Gestern gesehen.
Kurzkritik:
(Könnte kleinere Handlungsspoiler enthalten!)
Als bekennender Anhänger des Regisseurs Michael Mann den ich für einen der besten und visionärsten des Business halte, war meine Erwartungshaltung an "Public Enemeis" nicht gerade niedrig.
Wurden meine Erwartungen erfüllt? Ja und Nein.
Der Film ist wirklich gut- das vorweg, aber von einem Michael Mann darf man wohl etwas mehr als "nur" gut erwarten.
Aber eins nach dem anderen:
Die Cast ist wirklich eine Wucht und besonderes Johnny Depp brilliert in der Rolle des Bankräubers John Dillinger. Er zeigt einmal mehr, dass er abseits der "überdrehten" Charaktere auch sehr subtil und eindringlich spielen kann.
Marion Cotillard ist dann die zweite Bereicherung in der illustren Truppe: Die Chemie zwischen ihr und Depp (sie spielt Dillingers große Liebe Billie Frechette) passt einfach und ihre gemeinsamen Momente bilden dann auch die Höhepunkte des Films.
Jetzt kommt aber die erste Enttäuschung des Films- und die hat einen Namen: Christian Bale.
Er bleibt in der Rolle des Dillinger-Jägers Melvin Purvis mehr als blass und bildet keinen würdigen Gegenpol zum kriminellen Dillinger.
Obschon seine Leistung wirklich nicht als gelungen zu betrachten ist, so muss man ihm attestieren, dass das Drehbuch ihm auch keine wirklich denkwürdigen Szenen spendiert und man ihn eher als Nebenrolle ansehen muss.
Doch gerade dieser Gegensatz zwischen Gesetzesbrecher und Hüter, den Michael Mann mit "Heat" zur Perfektion trieb, wäre für diesen Film, mit dieser Besetzung, geradezu ein "Muss" gewesen.
Man denke nur an die Szene im Cafe mit DeNiro und Pacino...
Die einzige Szene in der Bale und Depp aufeinander treffen bleibt einseitig, da Bale lässig von Depp dominiert wird.
Die restliche Cast ist mit Stephen Dorff, James Russo, Billy Cudrup und Giovanni Ribisi edel besetzt, aber keiner sticht wirklich hervor.
Die Geschichte ist schön erzählt und legt Mann-typisch einen großen Fokus auf das zwischenmenschliche, wobei sein Fokus diesesmal recht einseitig auf der Liebesbeziehung zwischen Dillinger und Billie liegt.
Der Gegenpol Purvis geht zwischenmenschlich völlig leer aus und wird als Charakter nie wirklich interessant.
Und dennoch sind es die Szenen zwischen Dillinger und Billie die dem Film herausragende Momente spendieren und von der Mann-typisch sehr intensiven Inszenierung geprägt sind, die schon immer seine ruhigeren Momente auszeichnete.
Sei es das erste kennen lernen, die "Einladung" zum zweiten Treffen oder ein kurzes Telefonat- die Momente sind toll und intensiv, was auch an der teils sehr gekonnten Musikuntermalung liegt.
Aber auch Dillingers Bankraub-Szenen, die zweite Flucht und das schlichte aber vor Intensität nur so strotzende und kongenial strukturierte Ende sind die großen Momente des Films.
Es muss auch noch angemerkt werden, dass "Public Enemies" weitaus actionreicher als beispielsweise ein "Collateral" oder "Miami Vice" ausgefallen ist. Scharmützel mit den guten Tommy-Guns oder Verfolgungsjagden gibt es recht häufig und gut verteilt über den kompletten Film zu bewundern.
Diese sind Soundtechnisch mal wieder eine Granate:
Wenn ein Schuss einer Winchester auf einen Baum oder eine Häuserwand trifft, kann man das häufig mit einem Granateneinschlag gleichsetzen.
Und dennoch: Ich hätte lieber auf etwas Action verzichtet und die gewonnene Zeit in eine gute Charakterisierung von Bales Charakter gesteckt.
Nun zur Kamera- dem Knackpunkt des Films:
Seit "Alil" experementiert Mann mit einer sehr flexiblen HD-Digicam die dazu in der Lage ist sehr intensive, grobkörnige aber auch gestochen scharfe Nachtaufnahmen zu liefern.
Mit "Miami Vice" hatte Mann diese Art der Kameratechnik perfektioniert, aber bei "Publlic Enemies" stellt sie ihm ein ums andere mal ein Bein.
Die Nachtaufnahmen funktionieren auch hier perfekt, aber Szenen bei Tageslicht wirken stellenweise zu dokumentarisch und teilweise auch ein wenig überbelichtet.
Außerdem will diese Art der Kameratechnik nicht so recht mit der ansonsten tollen Atmosphäre der 30er Jahre harmonieren.
Ein wenig klassischere Kameraarbeit hätte dem Film hier stellenweise besser getan.
Fazit:
"Public Enemies" ist ein eher schwächerer Mann-Film, was am Fehlen eines würdigen Gegenpols zu dem toll geschriebenen und von Depp toll verkörperten Dillinger und der teils unpassenden HD-Digicam, liegt.
Dennoch gibt es viele tolle Momente, die von der Mann-typischen und einzigartigen Intensität zeugen für die er speziell in den dramatischen und ruhigen Momenten, bekannt ist.
Und natürlich muss bedacht werden, dass ein eher "schwacher" Mann-Film im Regelfall immer noch ein im Allgemeinen guter und überdurchschnittlicher Vertreter seines Mediums ist. So wie dieser hier.
8/10