War gestern in Dortmund, um mir dort žPostal im Beisein von Uwe Boll anzuschauen. Kritik ist im Postal Thread.
21 Uhr sollte die Vorstellung beginnen, daher fanden sich mein Freund und ich um 20.30 Uhr vor dem Kino in der nördlichen Innenstadt Dortmunds ein.
Mein Freund hatte noch nichts von Boll gesehen, und ich sagte ihm auch lieber nicht, wie die bisherigen Versuche des žMeisters ausgefallen sind¦
Knapp 50 Leutchen ins Kino passen aber auch nur knapp 100-120 Leute standen bereits draußen. Etwa 90 Leute waren insgesamt dann auch da. Schnell die Karten geholt, einen Döner hinterher und zurück.
Zu meiner Überraschung stand der Meister dann bereits draußen und hatte sich unters Publikum gemischt und war in Gespräche verstrickt.
Dann ging es schließlich hinein. Das Kino ist klein aber fein, die Sitze gemütlich und eine Ablage fürs Bier gab´s auch. :uglylol:
Dann ging es auch schon los. Der Kinobesitzer stellte den Regisseur kurz vor und übergab dann das Mikro an Boll.
žJa, erst einmal vielen Dank das ihr den Film überhaupt spielt war der Beginn seiner Begrüßung. Boll berichtete von den Festivals in den USA. (žIn Texas baumelte eine Osama bin Laden Puppe aufgehängt im Kino rum und einige Zuschauer kamen mit ihren umgeschnallten Pistolen in die Vorstellung. Da macht man sich Gedanken. Ich bat sie auch darum, den Film nicht persönlich zu nehmen¦)
Dann gab er eine kurze Übersicht über die Probleme žPostal in US- und deutschen Kinos unterzubringen und beendete seine kurze Begrüßung mit den Worten:
žEgal welche Hautfarbe, Nationalität oder Glauben ihr habt: Jetzt gibt es auf die 12!
Dann startete der Film und die Reaktionen im überaus gemischten Publikum hätten unterschiedlicher nicht sein können: Einige brüllten sich weg, anderen sah man an, das sie ziemlich viel Spaß hatten, sich aber gleichzeitig überlegten, in was sie denn hier hinein geraten sind, andere waren einfach nur schockiert. Vor uns saß z.B. ein Pärchen, bei dem der Mann mehrfach seine Frau beruhigen musste.
Ich persönlich empfand es auch als ziemlich grenzwertig, als Szenenapplaus aufbrauste, als Kinder erschossen wurden. Was Boll damit bezwecken will ist klar, aber Szenenapplaus¦? :uglygaga: :kopfdreh:
Als der Film dann vorbei war applaudierte etwa ¾ des Saals, der restliche Teil buhte zwar nicht, war aber trotzdem recht leicht zu erkennen.
Ich persönlich ohne der Kritik vorgreifen zu wollen war recht amüsiert, hatte gleichzeitig aber das žWTF ??? Gefühl und kann bis jetzt noch nicht so ganz einordnen, wie ich den Film moralisch bewerten soll. Aber eins steht fest: Vor dem Mut Bolls kann man nur den Hut ziehen! Eine solche žKriegserklärung mit so deutlichen, absichtlichen Provokationen zu filmen, dazu gehört schon was.
Danach stand der Meister noch Rede und Antwort, was sich anfangs ein wenig zäh gestaltete, so das er erst einmal einen kleinen Monolog hielt, in dem er sich selbst ein wenig in Rage redete. Auch hier bekamen alle ihr Fett weg: Terroristische Islamisten (žFundamentalistische Wichser), Bush (žDas korrupteste, mieseste Schwein), Al Gore (žWar 8 Jahre Vizepräsident und bekam die Fresse nicht auf. Jetzt wo er keine Power mehr hat, dreht er einen Film und schreibt ein Buch, in dem er sagt, das er schon mit 8 Jahren von der globalen Erwärmung wusste. Da fasst man sich doch an den Kopf.) oder die amerikanische Zensurbehörde (žIch kann in den USA 5 Minuten einen mit dem Bunsenbrenner quälen oder in Scheiben schneiden kein Problem. Doch sobald ein Kind erschossen wird oder ein Schwanz zu sehen ist, ist das Gejaule groß.)
Nach diesem launigen, ziemlich heiteren aber auch informativen Monolog kamen auch einige Fragen auf. Hier die wichtigsten Antworten im Überblick:
- In den USA kommt žPostal in einer um 7 Minuten gekürzten Fassung raus
- FSK in Deutschland ist 16
- Auf DVD wird es einen Directors Cut geben, der etwa 20 Minuten länger ist
- Die Funny Version von žHouse of the dead wird in Deutschland von splendid vertrieben und dürfte im Frühjahr erhältlich sein. Man habe einiges neu gedreht und diese Version habe viel vom žPostal Humor.
- žSeed habe er erst gar nicht zur FSK geschickt
- Pressevorführungen zu žPostal habe er gestoppt, da die Journalisten bei der ersten den Film zerrissen hätten. Sowas brauche er dann auch nicht.
- Ein zweiter Teil von žPostal ist durchaus realistisch
Kurz äußerte er sich auch noch zu den Boll Bashern und den notorischen Nörglern seiner Spiele Umsetzungen: Kritik sei absolut in Ordnung, doch wer einen Film beurteile, der noch gar nicht raus sei, dem ginge es ja nicht um das Endprodukt.
Ein weiteres nettes Zitat: žBei `House of the dead´ darf man natürlich nicht `Schindlers Liste`erwarten. Worum geht es denn im Spiel? Man schießt Zombies zu Brei, und ehrlich gesagt, machen wir im Film nichts anderes. Daher kann ich den Unmut nicht so ganz nachvollziehen.
Kritische Nachfragen blieben weitestgehend aus, für mich überraschend. Etwa nach 45 Minuten war das Gespräch dann vorbei. Einige Zuschauer verließen während des Gesprächs das Kino. Der Regisseur war danach auch gerne bereit, noch Autogramme zu geben.
Fazit: Sehr gelungener Auftritt von Uwe Boll. Er kam sympathisch rüber, machte mächtig Dampf und unterhielt gut. Seinen Standpunkt ob man diesen nun teilt oder nicht brachte er klar rüber. Er trat in der Sache durchaus agressiv auf, war aber extrem Fan- und Zuschauerfreundlich. Davon können sich die meisten anderen žStars ruhig eine Scheibe abschneiden.
Insgesamt gesehen war es wirklich eine positive Erfahrung und Boll hat auf der žmenschlichen Ebene Punkte bei mir gut gemacht. Und das sage ich als jemand, der seine bisherigen Filme als grottenschlecht (žHouse of the dead), gerade so eben noch passabel (žAlone in the dark) oder langweilig und billig (žBloodrayne) bezeichnet hat.
Wer Gelegenheit hat, sollte eine Vorstellung im Beisein von Boll besuchen. Unabhängig vom Film ist das nämlich alleine schon sehr gelungen.
:yeah: