Lords of Chaos

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Für mich reicht es aus, wenn ich weiß, dass ich diese Künstler finanziell nicht unterstütze. Daher besitze ich bis heute auch kein einziges Burzum Album, obwohl mir sogar seine Dungeon Synth Knast-Alben sehr gefallen. Wenn ich mich der Kunst als solches komplett entledigen muss oder immer Gewissensbisse beim Hören habe, dann müsste ich mich ja mit den Machenschaften jedes Musikers beschäftigen, um letztlich zu erfahren, ob ich diese Musik eigentlich hören darf oder nicht.
Das kann ich ja grundsätzlich nachvollziehen. Es muss schon ein ziemlich publiker Fall sein, um mich darauf aufmerksam zu machen (z.B. die ganze Aktion um den "As I Lay Dying"-Frontmann Tim Lambesis). Im Fall von Vikernes ist die Tat und sein Gedankengut allerdings so schwer, dass ich wirklich mit Gewissensbissen zu kämpfen habe, weil er eben so ein Vollidiot ist. Eine Patentlösung habe ich dahingehend auch nicht, weil natürlich die Musik auch nochmal für sich spricht, aber eine moralische Zwickmühle ist es für mich trotzdem.

Des Weiteren bin ich fest der Meinung, dass man um bestimmte Musik in einer gewissen Intensität zu erschaffen, schon etwas kaputt im Kopf sein muss. Das bedeutet jetzt nicht, dass ich vor allem Musik von kaptten Leuten suche, aber es ist nun Mal so, dass bspw. Musik wie die von Burzum, auch nur von so einer fanatischen Birne erschaffen werden kann. Ein Otto Normalverbrauchen bringt in der Regel auch Otto Nomrmalmusik hervor, das ist die Krugs an der Sache.
Da kann ich dir nur zustimmen! Die Musik von Mayhem und Burzum kommt aus einem sehr dunklen und sehr kaputten Ort. So eine Wut auf die Welt und ihre Bewohner bekommt man so nicht in die Musik, wenn man nicht auch teilweise so denkt. Im Vergleich dazu wirken die Texte von Slipknot wie First-World-Probleme. Ist es die Musik allerdings wert, dass man dadurch Menschen wie Vikernes zum großen Künstler erheben muss? Schwierige Sache...

Zum Film selbst, wenn man die Geschichte nicht kennt, ja dann kennt man sie nach dem Film. Nur welchen Mehrwert hat das? Macht es die Musik besser? Nein, eher schlechter. Wusste man schon vorher, dass Black Metal nicht aus frommem Friedenswunsch erschaffen wurde? Ja wusste man.
Ja, also sorgt der Film doch dafür, dass man als Nichtkenner einen Zugang zu der doch recht unzugänglich Welt des Norwegian Black Metal findet. Das ist doch schon mal ein gewisser Mehrwert. Nun haben du und ich den Zugang allerdings schon über die Musik, aber mein bester Freund kann z.B. mit der Musik nichts anfangen, findet aber die Geschichte dahinter und die Personen super interessant. Schon haben wir jemanden, der von der Existenz des Films profitiert. Ja, vielleicht wusste man vorher schon was über die brennenden Kirchen, aber so erzählt wurde das bisher in einem Spielfilm noch nicht. Es war ja aber auch nicht das Mission Statement des Films, die Musik in irgendeiner Form aufzuwerten.

Aber vielleicht sehe ich das auch sehr streng, ich lese auch schon seit zig Jahren nahezu keine Interviews mehr. Für mich macht es keinen Sinn mehr die Personen hinter der Musik näher zu kennen, das bringt mir die Musik nicht näher, es macht sie schon gar nicht nicht besser. Aber es kann sie abschwächen, demystifizieren. Gerade da ich Musik in fiktiven, mystischen Welten liebe, habe ich keinen Mehrwert davon, wenn den ich den Otto Normalverbrauche dahinter kenne. Mir ist es i.d.R. am liebsten die Person dahinter bleibt stumm und lässt seine Musik sprechen.
Ich kann das total gut nachvollziehen, da ja auch die Musiker der Szene genau mit diesem Problem gehadert haben. Deshalb haben sie ja all die Charaktere entworfen, die Bühnenshows inszeniert und sich besonders düstere Legenden gegeben bzw. sie leidert auch ausgelebt. Ich meine, dass es mal in einer Sam-Dunn-Doku gesagt wurde, dass es einfach lahm wäre, wenn man sich eingesteht, dass auch Leute wie Gaahl und Euronymous mal auf's Klo müssen oder Wasser einkaufen gehen.

