Story XXXIX - Stuck

Clive77

Serial Watcher
Mit einem leisen Glockenschlag öffnet sich die Fahrstuhltür des mehrstöckigen Apartmenthauses. Das Innere des geräumigen Fahrstuhls ist weich beleuchtet, wodurch der Teppich in dezentem Lila zur Geltung kommt und man sich beinahe in den laminierten, hölzernen Wänden des Fahrstuhls spiegeln kann.

Eine junge brünette Frau Mitte zwanzig geht zum Fahrstuhl; sie zögert einen Moment, streift ihre Hände flach an ihrer weißen Bluse und ihrem schwarzen Rock entlang und tritt dann hinein. Sie geht ganz nach hinten und drückt ihren Rücken gegen die Wand. Gerade als sie tief Luft holt betritt ein Mann mit Glatze und rotem Bart den Fahrstuhl und drückt den Knopf für den 12. Stock, welcher daraufhin aufleuchtet. Auf den ersten Blick wirkt er kaum älter als die Frau, aber die vereinzelt grauen Haare im Bart verraten ihn. Er trägt eine braune Lederjacke und Jeans, nickt die Frau kurz an und stellt sich links von ihr nahe an den Eingang des Fahrstuhls. Gleich nach ihm stürmt ein älterer Mann im schwarzen Anzug hinein. Er drückt den Knopf für den 14. Stock. Er stellt sich direkt gegenüber des Bartträgers und wischt sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn, passt aber besonders auf, dabei nicht seinen bereits angegrauten Scheitel zu verpfuschen. Er achtet weder auf die Frau, noch auf den anderen Mann; er stöhnt auf, als der Bartträger die sich gerade schließende Tür stoppt. Eine weitere junge Frau mit blonder Kurzhaarfrisur, Lippenpiercing, schwarzer Lederjacke und Jeans drückt sich hinein und drückt den Knopf für die 15. Etage. Der Bartträger lächelt sie kurz an und sie lächelt zurück. Gleich hinter ihr ist ein schwarzhaariger Mann Ende zwanzig; er hat ein graues T-Shirt und eine schwarze kurze Hose an. Die Frau hebt die Arme in entschuldigender Geste und schaut zu ihrem Begleiter, welcher sich rechts zwischen dem angegrauten Herren und der Dame an der Rückwand stellt. Sie hingegen bleibt an der Tür stehen. Danach steckt sie die Hände in ihre Taschen. Da betritt noch jemand den Fahrstuhl – es ist ein junger Mann Mitte zwanzig mit Jeans, grauer Jacke und einem Blumenstrauß. Er murmelt leise etwas vor sich hin, will den Etagenknopf für den zehnten Stock drücken, schafft es aber erst beim zweiten Versuch. Er blickt auf den Boden und stellt sich zwischen der Frau in der weißen Bluse und dem Bartträger an die Wand.

Die Tür schließt sich und der Fahrstuhl bewegt sich nach oben. Die Frau in der Bluse schließt die Augen. Der Mann rechts neben ihr schaut sie kurz an; sie drückt sich noch enger an die Wand und atmet tief ein schaut dann wieder Richtung Boden. Er blickt zur Frau an der Tür, aber diese lächelt nur leer in den Raum, genauso wie der Bartträger. Der ältere Herr im Anzug schnauft schwer und schaut ebenfalls auf den Boden. Nach einer kurzen Weile fällt das Licht aus und der Fahrstuhl kommt mit einem kräftigen Ruck nach unten zum Stehen.

„Oh Gott!“, ruft eine weibliche Stimme aus der Dunkelheit. Das Licht geht wieder an, hüllt aber den Raum nicht mehr so vollständig ein wie zuvor. „Oh Gott, ohgottohgott!“, flüstert die gleiche Stimme in leichter Panik, welche von der brünetten Frau in der weißen Bluse kommt. „Notstrom“, stellt der Bartträger fest und wendet sich dem Bedienelement des Fahrstuhls zu.

„Herrgott, muss das jetzt sein?“, scheint der ältere Mann den Kosmos zu fragen, denn er blickt dabei niemanden an. Die blonde Frau an der Tür geht an das andere Ende, in welchem die Dame in der weißen Bluse bereits gegen die Fahrstuhlwand trommelt. „Hey, hey! Beruhige dich!“

„Sie dreht durch. Was ist los?“, fragt ihr Begleiter in der kurzen Hose. Da senkt der Junge neben ihr den Blumenstrauß: „Ist alles … Ist alles okay?“

„Bekommen Sie es hin?“, fragt der Mann mit dem perfekt sitzenden Scheitel den Glatzköpfigen, der an der Bedientafel arbeitet. „Ja klar. Ich verstehe mich bestens mit Technik.“

„Bitte, ich will hier raus! Ich will hier raus!“, fordert die Frau in der weißen Bluse in einem immer lauter werdenden Ton. „Können Sie die nicht abstellen!“, ruft jetzt auch der Mann mit dem Scheitel zurück. „Sehr feinfühlig!“, kommentiert der Glatzkopf. Der Scheitelträger blafft zurück: „Kriegen Sie lieber den Fahrstuhl wieder in Gang!“

„Ich glaub das Ding ist tot.“
„Tot?“, wiederholt die Frau in der weißen Bluse lautstark.
„Sehr feinfühlig!“, kommentiert der Mann mit dem Scheitel, welcher mittlerweile doch etwas verrutscht. Der Glatzkopf verdreht die Augen und haut gegen das Bedienelement. „Da geht nichts mehr!“
„Hey, alles okay da drin?“ Der Glatzkopf weicht sprunghaft zurück. „Ich sehe euch durch die Kamera“, ertönt plötzlich eine Stimme aus dem Bedienelement. „Ein wahrer Ingenieur!“, bemerkt der Mann mit dem Scheitel abfällig und schubst den Glatzkopf zur Seite, so dass dieser den Jungen mit dem Blumenstrauß anrempelt.

