele, dann mal ran an den Speck *händereib*:
Wer mit Tarantino eh nie ganz klar kam oder maximal die Gewaltszenen genoss, könnte wohl über "Death Proof" erst recht schimpfen, aber wer keine Gewaltorgie erwartet sondern sich auf dieses Retro-Stück einlässt, wird überrascht.
Mit einem oberflächlichen Blick, wohlgemerkt, ist Death Proof blutarm, sich selbst wiederholend, platt sexuell, vulgär und womöglich belanglos.
Was dem jetzt folgen muss ist das große Aber, denn mit einem etwas genaueren Blick entpuppen sich diese Faktoren vielmehr als bewusst oder unbewusst gestellte Falltüren, in die man als Tarantino-Kritiker oder Fan mit beschränkter Erwartungshaltung wohl nur allzu schnell blind hineintappt.
Dass dieser Film eine Hommage an eine ganze Ära kleinerer Filmchen weit zurückliegender Jahre ist, sollte eigentlich schnell bemerkt werden, selbst, was auch auf mich zutrifft, wenn man diese Ära gar nicht oder kaum kennt. Trotzdem wird man bei Stil und Inhalt immer noch soviele Indizien erkennen, dass man hier ein Bild einer gewissen Filmart vermittelt bekommt, die einem selber noch recht unbekannt erscheint.
Allein diese Leistung verdient bereits Anerkennung.
Zudem wird dies auch des öfteren im Film inhaltlich diskutiert, wenn man sich über Filme wie "Ninja des Todes 3" unterhält.
Dieser Bezug zieht sich durch den kompletten Film, was Inhalt, Dialoge, Aufbau und auch Stil angeht. Tarantino ist sich vollkommen der Tatsache bewusst nicht einfach diese Art zu kopieren, aber sie aufzugreifen und mit neueren Methoden zu bearbeiten. Diese sind dann die typischen Tarantino-Merkmale. Tarantino ist in Death Proof, und das wohl wiederum vollkommen mit Kalkül, gleichzeitig so selbstreferentiell wie kaum zuvor.
Diese beiden Aspekte machen den Film dann zu einem absolut eigenen Konstrukt, in dem man sich einerseits zurückversetzt fühlt in eine trashige Wildwestern-Zeit in Texas Mitte des 20. Jhd. (in Kurt Russel als "Stuntman" Mike vollkommen verkörpert), aber gleichzeitig ist überall die Moderne eingebrochen. Das Handy klingelt mit der Kill-Bill Melodie, ein Sheriff-Pärchen wie aus der Hochzeit von Fr.Thurmann und an den absoluten Retro-Supermärkten gibt es neben der Theke dann die Fernsehzeitschriften mit der CSI-Werbung, wo Tarantino ja auch eine Folge drehte.
Wenn man versucht, auf diese Kontrastierungen zu achten, kann man überall etwas davon entdecken, den Gipfel sicherlich in der Verfolgungsjagd am Ende, einerseits die klassischen Muscle-Cars, andererseits auf den Straßen sonst nur diese modernen Kutschen.
Hinzu kommen die Tarantino-Dialoge, die diesmal, dieser Schwachpunkt muss eingestanden werden, weniger kreativ sind, aber in denen z.B. auch die Pulp-Fiction-Diskussion um Fußmassagen touchiert wird.
Im Fokus stehen wieder die Frauen, wie schon in Jackie Brown und Kill Bill. Tarantinos neues Sujet ist wohl subtiler auch die weibliche Psyche
. Er jongliert mit Rollen-Klischees und Doppelungen wie gewohnt.
Jedenfalls zeigt Tarantino mit dieser Art geradezu genialistisch seine Fanliebe zu den alten Filmen, das Bewusstsein der Unwiederholbarkeit, aber gleichzeitig das Spielen mit der eigenen Popularität als Stilikone, alles gemeinsam verschränkt zu einem einzigartigen Gemisch mit unglaublich liebevoller Detailarbeit und Retro-Touch!
Soviel zum allgemeinen Gesamt-Bild.
Wandern wir noch kurz den einen oder anderen Einzel-Aspekt ab, Kurt Russel spielt das toll, hat den ein oder anderen wirklich guten Moment und im Schnitt auch noch die besten Sprüche auf Lager. (Ein Kostprobe: "Baby, du bist so süß, in deiner Gegenwart schmeckt Zucker wie Salz." Und das von Kurt Russell als Killer in einer schäbigen Kneipe zu einem Blondchen mit unglaublich souveräner Coolness.)