Doch wo es für dich den Mythos kaputtmacht, finde ich gerade diese Grenze zwischen echtem Menschen und aufgebauter Persona gerade so interessant. Warum verbirgt sich ein Mensch hinter so einem düsteren Alias? Was geht in dem Kopf solcher Menschen vor? Das sind so fragen, die "Lords of Chaos" ja auch versucht anzuschneiden bzw. sie klar anspricht. Da die Kunst schließlich auch nur von Menschen erzeugt wurde und weder Satan, noch Gott oder Odin etwas damit zu tun hatte, finde ich es extrem spannend, solchen Künstlern auf den Grund zu gehen.

Das sind halt einfach dann zwei veschiedene Sichtweisen, die beide valide Argumente dafür und dagegen haben. Und ich kann ja auch absolut nachvollziehen, warum du dir am liebsten gar nichts zu denen durchlesen willst, um die Musik mehr zu mögen. Für mich sorgt halt die Erkenntnis über den Künstler manchmal eben auch für einen Mehrwert.
 

Måbruk

Dungeon Crawler
TheReelGuy schrieb:
Ist es die Musik allerdings wert, dass man dadurch Menschen wie Vikernes zum großen Künstler erheben muss? Schwierige Sache..

Er weiß jedenfalls Musik in einer Art zu erschaffen, wie es nahezu niemand anderer vermag. Und das kann nicht von seinen technischen Fähigkeit abgeleitet sein, sondern von dem wie er fühlt und die Welt sieht. Ein Teil von seinen Gedanken würde ich wahrscheinlich liebend gerne umarmen, aber der größte Teil ist leider zu abstoßend. Mir ist zwar klar, dass es den norwegischen "Charme" wie ich ihn liebe in einer multikulitwelt nicht geben würde, aber ich liebe gleichzeitig jede Vielfalt auf dieser Welt und hier hast Du absolut recht, die Kunst alleine ist es in dem Fall nicht wert, auf diese Vielfalt zu verzichten.

TheReelGuy schrieb:
Ja, also sorgt der Film doch dafür, dass man als Nichtkenner einen Zugang zu der doch recht unzugänglich Welt des Norwegian Black Metal findet. Das ist doch schon mal ein gewisser Mehrwert.

Das sehe ich nicht ganz so. Ich bin nicht der Freund davon so viele Menschen wie möglich für irgendwas zu begeistern. Ich weiß nicht welchen Mehrwert das bringt, höchstens dem Geldbeutel. Wenn jemand wirklich Black Metal affin ist, wird er früher oder später dazu finden und das ist dann sicher auch deutlich nachhaltiger.

TheReelGuy schrieb:
Warum verbirgt sich ein Mensch hinter so einem düsteren Alias? Was geht in dem Kopf solcher Menschen vor?

Aber ist die Antwort auf diese Frage nicht i.d.R. recht banal? Wir alle lieben es in Welten abzutauschen, deswegen schauen wir hier ja auch alle liebend gerne Kinofilme. Und das nächste Level, dieser Begeisterung Tribut zu zollen, ist sich selbst als Teil dieser Welt zu verstehen und das möglichst authentisch nach außen zu vermitteln. Ich glaube die Wenigstens haben da wirklich etwas Bewusstseins erweiterndes zu berichten.