Der Mann im Anzug lässt seinen Scheitel nun komplett verrutschen als er sich zu dem Lautsprecher beugt und hineinschreit: „Sie da! Hören Sie mich?! Der Fahrstuhl ist stecken geblieben!“

„Ach, ist der das? Gut beobachtet, Sherlock!“ Der Anzugträger blickt schnaufend zu dem glatzköpfigen Mann in der Lederjacke, welcher ihn daraufhin nur breit angrinst. Dann konzentriert er sich wieder auf den Lautsprecher. „Sie da! Hören sie mich?!“

„Okay, Leute. Ich glaube, ihr versucht mit mir zu reden. Ich höre euch nicht, denn die Elektronik ist futsch. Ihr seid zudem stecken geblieben.„ Der Anzugträger reibt sich die Augen. „Aber ich glaube, das wisst ihr bereits. Sorry! Wir machen so schnell wir können. Wird nicht lange dauern. Maximal ein paar Stunden.“

„Ein paar Stunden?“, wiederholt die Frau in der Bluse. „Ich bin Jacob“, stellt sich der Mann in der kurzen Hose vor. Die Blondine nickt. “Gute Idee! Ich bin Lisa.“
„Gute Idee?“, fragt die Frau in der Bluse.
„Also nochmal: Ich bin Lisa und wie ist dein Name?“
„Bea. Ich heiße Bea“, antwortet sie zwischen zwei Atemstößen.
„Und ich Thomas“, ergänzt der Junge mit dem Blumenstrauß, was aber niemanden zu interessieren scheint, worauf er auf sein Handy schaut.
„Ich bin Manuel“, sagt der rotbärtige Glatzkopf und hebt die linke Hand zur Begrüßung kurz auf Brusthöhe. Sie schauen zu dem Jungen mit dem Blumenstrauß: „Ich bin ... Ich bin Thomas.“ Sie blicken zum Anzugträger, welcher aber nur die Augen verdreht. Der Fahrstuhl versinkt in Schweigen.

„Ich glaube, du hast eine Panikattacke. Bea? Hattest du sowas schon öfter?“, unterbricht Lisa die Stille, aber Bea schweigt und fächelt sich selbst Luft zu.

„Meine Güte, die Frau leidet unter Klaustrophobie und Sie bedrängen sie. Lassen Sie ihr doch etwas Platz!“, ruft der Mann im Scheitel und winkt Lisa her. Diese ignoriert ihn und konzentriert sich weiter auf Bea, welche nur bestätigend nickt. „Ich gehe jetzt zur Tür, Bea. Ist das okay?“ Bea nickt weiter. Da geht Lisa zurück und blickt zu dem Mann mit dem Scheitel: „Woher?“
„Woher ich das weiß? Sie quetscht sich schon von Anfang an an die Wand und kriegt Panik in einem engen Raum, aber es ging erst los, nachdem das Drecksteil stecken geblieben ist. Dazu müsste ich nicht mal Psychologe sein, was ich allerdings zufälligerweise bin. Jeder Depp erkennt das!“

„Sie und Psychologe? Lassen Sie mich raten, Sie schreiben Abhandlungen über die Sinnlosigkeit von Feingefühl, oder?“, fragt Manuel spöttisch. „Nein.“ Der Psychologe verdreht die Augen. „Ich bin Facharzt für PTBS.“
„PTBS?“, fragt Thomas verwirrt. Der Glatzkopf und Psychologe antworten zur gleichen Zeit: „Posttrau…“ Sie stoppen beide und werfen sich genervte Blicke zu. Der Glatzkopf präsentiert dem Psychologen die offene Hand: „Bitte!“ Der Arzt schaut zu dem Jungen:“ Posttraumatische Belastungsstörung. Ich behandle Menschen, die schwere Traumata erlebt haben und nun mit den Folgen leben müssen.“ Der Junge nickt und schaut zu Lisa: „Kannst du ihr …“ Lisa greift unbewusst nach Thomas Arm, der daraufhin mitten im Satz aufhört zu sprechen.

„Nein. Das ist nicht mein Fachgebiet“, antwortet der Psychologe. „Wie kann das nicht Ihr Fachgebiet sein? Ein Mensch braucht Hilfe und Sie verweigern sich!“, greift Manuel ihn an. Der Arzt will sich verteidigen, da meldet sich wieder eine Stimme aus dem Lautsprecher:

„Mein Chef hat gerade gesagt, dass für den Fall, das nicht alle deutsch sprechen ich die Meldung in mehreren Sprachen vertonen muss. Excuse me please, dear äh... Elevatorguests. I have to inform you, that your elevator has been stuck, no that’s not right, is stuck. We are maintaining the elevator right now. Please keep patient!“

„Das war ja schreckliches Englisch. Wie aus dem Google Translator...", kommentiert Jacob und Thomas beginnt auf seinem Handy zu tippen.

“Jetzt Französisch. Rencontres Ascenseur clients Malheureusement…„
„Kann er bitte aufhören zu sprechen!“, beklagt sich Bea. „…je dois les informer que leur ascenseur est coincé. Nous nous occupons de cela. S'il vous plaît être patient.“
„Das ist wirklich eine Zumutung!“, stöhnt der Arzt auf.

„Jetzt Spanisch.“
„Nein, jetzt Schnauze!“, ächzt Manuel und kramt einen Stift und ein Blatt Papier aus der Tasche. „Huéspedes Ascensor amor por desgracia tengo que informarles...” Er hebt einen Zettel in die Kamera. “Wir sprechen alle deutsch.” Manuel dreht den Zettel. “Halt's Maul!"
"Ist ja gut! Hab verstanden!” Der Ton bricht ab. Manuel lehnt sich zurück. ”Danke.” Bea ist erleichtert und vergisst sogar für einen kurzen Moment ihre Platzangst. “Gern geschehen.”

In diesem Moment ertönt Beethovens Fünfte in grausamer Tonqualität. Thomas greift in seine Jackettasche und zieht sein Mobiltelefon heraus. “Ja. Ich habe es doch geschrieben. Ich hänge im Fahrstuhl fest!” Auch der Arzt kramt sein Handy aus der Tasche und beginnt zu telefonieren: ”Ja, Schatz. Ich komme später. Ich stecke im Fahrstuhl fest. Ja, ja. Ich weiß! Keine Ahnung wie lange.”
 

Clive77

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Manuel zieht ebenfalls sein Handy raus, lässt sich zu Boden sinken und telefoniert: ”Ja, ich wollte zur Besprechung kommen, aber ich hänge im Fahrstuhl fest. Nein, das ist keine Ausrede. Ja, ich kann es auch nicht glauben!” Auch Thomas setzt sich. “Ich stecke wirklich im Fahrstuhl fest. Nein, das ist keine Ausrede! Hör doch bitte zu, ich weiß nicht wie lange ...”

“Die Leute von der Haustechnik wirken nicht sehr kompetent. Ich weiß!” Für einen kurzen Moment argumentieren beide sehr laut. Manuel packt sein Handy wieder ein. Der Arzt legt auf: ”Ja, Schatz. Ich beeile mich. Ja, ja ja ... Bis bald, Schatz.”

