Pachinko

Presko

Don Quijote des Forums

Mit Pachinko hat Apple TV ein waschechtes Familien Epos, welches sich beinahe über das gesamte 20. Jahrhundert erstreckt,
im Stile einer klassischen Hollywood-Saga produziert. Allerdings handelt die Serie nicht von amerikanischen Aufstiegsträumen,
sondern von der Geschichte einer koreanischen Familie. Im Zentrum der Geschichte steht Sunja, welche im von den japanern
besetzten Yeongdon nahe Busan in ärmlichen Verhältnissen bei ihren Eltern aufwächst. Ihr verkrüppelter Vater, der zeitlebens
ein Aussenseiter war, tut alles, um sie trotz der Armut vor den Schrecken der Welt zu beschützen -
den Folgen von Armut und vor der Gewalt der Japaner gegenüber den Koreaner:innen. Jedoch stirbt er schon als sie noch ein kleines
Mädchen ist. Zum Glück hat sie noch ihre Mutter. Eine starke, wenn auch wortkarge Frau, welche mit zwei jungen Helferinnen eine kleine Pension auf dem Land führt.

Mit 16 Jahren verlieben sich Sunja und der reiche Fischhändler Koh Hansu, der sie schliesslich schwängert. Da er in Japan eine Ehefrau hat,
kann er sie nicht heiraten, er bietet ihr allerdings an, sie, ihre Mutter und das Kind finanziell zu versorgen. Zur selben Zeit
erreicht ein schwer kranker junger Pastor die Pension ihrer Mutter, wo er zusammenbricht. Sunja und ihre Mutter pflegen ihn
gesund und schliesslich macht er ihr das Angebot, sie zu heiraten und sie mit nach Japan zu seinem Bruder zu nehmen. Aus Furcht
vor der drohenden Schande eines unehelichen Kindes, nimmt Sunja sein Angebot an - schlägt also jenes des davon tief gekränkten Koh Hansu aus.

1989 ist Sunja eine Greisin und lebt mit ihrem Sohn und seiner Lebensgefährtin in Osaka. Ihr Sohn Mozasu führt ein erfolgreiches
Pachinko-Casino (Pachinko bezeichnet eine bestimmte Art von Geldspielautomat). Dann kehrt eines Tages plötzlich ihr Enkel Solomon
aus Amerika zurück. Solomon ist ein aufsteigender Investment-Manager bei einer grossen Bank und will für ein wichtiges Geschäft eine alte
Koreanerin davon überzeugen, ihr kleines Anwesen an seine Bank zu verkaufen. Das Geschäft soll Solomons Karriere einen weiteren Kick
geben. Wie seine Grossmutter ist sie geprägt von einer Vergangenheit, wie sie hunderttausend
koreanische Frauen damals erlebt haben, als sie ohne Besitz nach Japan kamen, wo sie als minderwertige Wesen von der japanischen Gesellschaft
unterdrückt und in Armut um ihr Überleben kämpften. Immer wieder versucht Solomon ihr zu erklären, dass eine neue Zeitrechnung begonnen
habe, wo auch Koreaner und Koreanerinnen es zu Reichtum schaffen können, Reichtum, wie er ihr für ihr Anwesen anbietet. Doch als er die alte Koreanerin aufsucht, merkt er schnell, dass sie auf seine Masche nicht hereinfällt und sogar das Angebot von 3 Billionen Yen ohne zu zögern ausschlägt. Schliesslich bittet er
seine Grossmutter, Sunja, mit ihr zu sprechen.

Zur gleichen Zeit erhält Solomon mysteriöse Anrufe einer Frau namens Hana, in die er einst verliebt war, bevor er nach Amerika ging. Kurz nach seiner Abreise
nach Amerika war sie spurlos verschwunden. Die Telefonanrufe sind die ersten Lebenszeichen seither. Doch was sie von Solomon will, bleibt erst einmal unklar.

Wie eingangs erwähnt ist Pachinko so ein richtig grosses Familienepos geworden, und entsprechend wurde es auch inszeniert. Visuell ist das mehr Kino als TV. Technik, Ausstattung, Inszenierung - durch die Bank enorm beeindruckend. Dafür verantwortlich sind die beiden Regisseure Kogonada (After Yang, Columbus) und Justin Chon (Blue Bayou), die beide koreanische Wurzeln haben. Besonders herausragend ist Kogonadas Episode 7, eine in sich abgeschlossene Episode, welche
brutal, tief traurig, verstörend und poetisch schön zugleich ist.

Ebenfalls grossartig ist das Ensemble, wobei vor allem die Schauspielerinnen hier ihren männlichen Kollegen den Rang
ablaufen. Insbesondere die drei Darstellerinnen von Sunja - sei es die absolut umwerfende Jeon Yu-na, die Sunja als Mädchen verkörpert; oder die
Oscarpreisträgerin Youn Yuh-jung, welche die greise Sunja 1989 darstellt, aber vor allem Kim Min-ha als junge erwachsene Sunja. Ihr ausdrucksstarkes
Gesicht allein zieht einen förmlich in seinen Bann und bringt Sunjas Zerrissenheit zum Ausdruck zwischen Kampfwillen, Widerstand und Ängstlichkeit.

Beginnt die Geschichte sehr langsam, ja fast schon von einer meditativen Ruhe getragen und leitet die einzelnen Erzählfäden vorsichtig ein, entwickelt sie einen
immer stärkeren Sog, der mit einer zunehmenden Dramatsierung einhergeht. Dabei schrammt die Serie in manchen Momenten knapp an Pathos und Kitsch vorbei, kippt dann aber im Finale etwas hinüber, wenn auch noch die letzte Träne aus den den Zuschauern herausgepresst werden will. Gleichsam muss ich aber auch sagen, es funktioniert und das auf so hohem Niveau - warum eigentlich nicht.

Nicht ganz so gelungen fand ich die Figur des reichen Fischhändlers Koh Hansu, Sunjas erster Liebe und Vater ihres ersten Sohnes Noa, der auch nach
Sunjas Abreise nach Japan weiterhin im Hintergrund Einfluss auf ihr Schicksal nimmt. In seinem strahlend weissen Anzug wirkt er ein bisschen fremdkörperhaft
und seine spätere, eher sinistere Rolle in der Geschichte hatte für mich einen etwas zu sehr soap-opera-haften Touch, wie er so aus dem versteckten heraus
agiert.

Einen besonderen Reiz erhält die Serie natürlich nicht zuletzt auch noch dadurch, dass sie sich auf ein Thema auf eine historische und gesellschaftliche
Perspektive konzentriert, die uns sonst eher wenig nahegebracht wird. Dass die Geschichte dahinter, also die Geschichten der hunderttausenden Koreanerinnen
die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Staatenlose nach Japan migrierten, wirklich am Herzen liegt, wird spätestens am Ende der Serie noch mal
sehr deutlich, wenn die Macher und Macherinnen die letzten Minuten das Wort einigen der Überlebenden geben, die kurz ein wenig aus ihrem Leben erzählen.

Eine zweite Staffel ist bereits angekündigt. Sie wird sich dann wohl einerseits mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Geschichte von Sunjas Söhnen
beschäftigen,als auch Reise Solomons fortsetzen, der am Ende der 1. Staffel eine folgenschwere Entscheidung getroffen hat, deren Auswirkungen wohl erst in
Staffel 2 deutlich zutage treten werden.
 
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