Aber im Großen und Ganzen haben wir glaube ich sehr ähnliche Ansichten. :squint:
 
Zuletzt bearbeitet:

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Das sehe ich nicht ganz so. Ich bin nicht der Freund davon so viele Menschen wie möglich für irgendwas zu begeistern. Ich weiß nicht welchen Mehrwert das bringt...
Im Fall von Burzum's Musik ist mein Argument dahingehend auch eher schwierig nachzuvollziehen, aber ich liebe es Freunden und Bekannten Filme und Musik zu zeigen, die ich mag. Ich liebe es, Dinge zu lieben und diese Euphorie an andere Leuten weiterzugeben.

Nun kann ich mir kaum vorstellen, dass ich jemals mit Freunden zusammen auf der Couch und Burzum-Platten höre, aber dennoch kann ich mir kein Argument ausdenken, welches dagegen spricht, meine Euphorie für ein bestimmtes Kunstwerk nicht mit anderen zu teilen. Ich mag es auch grundsätzlich nicht, wenn man sich da zu elitär oder avantgarde gibt. Gott, meine Lieblingsbands sind Ghost und Sabaton; viel mainstreamiger wird's im Metal aktuell vermutlich nicht. Dennoch bleibe ich offen für Musik und versuche all meine Lieblinge möglichst vielen Leuten zumindest mal vorzuspielen, weil ich es total mag, wenn man unverhoffte Empfehlungen bekommt, über die man ansonsten nie gestolpert wäre.

Aber ist die Antwort auf diese Frage nicht i.d.R. recht banal?
Ja, das ist sie vermutlich in 99,9% der Fällen und gerade das finde ich so interessant, weil wir dazu neigen, gewisse Künstler überlebensgroß zu präsentieren. Da ist es manchmal echt faszinierend auch mal hinter die Fassade zu gucken, aber hier kann ich dich auch, wie gesagt, total nachvollziehen, dass du es lieber auf der mysteriösen Ebene belassen willst. Vollkommen in Ordnung :thumbup:

Aber im Großen und Ganzen haben wir glaube ich sehr ähnliche Ansichten.
Das glaube ich auch, aber es war (und ist) mir dennoch eine Freude mit dir über die Nuancen zu fachsimplen. :squint:


 

Måbruk

Dungeon Crawler
TheReelGuy schrieb:
Ich mag es auch grundsätzlich nicht, wenn man sich da zu elitär oder avantgarde gibt.
Das ist aber häufig so ein Graubereich.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sehr viele Menschen auf einen Trend aufspringen und sobald dieser abgeklungen ist, einfach zum nächsten Trend weiterziehen. Häufig tragen diese Leute mit ihrem halbgaren Interesse nur dazu bei, das Ganze Thema auszuschlachten, bis selbst die ursprünglichen Fans keine Lust mehr darauf haben. Wo sind denn die ganzen Melodic Black Metal Witzfiguren hin, die den Black Metal der Lächerlichkeit preisgegeben haben? Ich nenne da nur Mal Mystic Circle, da wird mir heute noch schlecht. Da kamen ja früher jede Woche unzählige derartiger Alben auf den Markt.

Daher bin ich der Meinung, dass man nicht allen Leuten das zum Frass vorwerfen sollte, dass man liebt. Sondern das es für einen selbst und auch für die Kunst als solches sinnvoller ist, wenn Personen mit einer gewissen Affinität zu diesem Thema, selbst dahin finden. Wenn das Ganze dann im beschaulichen Rahmen bleibt, umso besser.

Ob es nun elitär ist, wenn man das was man liebt auch genau in dieser intensiven Form aufrecht erhalten möchte, glaube ich nicht. Dass es nach außen so wirken mag, kann ich aber nachvollziehen.
Aber das hängt natürlich auch von der Musik selbst ab, gewissen Bands ist das gar nicht so wichtig, die machen vielleicht auch eher populäre Musik, da spricht dann letztlich auch nichts dagegen.
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Häufig tragen diese Leute mit ihrem halbgaren Interesse nur dazu bei, das ganze Thema auszuschlachten, bis selbst die ursprünglichen Fans keine Lust mehr darauf haben.
Danke, kann deine Position jetzt deutlich besser verstehen und auch wenn ich es etwas anders sehe, halte ich das für eine vollkommen legitime Sichtweise auf den ganzen Komplex.
 
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