“Nein, bitte nicht! Ich ... Hallo?”, auch Thomas legt auf. “Ach Mann!” Thomas vergräbt sein Gesicht in seiner rechten Hand und lässt den Blumenstrauß sinken. “Ärger im Paradies?”, fragt Manuel spöttisch in den Raum? Doch niemand reagiert. Lisa setzt sich und die restlichen folgen. Bis auf den Psychologen. Der bleibt weiterhin stehen.

“Wieso können Sie ihr nicht helfen?”, fragt Lisa nach einem kurzen Moment der Stille. “PTBS ist eine Form von Hilflosigkeit. Im Prinzip eine Angst vor was auch immer dich traumatisiert hat. Und diese Frau ist traumatisiert von engen Räumen.”

“Das arbeiten Sie sich gerade recht passend zusammen; aber sie muss nicht wirklich aufgrund eines traumatischen Erlebnisses diese Angst entwickelt ha...”

“Ich war als Kind für drei Stunden in einem Sarg gefangen", Beas Stimme erklang leise in dem Raum. "Mein Großvater ist gestorben und meine Eltern haben einen Sarg kaufen wollen. Ich hielt es für witzig da reinzusteigen und der Deckel ging zu. Meine Eltern haben mich gesucht und ewig nicht gefunden. Ich dachte, ich muss sterben. Ich verbinde seitdem enge Räume wortwörtlich mit dem Tod.”

“Fuck!”, entfährt es Mike. Danach wird es wieder ruhig im Fahrstuhl und jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach.

Manuel unterbricht die entstandene Stille. “Okay. Eine solcher Durchbruch geschieht natürlich nicht so schnell. Sie sind in Behandlung?”
“Ja, seit zwei Wochen.”
“Und was machen Sie dann in diesem Fahrstuhl?”
“Ich arbeite in einem Büro und habe Trennwände zwischen uns. Ich drehe da drin fast durch und muss es unter Kontrolle kriegen.”

Der Arzt schaltete sich wieder ein: “Sie wollten sich desensibilisieren?”
“Ja.”
“Das sollten Sie so früh nicht anfangen.”

“Ja was dann? Ich brauche meinen Job! Ich muss arbeiten!” Sie atmet kurz auf: ”Es tut mir leid. Das ist mir so peinlich. Wer rechnet auch mit sowas?”

“Das ist schon okay!”, erwidert Lisa mitfühlend. ”Das muss dir nicht peinlich sein. Wir könnten doch selbst von unserer schlimmsten Angst erzählen. Dann muss dir das nicht mehr peinlich sein.”

Alle schauen zu Lisa. “Wirklich? Meinst du das im Ernst?" Manuel verzieht die Mundwinkel, was dem Arzt sofort auffällt: ”Aber wieso nicht? Sie können ja anfangen, Manuel! Sie reden ja sowieso die ganze Zeit.” Lisa stimmt ihm kopfnickend zu und lächelt: “Ja, Manuel fang du an!”

Manuel lehnt den Kopf zurück und beginnt: “Naja, als ich ein Kind war, hatte meine Mutter viele Puppen und ich nehme an, sie hat sie noch immer ... Aber das tut im Grunde nichts zur Sache. Ich lag also eines Nachts wach und hörte ein komisches Kratzen an deren Zimmertür. Wir hatten keine Katze, keinen Hund. Ich hatte keine Ahnung was es war. Ich habe also das Licht angemacht, bin aufgestanden und die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet. Der Lichtkegel offenbarte den Ursprung des Kratzens und ich sah die Puppen meiner Mutter mit ihren toten Knopfaugen, wie sie sich langsam in meine Richtung drehten und ihre kleinen Messer wetzten. Ich wollte schnell wieder die Tür schließen, aber da rannten sie schon auf mich zu. Ich ...”

“Moment mal!”, ruft der Psychiater dazwischen und erst da bemerkt Manuel, mit welchen ungläubigen Augen sie an seinen Lippen hängen: “Sie behaupten, dass Puppen lebendig wurden und sie als Kind angegriffen haben?”
"
Was? Nein! Das war ein Traum!” Jegliche Spannung und Aufregung, die Manuel mit seiner Geschichte aufgebaut hat, verlässt schlagartig den Raum. “Hab ich das nicht gesagt?”
“Oh nein!” Lisa ist fast ein wenig verärgert: ”Das ist deine Angst? Angst vor Puppen?”
“Natürlich.”
“Nein, wir meinen echte Ängst. Keine irrationalen Ängste.”
“Das ist nicht irrational! Ich will noch immer nicht in den Raum mit den Puppen und meide jeden Horrorfilm in dem Puppen vorkommen.” Lisa verdreht die Augen: “Das mag sein aber ich meine echte Ängste. Wie Angst vor dem Alleinsein oder Flugangst oder meinetwegen Höhenangst. Etwas echtes.”
“Das ist was echtes!”
“Solange du dir keine Puppe kaufst geht's dir gut.”
"Solange ich kein Flugzeug besteige kümmert mich auch keine Flugangst!”
“Get a Room you two!”, wirft Jacob dazwischen, worauf Lisa ihn abwinkt, was dem Psychologen und Thomas nicht entgeht. “Du weißt was ich meine, Manuel.”

“Ja. Nun ja. Ich rede nicht gerne darüber.” Er schweigt einen Moment. ”Ihr müsst wissen, ich mag mein Leben. Es ist ein gutes Leben. Vor allem habe ich einen festen Job.”

“Was arbeitest du?”, fragt Lisa neugierig.
“Ich bin Journalist”, antwortet Manuel und erzählt weiter: ”Ich lebe gut. Ich könnte es durchaus schlimmer haben.”
“Aber?”, wirft der Psychologe dazwischen.
“Aber ich bin immer auf Nummer sicher gegangen. Mein ganzes Leben lang. Immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten. Abends bin ich so gut wie nie weggegangen. Ich habe mich nie betrunken. Habe nie eine Dummheit begangen, um ein Mädchen zu beeindrucken oder sowas. Ich bin nie einen gewagten Berufsweg gegangen.”

