Hab beide Teile letztes Wochenende bei Jigsaw an einem DVD-Abend geschaut. Der Doc hatte mir die Filme noch auf dem WoH energisch ans Herz gelegt. Nach vier Stunden Jacques Mesrine muss ich sagen: Gut, aber nicht überragend und streckenweise durchwachsen.
Doc, ich weiß auch nicht ob wir unterschiedliche Filme gesehen haben, denn zum einen fand ich, dass beide Teile relativ nahtlos ineinander über gingen, auch stilistisch, zum anderen fand ich, dass wenn überhaupt der zweite Teil der ruhigere, trägere Teil ist. Der erste Teil ist wirklich mit "Baader Meinhof Komplex" zu vergleichen. Viele Handlungen, ein langer Zeitraum, viele Figuren, viele Zusammenhänge -> ergo: viel Hektik. Mesrine in jungen Jahren, der Algerienkrieg und ratzifatzi ist man bei Don Depardieu und prügelt schon Zuhälter nieder.
#Leichte Spoiler:
Cassel ist wirklich ziemlich stark und ragt ja auch kilometerweit aus dem Film heraus. Trotz prominent besetzter Nebenfiguren. Ich finde aber, dass Mesrine als Hauptfigur schwierig ist. Sympathie kam bei mir zu keiner Zeit auf. Nur in der Szene, als sie ein reiches, älteres Ehepaar ausrauben und sich bei deren Erscheinen als Polizisten ausgeben. Die Szene war wirklich amüsant. Spätestens aber als er seiner Frau in purer Arroganz und Rage die Pistole in den Mund schiebt, ist es vorbei. Von daher kann ich auch nicht verstehen, wie Mesrine in der Öffentlichkeit als charamanter "Robin Hood" Verschnitt gesehen werden konnte. Würde nicht immer wieder davon geredet, würde man es kaum merken. Es ist auch irgendwann nicht mehr erklärlich, warum die ganzen Leute, besonders die Frauen, an seiner Seite bleiben. Besonders die beiden Studentinnen im zweiten Teil sind unbeschreiblich naiv. Sehen erst im TV wo und bei wem sie sind und dann... tja. So taugt der erste Film auch nicht als Charakterstudie, sondern als Darstellung und Rekapitulation der Ereignisse. Es ist nur ein Zeigen. Das ist aber durchaus faszinierend, zumindest für den ersten Teil.
Der zweite Film geht da den Schritt nämlich nicht weiter. Bei vier Stunden Lauflänge hätte man da ruhig mal tiefer in die Psyche eintauchen können, stattdessen wird weiter nur gezeigt. Und es wiederholt sich noch. Noch ein Ausbruch, wieder einen Milliardär entführen, wieder zwei Banken an einem Tag, wieder eine Flucht, wieder eine junge Liebschaft. Deswegen ist der zweite Teil auch deutlich zäher, da es nicht vorwärts geht. Die meisten dieser Handlungen entsprechen den Tatsachen und mussten wohl mit rein, aber in dieser Form gibt es keine Entwicklung, keine Psychologie und die Faszination schwindet. Das können auch Mathieu Amalric und Ludivine Sagnier nicht retten. Beide sind als Figuren zu schwach ausgearbeitet und teilen sich dieses Schicksal mit eigentlich allen Figuren, abseits von Mesrine. Und Mesrine selbst wird im zweiten Teil zum komplett irren Pseudo-Polit-Aktivisten, der einem Phrase um Phrase um die Ohren pfeffert und etwas unfreiwillig komisch und lächerlich wirkt. Das mag bis zu einem gewissen Grat gewollt sein, ist manchmal aber zu viel.
Und noch ein Problem ist, dass sich einige Leute - und besonders Polizisten - einfach unerhört dämlich verhalten. Der erste Ausbruch bei Tageslicht, durch doppelten Zaun usw. ist in der im Film präsentierten Form einfach nur unfassbar dämlich. Egal wie es wirklich war, das hätte man im Film geschickter inszenieren müssen. Die Rückkehr von Mesrine und Kollege ist höllisch naiv und bringt außer viel Ballerei nichts, und die Förster am Ende des ersten Teils betteln ja geradezu darum, ihren Schöpfer zu treffen. Der Ausbruch mit Amalric spottet ebenfalls jeder Beschreibung. Die Sache mit der Anwältin, oder dass der Polizist Mesrine alleine in einem nicht abgeschlossenen Raum zurücklässt, dass scheinbar alle in diesem Gefängnis a) blind oder b) nicht da sind - das stört. Die Fluchtfahrt mit der Familie fand ich spannend, aber die Flussszene ist dann wieder mega dämlich.
Und dann der nervigste Kritikpunkt. Beide Filme fangen mit einer filmischen Vorausdeutung an, zeigen Szenen des Endes. Warum? Es basiert zwar auf Tatsachen, aber man muss es einem ja doch nicht so unter die Nase reiben. Besonders wenn im zweiten Teil das tatsächliche Finale so ewig lang (da sind wir wieder bei zäh) ausgewalzt wird. Sobald Cassel und Sagnier die Perücken aufziehen, ist die Sache klar, aber es passiert erst eine Vierteilstunde später und die Polizeiarbeit dazwischen wirkt fast so konfus wie das mega-offensichtliche hin und her Laufen des Ganovenpärchens.
Vieles sonst hat mir gefallen, aber diese Kritikpunkte sind für mich nicht von der Hand zu weisen. Daher:
Teil 1, Mordinstinkt: 7/10
Teil 2, Todestrieb: 6/10
Beides knapp, aber insgesamt ist der Film schon spannend und überdurchschnittlich inszeniert. Und Cassel reißt ne Menge raus.