Wurzel,
Ich habe dich schon verstanden, ich glaube aber, dass du dir (und der S&S Liste) keinen Gefallen damit tust, das so zu sehen. Du verlangst etwas ("möchte ich eine Liste sehen, die für alle 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten einen möglichst guten Konsens liefert"), was wohl annähernd niemand unter den Organisatoren und den Votern wollte, geschweige denn überhaupt für möglich hält. Wenn die "Jury" aus einem relativ eindeutig einkreisbaren Feld an Fachpersonal zusammengesetzt ist, wieso sollten diese dann für die absolute Allgemeinheit sprechen?
Auch mit deinem zweiten Punkt. Das ist im Prinzip schon richtig, aber man belügt sich nur, wenn man tatsächlich davon ausgeht, dass "Vertigo" nun der ganz offiziell beste Film aller Zeiten sein soll. Und auch wenn es mit Sicherheit ein paar Vögel unter den Votern gibt, die das so unterschreiben würden oder die sich, obwohl sie "Vertigo" nicht gewählt haben, der Entscheidung fügen, haben die meisten Leute mehr oder weniger ihr eigenes Ding durchgezogen. Man könnte auch sagen, die Fragestellung war wie folgt: Welche zehn Filme würdet ihr auf eine einsame Insel mitnehmen. Jeder Voter hat zehn Filme, die ihm - aus welchen Gründen auch immer - am Herzen lagen genannt und die Liste repräsentiert nun, welche Filme am häufigsten genannt wurden. Und das ist doch absolut okay.
Ja, vielleicht ist es eher von Nachteil, dass das Ding "Die besten Filme aller Zeiten" heißt, aber 1.) wie soll das sonst heißen? Und 2.) wird jeder, der mehr als zehn Filme in seinem Leben gesehen hat, wissen, dass es eigentlich keine klare Antwort darauf geben kann. Vielleicht ist es auch einfach arrogant und überheblich, diese Wahl nur professionellen Filmemachern und "gebildeten" Filmkritikern zu überlassen, die eben in neun von zehn Fällen eine andere Herangehensweise an die Qualitäten eines Films haben, als ein "normaler" (was immer das heißen mag) Kinogänger. Aber das ist eben die Herangehensweise bei S&S und das machen die nun seit 1952! Wenn du nach einer allgemeinen Antwort auf die Frage nach dem besten Film aller Zeiten suchst, wirst du bei S&S wohl weniger schnell fündig. Wobei man ja auch schon ein paar Unterschiede zwischen den Kritikern und den Regisseuren sieht. Aber ob die imdb wirklich sooo viel besser die Allgemeinheit repräsentiert, würde zumindest ich stark anzweifeln. Das ist letztendlich doch schon ziemlich amerikanisch oder zumindest westlich geprägt. Wenn du selbst von den 7 Milliarden Erdenbürgern sprichst, sollte dir die imdb eigentlich auch graue Haare wachsen lassen. Bei imdb darf zwar jeder Voten, der das möchte, aber nicht jeder tut es. Die imdb ist ein Spiegel der modernen, westlichen Filmkultur.
Und so ganz nebenbei: Dass ich die S&S Liste bereits für ihren Hand zum spaßlosen Ernst und für die zu altmodische Grundhaltung kritisiert habe, kannst du in diesem Thread auch schon nachlesen.
Deshalb nochmal zum Abschluss:
Warum sich an der Betitelung, an dieser "Lüge" und der fehlenden Abwechslung oder Allgemeingültigkeit aufhängen, wenn man eine Liste von professionellen Filmliebhabern präsentiert bekommt, wo man je nach eigener Bildung eine unterschiedlich große Zahl an möglichen neuen Schätzen finden könnte? Es macht doch überhaupt keinen Spaß, an den Parametern einer bereits abgeschlossenen Wahl herumzudoktern und sich darüber zu ärgern. Ich weiß ja nicht wie es bei dir aussieht, aber in der Top 250 der imdb ist mir jeder einzelne Film bekannt und ich würde sagen über 80% habe ich davon locker gesehen. Bei der S&S Liste kann ich sogar noch Filme entdecken, die mir zuvor gänzlich unbekannt waren. Und das reizt mich.