“Was wolltest du denn machen?”
“Och - so vieles. So vieles, dass ich nie richtig den Gedanken darüber zugelassen habe. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, dann glaube ich, ich würde gerne Romane schreiben.” Manuel schweigt wieder und Jacob kichert etwas blöde vor sich hin. ”Ich glaube, ich hatte einfach Angst zu scheitern und daher habe ich nichts ernsthaft versucht. Ich habe mein Leben ohne Risiko gelebt. Habe ich es überhaupt gelebt?”, fragt Manuel mit einem leeren Blick in die Runde.

Der Arzt runzelt die Stirn und wendet seinen Blick von Manuel ab, was dem nicht entgeht. Er möchte schon etwas sagen, aber da ergreift Bea das Wort: ”Ganz tolle Geschichte ...” Sie atmet wieder schwerer, da streckt ihr Thomas seinen Blumenstrauß unter die Nase: ”Hier! Vielleicht hilft der Geruch von eine paar frischen Blüten. Du könntest dir vorstellen du wärst auf einem weiten offenen Feld.” Bea lächelt ihn an: ”Brauchst du ihn nicht?”
“Nein, nicht mehr.”
“Wieso?”
Er hebt mit der anderen Hand das Telefon hoch: ”Meine Verabredung hält die Sache mit dem Fahrstuhl für eine Ausrede.”
“Was? Was für ein Miststück!” Sie nimmt den Strauß entgegen und riecht mit einem kräftigen Zug an den bunten Blüten.

“Ich bin selbst schüchtern und kann Manuel daher ganz gut verstehen. Ich habe fast zwei Monate gebraucht, um ein Mädchen um eine Verabredung zu bitten, und um ehrlich zu sein, war ich mir nicht mal sicher, dass es eine war und nicht nur ein ‘zwangloses Treffen’”, erzählt Thomas und formt zwei Anführungszeichen mit seinen Fingern. “Du wirkst nicht gerade schüchtern.” Manuel verliert seinen starren Blick und mustert ihn. “Ich denke, so langsam kenne ich euch doch ein bisschen."

Bea saugt immer wieder den Duft der Blumen kräftig ein: ”Das ist ja so gut.”
“Solange es hilft”, freut sich Thomas und bekommt rote Backen: ”Ich könnte dir ja ein paar Blumen in dein Büro schicken lassen. Viel Geld habe ich gerade nicht, aber für ein paar wird es schon reichen."
Lisa, Jacob und Manuel können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, aber Bea schaut ihm nur in die Augen: ”Du bist wirklich süß! Und sie hat dich sowieso nicht verdient.” Thomas hat mit jeder Antwort gerechnet, nur nicht mit dieser. Sein Gesicht wird zum Flächenbrand.

Der Arzt verdreht die Augen: “Oh Gott! Ernsthaft?” Er dreht sich um und hämmert gegen die Fahrstuhltür:”Macht das Scheißteil endlich auf!”

“Beruhig dich Scheitelköpfchen! Schnupper an ein paar Blumen und komm wieder runter!" Der Arzt dreht sich zum Manuel: ”Runterkommen? Ich lass mir doch von einem Feigling wie Ihnen hier nichts befehlen! Kriegen Sie Ihren eigenen Scheiß zusammen und belehren Sie mich nicht!”

Manuel steht auf und deutet mit dem Finger auf ihn: ”Wissen Sie was? Sie gehen mir schon die ganzen Zeit auf die Nerven! Sie bringen sich nicht ein, Sie machen nur Stunk. Und verflixt nochmal, Sie kommen mir bekannt vor, aber ich komm einfach nicht drauf, woher.”
“Vielleicht habe ich Sie einmal ernsthaft angesehen und Sie haben den Schwanz eingezogen, wie Sie es offenbar immer tun”, kontert der Arzt sofort. Da bekommt Manuel mit einem Mal große Augen und atmet tief ein: ”Ich erkenne Sie! Sie sind der Psychiater dessen Patient hier vom Dach gesprungen ist.”
“Was?” Lisa reißt ungläubig den Mund auf.

“Sie sind Dr. Stoßwasser! Ein Kollege hat von Ihnen berichtet als ich im Urlaub war.”
“Quatsch!”, unterbricht ihn der Arzt aber Manuel lässt sich nicht beirren: “Sie haben den Mann für gesund gehalten und er springt vom Dach direkt auf einen Benz, der vor dem Gebäude stand.”
“Genug!” Stoßwasser geht zur Gegenwehr über: ”Der Mann war gesund! Ich war mir sicher.”

“Sicher?”, fragt Manuel höhnisch. "Nichts im Leben ist sicher, das sollten Sie als Psychologe doch am besten wissen." Stoßwasser wendet sich ab und blickt in sein schemenhaftes Spiegelbild in der Fahrstuhlwand: ”Ich habe immer gelernt. Hatte die besten Noten, eine niedrige Rückfallquote in der Klinik und die meisten Entlassungen. Ich konnte nicht versagen! Ich durfte überhaupt nicht versagen. Was würden mein Vater sagen, meine Frau? Natürlich ist die Arbeit mit Menschen nie eine exakt nach Lehrbuch. Jeder Patient ist anders, aber ich war mir sicher! So sicher, oder?” Stoßwasser dreht sich zu ihnen um. ”Ich habe mir nie einen Fehler geleistet! Nie!”
 

Clive77

Serial Watcher
Lisa ist jetzt neugierig geworden. “Was ist passiert?”, fragt sie und Stoßwasser lässt sich auf den Boden sinken: “Ich kann Ihnen nicht sagen was er hatte. Er war natürlich traumatisiert, aber er war ruhig. Komplett ohne Anzeichen weiterer Zwischenfälle, Blackouts oder Momente. Er hat sich normal unterhalten. Hat mir von seinen Unterhaltungen mit Freunden und Wildfremden erzählt. Es ging ihm gut. Er hatte wieder Freude am Leben. Er schien glücklich ... Ich hätte nie gedacht, dass er springen würde.” Er stoppt und bewegt seinen Arm von links nach rechts: “Meine Frau meinte, ich sollte es abschütteln. Sowas passiert eben ... Wie soll ich das? Nach der Sitzung hat er das Schloss zum Dach aufgebrochen, ist über den Zaun gestiegen und gesprungen. Er hat all die Mühen auf sich genommen. Wie viele der Patienten die ich für geheilt oder stabil gehalten habe, sind denselben Weg gegangen? Ich kann alles nur noch anzweifeln und lasse dies an anderen aus. Was bin ich denn jetzt? Ich war doch nie etwas anderes?” Stoßwasser presst die Fingernägel in seine Hände. vergräbt seine Hände ineinander: ”Das wirklich Schlimme ist ... Im Nachhinein wurde mir klar, dass es wie im Lehrbuch gewesen war. Er wurde ruhiger. Er hatte sich innerlich bereits damit abgefunden. Aber mich interessierte nur ein weiterer zufriedener Patient. Eine weitere Stütze für mein Ego. Das hätte ich sehen sollen. Es war mein Fehler. Er vergräbt sein Gesicht in seinen Händen. Erschüttertes Schweigen macht sich breit. Nach einer gefühlten Ewigkeit hebt er den Kopf wieder an, zieht ein Taschentuch aus seiner Seitentasche und schneuzt sich: ”Das werden Sie nun sicher in Uhrer Zeitung oder im Fernsehen bringen, Sie Journalist, oder?” Manuel schüttelt den Kopf: ”Ich bin Journalist und kein Arschloch.” Stoßwasser nickt, fährt sich mit seinen Händen durch die Haare und ruiniert damit endgültig seinen perfekten Scheitel: ”Wie kommt es, dass ich Ihnen das erzähle? Wildfremden.”
“The Heat of the Moment.” Bea antwortet mit einem Lächeln.