Nur schade, dass man ihm doch insgesamt etwas wenig Raum gibt. Da hätte man mehr für ihn raushauen können.
Die Mädels spielen interessant und aggressiv, der radikale "turn" in der Mitte mit all den Doppelungen ist übrigens auch nur eine gewisse Spielerei, das "deschawü", wie mailcop so schön schrieb ist bewusst gewählt und wird ja auch noch thematisiert im Gespräch. Nur manchmal will Tarantino hier zu starke Frauen, manchmal ists zuviel "Fotze, Kacke, verdammt, verfickt etc. etc.". Darunter leidet bisweilen etwas die Spritzigkeit der sonst kreativeren Dialoge Quentins, was bisweilen ein wenig das Gefühl von Längen hervorruft.
Grandios sind die Muscle-Cars, die heimlichen Stars im Film, wenn da die Motoren heulen und der Asphalt qualmt, hat man selbst als Nicht-Auto-Freak ein leises Verlangen nach langen Highways in diesen Monsterkarren. Im Übrigen sind diese natürlich durchgängig ein wenig sexuell konnotiert, aber das leitet ganz gut weiter.
Denn auch der Vorwurf der Freizügigkeit würde eher an dem Film abgleiten, der ganz ohne wirkliche Nacktheit auskommt und doch komplett erotisch durchsetzt ist. Dafür muss man wieder Lob aussprechen, denn das ist gerade heute nicht üblich, einen Film so mit Sexappeal zu tränken, ohne in Porno-Verhältnisse auszurutschen.
Die ganze Lapdance-Geschichte spiegelt Tarantinos kleine, feine Ideen diesbezüglich gut wider.
Tarantino selbst übrigens hat wieder eine klasse kleine Rolle, die auch wieder kurz Lacher provoziert.
Humor ist dem Film äußerlich aber auch innerlich anzumerken, besonders in Death Proof spürt man, dass die Geschichte den Beteiligten eine Menge Spaß gemacht haben muss.
Brutal ist der Film nur in den Kernmomenten, aber allein der große Crash ist einzigartig und absolut überraschend auch in der Darstellung. Wenns hart auf hart kommt, macht Tarantino weiter keine Kompromisse.
Überhaupt, der Stil mit den komischen Schnitten und fingierten Filmfehlern macht auch Spaß. Dazu Tarantinos herrlich schräge Gefühl für schrille Farben und schwarz-weiß Spielereien. Das Zusammenwirken von Form und Inhalt beherrscht Tarantino souverän wie sonst nur wenig andere, das muss man ihm ebenso neidlos anerkennen.
Wie üblich ist auch der Soundtrack ein richtiger Hinhörer mit eigenem Klang und fesselnden Momenten (wieder einige Kontrastierungen mit billigen Horrorgeigen).
Gegen Ende geht dann der Spannungsbogen wirklich noch mal richtig in die Höhe, alles wird beinah ad absurdum geführt (wenn das überhaupt noch möglich ist) und der Film endet so abrupt wie "sicko". Die lustigste Gewalt-Sequenz hat er sich dann dafür aufgehoben.
Tarantino beweist seine ganze Raffinesse mit Death Proof, dabei bleiben dann Gewalt und Dialoge manchmal ein wenig auf der Strecke, aber dennoch ist der Film eine Sammelgrube für Liebhaber. Ein besseren Fazit zog ich eigentlich schon in der Mitte, aber mit einem wachen und offenen Blick wird auch dieser Tarantino sich entfalten, nur ist er auch beinah Tarantinos verschlüsseltster und abgefahrenster. Diese Aspekte betreffen halt nicht das, was man so sonst erst mal vermutet, wenn man an Tarantino-Filme denkt.
Hiermit wird zugleich, durch das gesamte Konzept, für das Grindhouse-Projekt, wo jetzt Rodriguez' auf dessen Art ebenso durchgeknallter aber vielleicht zugänglichere Part kommt, großartige Vorarbeit geleistet.
Wer bis hierher noch bereitwillig gefolgt ist, danke für die Aufmerksamkeit
. Euer Stuntman Bob,
8,5/10