Das ganze ist ein polit-makroökonomisches Dilemma. Die einzige langfristige Lösung für Griechenlands Finanzkrise ist eine auf privat Investitionen aufgebaute Umstrukturierung ihrer Wirtschaftssektoren, vom öffentlichen Sektor hin ins private. Das Austeritätsprogramm und die Ausgabenseitige Konsolidierung, welche Troika und IWF der griechischen Wirtschaft auferlegt haben, sorgen aber wenig überraschend für deflationäre Tendenzen, die nach dem Schuldenschnitt ein angemessenes Wirtschaftswachstum unmöglich machen. Schon 2010 war klar, dass aus makroökonomischer Sicht eine neu-keynesianische expansive Fiskaltpolitik in Kombination mit strukturellen Reformen und kurzfristig starker staatlicher Nachfragesteuerung die einzige reelle Möglichkeit ist, in Griechenland eine gesund wachsende Wirtschaft überhaupt entstehen zu lassen. Das hätte allerdings zwei Dinge benötigt: Kurzfristig mehr Schulden machen um langfristig Schulden abzubauen und bedingungslose Investitionen der anderen EU Länder. Und genau hier entsteht das oben kurz angesprochene Dilemma, für die notwendigen Schritte gab es innerhalb der anderen Euro Länder keinen politischen Willen, sowohl bei Bevölkerung als auch Industrie und Politik.
IWF und EU agieren hier in ihrer Philosophie Neoliberal aber auch egoistisch. Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten ist mangelhaft, die Lösung des IWFs und der EU ist eine Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Austerität, Abbau von Sozialausgaben und Senkung des Lohnniveaus. Dies macht durchaus Sinn, unterschlägt aber, dass die Austeritätsprogramme der einheimischen Wirtschaft die Nachfrage abwürgen und ignoriert auch die politischen Gegebenheiten im griechischen Staat. Sozialausgaben und öffentlichen Dienst (der im übrigen weniger aufgebläht ist als in deutschen Medien oftmals dargestellt, sondern viel mehr in seiner Struktur problematisch ist) zu kürzen, das künstlich aufrechterhaltene Lohnniveau senken ist rein disziplinäre Machtpolitik, die in seiner Natur Widerstände erzeugen muss. Ein gesünderer Ansatz für Griechenland wäre eine Förderung der einheimischen Nachfrage nach einheimischen Produkten und damit des einheimischen privaten Mittelstandes, unterstützt durch Governmentality Programme zur Förderung von ökonomisch agierenden Unternehmern, gewesen. Dies hätte aber nicht nur einen drastischeren Schultenschnitt oder Schuldentilgung, sondern auch klassischen Protektionismus der griechischen Wirtschaft vorausgesetzt, was beides den Interessen aller anderen EU-Länder sowie des IWFs absolut widerspricht. Verständlicherweise. Um nur ein Beispiel raus zu picken, Griechenland ist trotz der Schuldenkrise, seines aufgeblähten Staatshaushalts und der geringen Bevölkerung von 2010-2014 drittgrößter Abnehmer der deutschen Rüstungsindustrie gewesen.