„Und was ist mit dir?“ Thomas blickt zu Lisa. „Genau“, Jacob stupst sie an. Lisa schaut zu Jacob mit einem Blick, der ihm Verrat unterstellt. „Ja Lisa“, Manuel schaut sie herausfordernd an. “Wir betreiben hier alle ziemlichen Seelenstriptease und außerdem war das deine Idee. Jetzt bist du dran.“

Lisa windet sich und vergräbt die Hände tiefer in ihren Taschen. „Ich habe keine wirkliche Angst. Ich bin ein ziemlich froher Mensch. Mein Bruder Jacob und ich.“ Sie deutet auf ihn und er lacht. “Wir mischen immer die Partys auf. Gehen auf Konzerte und schlagen uns die Nächte um die Ohren. Fahren Skaten, steigen auf Berge, machen Reisen und so weiter. Wir haben keine Ängste.“

„Du bist zwar taff, aber auch wir haben schon mal Angst. Das weißt du genau, Lisa.“ Lisa schaut zu Jacob: „Nein, darauf geh ich nicht ein.“
„Worauf?“, fragt Manuel. Auch Stoßwasser schaut interessiert zu Lisa.
„Naja, in letzter Zeit gehen wir nicht gerne raus und bleiben öfters mal daheim. Das ist auch okay.“

„Warum ist dem so?“ Stoßwasser mischt sich in die Unterhaltung ein.
„Los, erzähl es ihnen Lisa“, aufmunternd blick Jacob sie an und Lisa knickt ein: “Also gut. Jacob und ich waren in einem Pub. Den alten, heruntergekommenen in der Weststadt. Wir haben ein wenig über den Durst getrunken und Jacob hat sich Ärger eingehandelt. Das macht er immer und ich muss ihn da rausholen. So ist das halt mit kleinen Brüdern.“ Sie zwinkert ihm zu.

„Ja so bin ich.“ Jacob lacht. „Und dann?“ Stoßwasser will jetzt unbedingt wissen, wie es weitergeht. „Nichts weiter. Es wurde ein wenig brutal. Er und so ein Biker haben sich hin und her geschubst. Es war schnell vorbei.“ Lisa blickt auf den Boden und streicht sich über den Arm. „Das war nicht alles Schwester und das weißt du!“ Sie blickt zu Jacob: „Nein, ich will nicht.“
„Oh doch, Schwesterchen!“ Mit einem tiefen Seufzer fährt Lisa fort: „Als wir später den Pub verlassen haben hat der Biker auf uns gewartet. Er hat uns überrascht - mich zur Seite gestoßen und auf meinen Bruder eingeschlagen.“
„Er hat nicht nur geschlagen Lisa!“
Lisa läuft eine Träne die Backe hinunter als sie zu Jacob blickt: „Nein.“
„Du weißt was passiert ist. Er hatte ein Messer.“
„Ja, Nein.“ Manuel fragt nun auch: „Was ist mit Jacob passiert Lisa?“ Lisa fährt sich nervös durch die Haare: “Der Biker hatte ein Messer.“ Sie schaut zu Jacob welcher sie anlächelt.

„Lisa wo schauen Sie hin?“, fragt Stoßwasser behutsam. „Ich blicke zu meinem …“ Da sieht sie nur noch einen leeren Platz wo Jacob saß. Sie atmet tief ein.
„Sie wohnen nicht in diesem Haus oder?“, fragt Manuel. „Ich dachte es mir schon vorhin. Sie wären mir aufgefallen. Vielleicht wäre ich nicht gleich auf den Namen gekommen, aber sie wären mir mit Sicherheit bekannt vorgekommen.“

„Du hast den Knopf für die höchste Etage gedrückt“, bemerkt Jacob. Manuel, Stoßwasser und Bea schauen auf das Bedienfeld. Die Knöpfe leuchten nicht auf. „Ich habe das schon vorhin bemerkt. Nervöse Menschen neigen dazu, alles zu beobachten.“

„Was wollen Sie hier Lisa?“
Lisa hebt den Kopf und blickt zur Decke: „Jacob und ich dachten immer, dass uns die Nacht gehört. Sie war meine liebste Zeit. Aber dieser Dreckskerl hat sie mir genommen. Er hat mir alles genommen was ich hatte und geliebt habe.“ Nach kurzem Zögern greift sie in die Tasche und es kommt ein Dietrich zum Vorschein. Sie wirft ihn auf den Boden: „Ich habe gelesen, man kommt leicht aufs Dach.“

Die Gruppe verfällt verblüfft ins Schweigen. Bevor jemand etwas sagen kann geht das Licht erneut aus und wieder an, strahlt daraufhin aber noch viel heller. Eine erneute Durchsage dröhnt durch den Lautsprecher: „Ratet mal was sich wieder bewegt?!“

Der Fahrstuhl setzt sich wieder in Bewegung. Alle stehen auf. Stoßwasser gibt Lisa eine Karte: “Ich kann Sie nicht behandeln, da wir uns jetzt schon zu gut kennen und ich ebenfalls über einiges nachdenken muss, aber ich habe einen Kollegen ein paar Straßen weiter und er ist ziemlich gut. Um ehrlich zu sein, besser als ich. Gehen Sie bitte zu ihm!“ Lisa nimmt die Karte und sieht sie an: „Ich war noch nicht mal an seinem Grab.“
„Damit würde ich vielleicht beginnen“, lächelt sie Stoßwasser aufmunternd an.
„Ich weiß nicht, ob ich das alleine packe.“
„Ich habe heute noch nichts vor.“ Manuel schaltet sein Handy ab und steckt es in seine Tasche. Lisa wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und nickt.

