Politikbezogene Frage - Thomas Hobbes

squizo

Zillion Dollar Sadist
Hallo,


Ich hoffe ihr könnt mir helfen:

Ich muss in meiner Arbeit unter anderem auch den Naturzustand von Thomas Hobbes versuchen auf aktuelle internationale Arena zu beziehen.

Unter dem Hobbesschen Naturzustand versteht man ein sogenanntes Gedankenexperiment, welches im Groben beschreibt, dass der Mensch sich in einem durchgehenden Angstzustand befinden. Dieser permanente Angstzustand erklärt sich so, dass alle Menschen immer nach Macht, Gütern und Gewinn streben. Diese Mittel wird sich der Mensch mit allen Möglichkeiten beschaffen und bevorzugt mit Gewalt gegenüber anderen. Darum befindet sich der Mensch in einem durchgehenden Kriegszustand, da es besser ist anzugreifen als angegriffen zu werden. Außerdem befindet sich der Mensch in einem internationalen System ohne Gesetze, Staaten oder Sanktionen.

Werden dann Gewalttaten im Hobbesschen Naturzustand als "normal" angesehen und sogar toleriert? Ist dann z.B. laut Hobbes der Holocaust als Naturzustand zu sehen und darum als "normal" gesehen?

Das wär ja absolut heftig? Oder wisst ihr ob es bei ihm auch noch sowas wie Moral gibt? Möchte nicht absoluten Bockmist in meiner Arbeit schreiben.

Hoffe jemand hat ne Ahnung.
gruß
squizo
 

00Doppelnull

Statussymbol.
Bei Hobbes ist eine andere Sache genauso, wenn nicht noch wichtiger: Die Ungewissheit. Ich denke du spielst mit deinem Zitat oben auf Homo homini lupus an, das ist bei Hobbes aber oftmals zu stark gewichtet. Das Grund problem liegt für ihn im Naturzustand darin, dass kein Mensch in den Kopf des anderen schauen kann. Man hat keine Informationen darüber, was der andere plant. Da jeder frei ist, kann jeder freie Entscheidungen treffen, die beeinhalten können, dass man sich mit Gewalt das nimmt, was einem anderem Individuum gehört. Könnte ich jetzt in das Hirn des anderen schauen und abwegen können, ob er mich angreifen will oder nicht, egal ob der Mensch gierig, machtstrebend oder böse ist, würde dieses Problem nicht bestehen. Da ich das aber nicht kann, ist im Naturzustand immer das beste, wie du auch schreibst, anzugreifen, um nicht selbst angegriffen zu werden. Dadurch ist der Naturzustand ein permanenter Kampf, dem anderen zuvor zu kommen um das eigene Überleben zu sichern. Es ist eine rationale Entscheidung, anzugreifen.
Dieses Grund Problem der Ungewissheit löst sich bei Hobbes durch den Eintritt in die Gesellschaft, mit dem Kontrakt, der definiert und sanktioniert, was ich tun und lassen darf. Dadurch wird die Handlungsfreiheit des einzelnen in soweit eingeschränkt, dass ich selber nicht mehr die permanente Not verspüre, den anderen auszuschalten, bevor er mich ausschaltet. Die Willkür fällt somit weg, Handlungen werden berechenbar.

In der aktuellen Internationalen Arena existiert allerdings kein Naturzustand mehr, es ist nicht losgelöst von Regeln. Bereits seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sind Angriffskriege geächtet, eine Entwicklung die das deutsche Reich beispielsweise verpasst hat. Durch die Regelung, dass, gerade seit bestehen der UN, Angriffskriege konsequent geächtet werden, existiert keine permanente latente Gefahr, dass mein Nachbarstaat mich angreifen könnte. Dadurch habe ich auch nicht die Notwendigkeit, permanent meinen Gegner anzugreifen. Es geht also um Informationen und über die berechenbarkeit des Handels des jeweils anderen.
Interessant wird dies bei Situationen wie dem Kalten Krieg, oder bei präemptiv, sowie präventiv Kriegen (z.B. 6-Tage-Krieg). Schau dir hierzu am besten mal die Caroline Kriterien an, völkerrechtliches Gewohnheitsrecht, welches diese Situationen regelt.

Weis nicht in wieweit dir das weiterhilft und wieviel du davon schon wusstest, wenn du Fragen zum aktuellen Kriegsrecht, dem ius ad bellum, hast, dann sag bescheid, da kenn ich mich ganz gut aus.
 

00Doppelnull

Statussymbol.
Nochmal kurz was dazu, was sonst vielleicht im Edit untergeht, entschuldigt also den Doppelpost, aber wenn du was kluges dazu schreiben willst, dann bezieh Hobbes in der internationalen Politik, in der Ökonomie, egal in was, auf das Gefangenendilemma (am besten mal nachschlagen, wenn du nicht ganz damit vertraut bist). Man entscheidet sich ohne Regeln, ohne Gewissheit der Kooperation mit dem anderen für eine Suboptimale, pareto ineffiziente Lösung. Erst wenn ich dieses Informationsdefizit überwinde, bin ich in der Lage, die bestmögliche Lösung für ein Problem auszuhandeln.
 

squizo

Zillion Dollar Sadist
WoW super danke! Das hilft mir sogar sehr gut! Ich glaube ich werde dich einfach in ein paar Teilen zitieren und deinen Post übernehmen. (00Doppelnull, 2011).

Hat mir wirklich geholfen und auf das Gefangenendilemma wär ich gar nicht gekommen, TOP!
 
Oben