Die Tür geht auf. Bea nimmt Thomas am Arm, welcher daraufhin starr vor Schreck wird. Sie zieht ihn hinter sich her und schenkt den anderen noch ein Lächeln, bevor sie endgültig aus deren Blickfeld verschwinden. Lisa blickt auf den Platz wo Jacob saß. „Sie mögen Leute verloren haben, Herr Stoßwasser. Aber heute haben sie jemanden gerettet.“

Manuel flüstert dem Arzt zu: „Danke. Sollten Sie mal ein Buch rausgebracht haben, dann schicken Sie mir eine Erstausgabe und wenn ich jemals einen Roman schreiben sollte, bekommen Sie den Vorzug.“

„Vielleicht fange ich mit Kurzgeschichten an.“ Er schaut sich noch einmal im Fahrstuhl um: „Fünf Menschen in einem stecken gebliebenen Fahrstuhl. Klingt spannend.“ Stoßwasser lächelt und schaut zu Lisa welche sich langsam Richtung Tür begibt. Zusammen verlassen sie den Aufzug und blicken nicht zurück.
 

Joker1986

0711er
Diese Geschichte hat das Thema Angst gut wiedergegeben bzw die Angst als Thema.
Hier verbreitet die Geschichte weniger Angst als dass Sie sich die Angst zum Thema nimmt. Sehr schön.
Auch hier eine solide Geschichte ohne Schwächen und nettem Ende aber leider auch ohne wirklichen Höhepunkt.. Wird wohl leider auch knapp an den Punkten vorbeischrammen.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Das Thema ist sehr gut getroffen, die einzelnen Geschichten sind ganz nett und der Twist ist auch ganz nach meinem Geschmack.*
Allerdings geht es mit dem Seelenstriptease viel zu schnell. Die Leute stecken - zumindest gefühlt - gerade mal einige Minuten im Fahrtuhl fest und fangen schon an, sehr private Dinge zu erzählen. Und dass auch gleich sehr emotional.

*Noch besser hätte es mir wohl gefallen, wenn Jacob von dem Biker nicht getötet sondern nur schwer verletzt worden, anschließend PTBS Patient von Dr. Stoßwasser geworden und dann schließlich vom Dach gesprungen wäre.
 

Jizzle

Well-Known Member
Nette Idee, guter Schreibstil, aber so richtig kommt keine Atmospähre auf!

Ich kam aber bei all den Figuren zuz Beginn nur schwer in die Story rein und mir gelang es zu Beginn nicht eine Übersicht zu finden.
Wer ist wer? Wer steht wo?
Das hat gedauert...

Zudem stört mich, dass der Autor sich unbewusst zu sehr mit seinen Sprachkenntnissen profiliert und es kommt keine Spannung auf... Der Seelenstriptease passt irgendwie nicht. Ich sehe es wie Manny. Es kommt zu schnell.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich zu den Menschen höre, die noch nie einem Fahrstuhl stecken geblieben sind, aber ich kriege bei dieser Thematik leider keine Angstzustände... :wink:
 

HurriMcDurr

Well-Known Member
Jizzle schrieb:
Nette Idee, guter Schreibstil, aber so richtig kommt keine Atmospähre auf!
[...]
Zudem stört mich, dass der Autor sich unbewusst zu sehr mit seinen Sprachkenntnissen profiliert und es kommt keine Spannung auf...
Das empfinde ich gar nicht so. Ich finde der Autor versteht es sehr gut die Geschehnisse durch Sprache atmosphärisch zu visualisieren - ich hatte auch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl er würde sich in seiner gewählten Ausdrucksweise profilieren. Die Tatsache, dass alle agierenden Personen sehr schnell ihr Herz ausschütten ist zwar nicht unbedingt logisch, aber angesichts der Tatsache, dass wir es hier mit einer Kurzgeschichte zu tun haben definitiv verzeihbar.
Da dies erst die zweite Geschichte ist, die ich gelesen habe, kann ich zur Punkteverteilung noch nichts sagen.

EDIT: Kann es sein, dass "Mike" ein Namensausrutscher war, oder habe ich da irgendetwas verpasst?
 

Clive77

Serial Watcher
Gute Geschichte - hatte irgendwie auch erwartet, so 'ne Fahrstuhl-Situation hier vorzufinden.
Ich hatte anfangs ein paar Probleme, durch die Figuren durchzufinden, aber das hat sich dann später geklärt. Unglaubwürdig fand ich aber, dass die Leute im Fahrstuhl Handy-Empfang haben. Die Dinger sind aufgrund ihrer Bauart eigentlich fast immer so gut isoliert (und zudem noch in einem größeren Gebäude), dass man den Mobilfunk dort vergessen kann.

Zudem bin ich schon öfter mit dem Fahrstuhl stecken geblieben und in allen Fällen führte das Teil dann selbstständig einen Reset durch, fuhr zum Erdgeschoss und öffnete die Türen. Dass garnix mehr geht, kam jedenfalls bei mir noch nie vor. Aber vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück.

Abgesehen davon fand ich die Geschichte aber gut und auch den kleinen Twist um Lisa gelungen. Dabei hat mich auch nicht gestört, dass die Figuren recht schnell anfingen, sich persönliche Dinge zu erzählen - passte für mich schon.

Punkte? Gut möglich.
 

Sittich

Well-Known Member
Clive77 schrieb:
Gute Geschichte - hatte irgendwie auch erwartet, so 'ne Fahrstuhl-Situation hier vorzufinden.
Ich hatte anfangs ein paar Probleme, durch die Figuren durchzufinden, aber das hat sich dann später geklärt
Da schließe ich mich direkt an. Beim ersten, eher unaufmerksamen Lesen habe ich mich mit der Figurenkonstellation eher schwer getan, aber wenn man konzentriert liest, entsteht eine schöne Dynamik zwischen den Figuren und es sind auch klare Charaktereigenschaften zu erkennen.
Ich fand den Ansatz, dass jeder ein bisschen über seine Ängste erzählt, ganz spannend, und war dementsprechend ein bisschen enttäuscht, als das nicht weiter verfolgt wurde. Der Zusammenbruch des Arztes war mir dann auch ein bisschen zu viel Seelenstriptease, den Twist um Lisa und Jakob fand ich wiederum auch sehr gelungen. In dem Zusammenhang ist mir lediglich dieser Satz aufgefallen

Clive77 schrieb:
„Du hast den Knopf für die höchste Etage gedrückt“, bemerkt Jacob. Manuel, Stoßwasser und Bea schauen auf das Bedienfeld
bei dem vermutlich eher Thomas als Jakob gesprochen hat :wink:

Als ich den Titel der Geschichte gesehen habe, musste ich lange überlegen, was denn ein Stuck ist. Mittlerweile habe ich es verstanden, aber da hätte sich bestimmt noch ein besserer Titel gefunden. :wink:

Achja, der Techniker war auch sehr amüsant. :squint:
 

McKenzie

Unchained
Bin da in etwa bei Manny. Das Thema ist gut, die Figurenkonstellation hat deutlich was vom klassischen King (Der verhinderte Autor, die panische Frau, der mürrische Anzugmann...). Was mir aber wie Manny missfällt, ist die schnelle Entwicklung des ganzen. Besonders der Seelenstriptease des Psychiaters kommt ein wenig aus dem Nichts. Weiterer Kritikpunkt wäre, dass man die Angst der klaustrophobischen Frau kaum spürt. Würde es nicht von den anderen Personen immer wieder gesagt, hätte ich dem kaum weiter Beachtung geschenkt. Letzter leichter Minuspunkt ist für mich, dass der Twist (der als solcher aber durchaus gefällt) irgendwie nicht so richtig ideal zur Geltung kommt. Er ist da, man kann folgen, aber es fehlt irgendwie ein bisschen..oomph :biggrin: Dürfte ein bisschen knackiger reinfahren.

Insgesamt gefällt mir die Geschichte aber. Dürfte gern noch detaillierter und länger ausgearbeitet werden (losgelöst vom Wettbewerb und der Zeichenobergrenze halt), dann würden die Entwicklungen sicher gleich stimmiger vorangehen.
 

MamoChan

Well-Known Member
Das Thema Angst wurde hier sehr gut mit einem klassischen Thema bearbeitet. :top: Die Charaktere waren in Ordnung. Vielleicht gab es ein paar viele Klischees, aber ich denke, das geht hier schon in Ordnung. Vielleicht hätte es auch nicht geschadtet, den einen oder anderen Charakter wegzulassen.
Ich hatte Anfangs meine Probleme mit der Übersicht, auch wegen des teilweise sehr gehetzten Schreibstils. Eben dieser wollte mir nicht so ganz gefallen. Ich empfand ihn wie gesagt teilweise als sehr gehetzt und zu sehr auf Abstand. Ich kan es schlecht beschreiben, aber viele Formulierungen oder Sätze erschienen mir in meinen Augen nicht richtig zu sein.
 

Schneebauer

Targaryen
Schöne Prämisse und intressante hernagehensweise an das Thema. Wenn man sich mit den Figuren ein wenig zurechtgefunden hat, kommt auch so etwas wie Atmosphäre auf. Was mich allerdings stört ist, dass es einfach viel zu schnell geht. Kurzgeschichte hin oder her. Das wirkt nach so einer kurzen Zeit einfach unglaubwürdig. Auch die Sprache - so würde doch keiner nach ein Paar Minuten miteinander reden? Auch der Techniker nicht. Wenn man es hier irgendwie geschafft hätte dem Leser zu vermitteln, die Gruppe würde seit Stunden da festsitzen - ohne Aussicht auf Rettung - wäre das sicherlich besser rübergekommen. Aber jeder sagt Zuhause Bescheid und lt. Notruf ist auch alles halbwegs fix behoben. Ich sehe da kein Grund warum die Personen so handeln sollten (die Klautrophobe mal ausgeschlossen).

Handwerklich sicherlich gut, aber inhaltlich glaub ich reichts mir nicht.
 

Woodstock

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Ja, es ist eine Kurzgeschichte, ja man muss auf die Länge achten aber trotzdem ging alles viel zu schnell und war zu chaotisch. Dafür war die Wendung mit Jakob(?) ganz gut. Das Ende war daraufhin aber wieder leicht zu lang. Eindeutig steckt hier am meisten Arbeit drin aber von mir bekommt es leider trotzdem keine Punkte. :sad:
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Die Geschichte ist ziemlich gut geschrieben und die Grundidee gefällt mir auch. Ist jetzt nicht besonders originell, aber ordentlich. Die Umsetzng fand ich leider nicht optimal. Zum einen sind es ein paar Figuren zu viel, sodass zu viel Platz für die Einführng draufgeht und die Entwicklung mit dem Seelenstriptease zu gehetzt rüberkommt. Da würde ich z.B. Thomas streichen und die restlichen länger drin sitzen lassen bevor sie anfangen, ihre Geheimnisse und Ängste auszuplaudern. Es war so offensichtlich, dass Thomas und Lisa zusammenkommen, als er von seinem Date abserviert wurde und sie sich so verständnisvoll zeigte. Ich fand es auch unnötig, die genaue Position von jeder Figur im Fahrstuhl zu beschreiben. Ob Manuel links oder rechts von Bea steht, ist doch irrelevant und verschwendet nur Platz.
Zum anderen waren die Dialoge etwas verwirrend aufgebaut, wenn in demselben Absatz mehrere Personen reden. In der Regel spricht jede Figur in einer neuen Zeile.
Zum Beispiel:
„Kann er bitte aufhören zu sprechen!“, beklagt sich Bea. „…je dois les informer que leur ascenseur est coincé. Nous nous occupons de cela. S'il vous plaît être patient.“
Das kommt so rüber, als würde Bea auf Französisch weiterreden. Und solche Vermischungen kommen mehrmals vor.
Natürlich gibt es Autoren, die auf die üblichen "Regeln" pfeiffen und die Dialoge nach eigenen Regeln aufbauen (z.B. Hubert Selby und Cormac McCarthy). Aber dann muss man konsequent sein und die gesamten Dialoge nach demselben Schema aufbauen (und zwar so, dass trotzdem erkennbar ist, wer was sagt). Das können nur die wenigsten und hier hatte ich das Gefühl, dass bei den Dialogen völlig willkürlich entschieden wurde, wann ein Zeilenumbruch angebracht ist.

Das klingt jetzt nach viel negativer Kritik, aber so schlecht fand ich die Story nicht. Ich würde sagen, sie ist überdurchschnittlich gut.

Als Kind war ich mehrmals in Fahrstühlen stecken geblieben (nicht in Deutschland). Ein Mal sogar über mehr als fünf Stunden auf engstem Raum, da waren wir mit sieben oder acht Leuten eingestiegen und den Aufzug überladen. Aber ein Trauma habe ich davon zum Glück nicht bekommen, fahre in den letzten Jahren täglich mit unserem Fahrstuhl. Kenne aber Leute, die eigentlich nie steckengeblieben sind und trotzdem Angst davor haben, mitzufahren. Sie nehmen lieber die Treppe, wenn sie mich besuchen :squint:
 

Woodstock

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Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich lass sie 7 Seiten schwafeln und töte niemanden! Mein Image! Mein Image! Na gut, einen habe ich umgebracht aber irgendwie, war der ja auch schon tot. Das zählt nicht so richtig. Ach, ich mache es einfach wie Sittich und lass sie das nächste mal einfach vögeln! :ugly:

Manny schrieb:
*Noch besser hätte es mir wohl gefallen, wenn Jacob von dem Biker nicht getötet sondern nur schwer verletzt worden, anschließend PTBS Patient von Dr. Stoßwasser geworden und dann schließlich vom Dach gesprungen wäre.
Hatte ich kurz überlegt aber der Aufbau dafür, wäre wieder zu lange gewesen. Dann hätte ich die Zeichengrenze gesprengt. Aber ja, ich war mit meinem Ende auch nicht ganz zufrieden. Ich wollte es plötzlicher enden lassen aber ich wollte auch alle Handlungsstränge beenden.

Ja, ich hatte zu viele Charaktere, das habe ich schon beim Schreiben gemerkt und der Anfang war zu umständlich. :squint:


HurriMcDurr schrieb:
Jizzle schrieb:
Nette Idee, guter Schreibstil, aber so richtig kommt keine Atmospähre auf!
[...]
Zudem stört mich, dass der Autor sich unbewusst zu sehr mit seinen Sprachkenntnissen profiliert und es kommt keine Spannung auf...
Das empfinde ich gar nicht so. Ich finde der Autor versteht es sehr gut die Geschehnisse durch Sprache atmosphärisch zu visualisieren - ich hatte auch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl er würde sich in seiner gewählten Ausdrucksweise profilieren. Die Tatsache, dass alle agierenden Personen sehr schnell ihr Herz ausschütten ist zwar nicht unbedingt logisch, aber angesichts der Tatsache, dass wir es hier mit einer Kurzgeschichte zu tun haben definitiv verzeihbar.
Da dies erst die zweite Geschichte ist, die ich gelesen habe, kann ich zur Punkteverteilung noch nichts sagen.

EDIT: Kann es sein, dass "Mike" ein Namensausrutscher war, oder habe ich da irgendetwas verpasst?
Ich wollte mich eigentlich nicht profilieren aber ich habe ein wenig versucht auf die jeweilige Ausdrucksweise der Figuren zu achten. Ein Schnösel spricht anders, als ein Jugendlicher. Sowas in der Art. Danke für die Verteidigung Hurri! Und ja, ich habe mittendrin von einer Figur den Namen geändert, da ich "Mike" für zu englisch gehalten habe. Dieser muss mir entgangen sein. Namen sind auch nicht gerade meine Stärke. :biggrin:

Clive77 schrieb:
Unglaubwürdig fand ich aber, dass die Leute im Fahrstuhl Handy-Empfang haben. Die Dinger sind aufgrund ihrer Bauart eigentlich fast immer so gut isoliert (und zudem noch in einem größeren Gebäude), dass man den Mobilfunk dort vergessen kann.

Zudem bin ich schon öfter mit dem Fahrstuhl stecken geblieben und in allen Fällen führte das Teil dann selbstständig einen Reset durch, fuhr zum Erdgeschoss und öffnete die Türen. Dass garnix mehr geht, kam jedenfalls bei mir noch nie vor. Aber vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück.
Ich habe in einem Fahrstuhl noch nie telefoniert und bin auch noch nie stecken geblieben. Ich kann mir aber vorstellen, dass ich die Leute schnell zum reden kriegen würde. Normalerweise würde ich solche Sachen ausprobieren oder recherchieren. Aber da habe ich einfach nicht dran gedacht. Die Sache mit den Telefonen ist auch eine spontane Idee gewesen, da ich die Verbindungen der Einzelnen Figuren darlegen wollte. Einer ist ein leichter Workaholic, der andere hat sein Date verpasst, der alte steht unterm Pantoffel. Hätte man besser lösen können.

Allgemein danke ich für das Feedback! Kurzgeschichten sind nicht so mein Ding, weswegen ich wohl nie eine hohe Punktzahl erreichen werden aber vielleicht liegt es auch am Genre. Keine Action, keine Toten, keine Witze, kein Horror. Da kommt keine Stimmung auf! :ugly:

@Tyler

Das mit der wörtlichen Rede ist zufällig passiert. Ich habe an unterschiedlichen Tagen weitergeschrieben und tatsächlich nicht drauf geachtet. Auch bei späteren Korrekturen habe ich da etwas Mischmasch betrieben. :facepalm:
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Woodstock schrieb:
Allgemein danke ich für das Feedback! Kurzgeschichten sind nicht so mein Ding, weswegen ich wohl nie eine hohe Punktzahl erreichen werden aber vielleicht liegt es auch am Genre. Keine Action, keine Toten, keine Witze, kein Horror. Da kommt keine Stimmung auf!
In meinen Geschichten gibt es immer wieder mal Tote und ich bekomm trotzdem nicht allzuviel Punkte. Mach dir also nichts vor. :ugly:
 

MamoChan

Well-Known Member
Woodstock schrieb:
Allgemein danke ich für das Feedback! Kurzgeschichten sind nicht so mein Ding, weswegen ich wohl nie eine hohe Punktzahl erreichen werden aber vielleicht liegt es auch am Genre. Keine Action, keine Toten, keine Witze, kein Horror. Da kommt keine Stimmung auf! :ugly:

Hoffentlich trete ich nun nicht in ein Fettnäpfchen, aber was hindert Dich denn daran in deinen Kurzgeschichten Action, Tote, Witze und Horror einzubauen. :confused: Oder habe ich nur den WItz nicht verstanden? :confused:
 

Woodstock

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Ich hatte die Wahl zwischen dem Genannten und dem hier geposteten. Aber das andere ließ sich nicht gut mit Angst verbinden. :squint:

@Manny
Da gibt es nur eines. Mehr Leichen!!
 
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