Es gibt in der Kampfkunst-Community eine kleine Anekdote, die in Deutschland noch viel zu wenig Verbreitung gefunden hat, (und die u.a. Dan Inosanto erzählt haben soll), deshalb möchte ich sie hier mal in aller Ausführlichkeit wiedergeben. Wer's nicht glaubt, kanns ja lassen, oder wenigstens Googeln.
Bei der Geschichte geht es um die Dreharbeiten des Filmes "Deadly Revenge - Das Brooklyn Massaker" (Out for Justice, 1991) als Mr. Seagal noch der neueste up-and-coming Actionstar im Kino war und nicht das unförmige direct-to-video Krümelmonster, dass sich beim Treppensteigen doubeln lässt. Damals war er noch schlank, rank und nach eigener Überzeugung sehr gefährlich.
Er hatte sich längst einen Ruf für arrogantes Verhalten und Casting Coutch-Attitüde erworben ("Komm her und zeig mir ein bisschen Respekt") und war bei der Stunt-Crew berüchtigt dafür, dass er ihnen überraschend in die Eier trat "um zu testen ob sie einen Tiefschutz tragen".
Bei diesen Dreharbeiten hat einer der Stuntleute ein altes Martial Arts-Urgestein angeheuert, ein Mann namens Gene LeBell, in Fachkreisen auch bekannt als "Judo-Gene". Heute ist der Herr weit über Siebzig, darf sich rühmen, einer der Ersten gewesen zu sein, der fernöstliche Kampfkunst im Westen verbreitete, gilt als Koryphähe in Sachen Grappeling (also Würge- und Festhaltetechniken), trainierte unter anderem mit Bruce Lee, Chuck Norris, Bill "Superfoot" Wallace, Benny "The Jet" Urquidez, "Rowdy" Roddy Piper, Ken Shamrock, The Rock, der Machado-Familie usw. usf.
Bei besagten Dreharbeiten war er also nach Adam Riese und Eva Zwerg um die sechzig Jahre alt.
Ein paar der geschundenen Stuntleute machten sich nun irgendwann einen Spass daraus, Seagal damit aufzuziehen, ein guter Judo-Mann wie der ältliche LeBell könnte ihn vermutlich besiegen, wenn er ihn erstmal in die Finger bekam. Stevie-Boy widersprach natürlich, in seiner üblichen buddhistisch-bescheidenen Art, und prahlte damit, gegen Würgetechniken ohnehin immun zu sein.
Es ist unklar, inwieweit LeBell selbst in die Sache involviert war, oder ob es sich vielleicht um eine Art Wette handelte, aber die Stuntmen organisierten ein Treffen der beiden Männer. Ein Anwesender wurde später zitiert, dass Seagal "ganz offensichtlich keinerlei Ahnung hatte, wer Judo-Gene überhaupt war. Es war, als sähe man einer Ente zu, die einem Krokodil in den Rachen flog."
Jedenfalls, die beiden treffen aufeinander und Seagal lässt sich im Gespräch darüber aus, wie seine innere Stärke ihn immun gegen LeBells Techniken macht. Ohne viel Federlesens packt ihn LeBell, nimmt ihn in einen Würgegriff und klemmt ihm die Luft weg. Seagal läuft rot an, klopft ab und sagt, das sei unfair, er wäre noch gar nicht bereit gewesen. "Okay", sagt Lebell. "Sag mir, wenn du bereit bist." Beim zweiten Mal läuft Seagal blau an und versucht, den Haltegriff zu brechen, indem er LeBell an Augen und Weichteile geht. Judo-Gene zieht den Griff durch, Seagal wird schlaff und verliert die Kontrolle über Blase und Darm. Da lag er nun, Mr. Unbesiegbar, die Rettung des Action-Kinos, am Set seines neuesten Blockbusters, mit vollgemachter Hose.
Ein PR-Desaster wie aus dem Bilderbuch. Der Jubel in der Stunt-Community muss unbeschreiblich gewesen sein.
LeBells Reaktion darauf war angeblich eher nüchtern. "Ein Mann sollte seine Grenzen kennen", sagte er.
Aber natürlich hatte die Geschichte noch ein Nachspiel: Seagal wachte irgendwann auf und bemerkte, dass ihm etwas entglitten war. Es ist nicht exakt überliefert, was er als Erstes tat, jedenfalls war er außer sich vor Zorn, wechselte die Hose und feuerte die Stunt-Crew.
Kurz danach verklagte er LeBell wegen Körperverletzung und verlangte ein Berufsverbot.
Aber keine Angst, es gibt trotzdem ein Happy-End: Nach einer Weile machte 1) die Geschichte die Runde und 2) Seagals Agent sich berechtigte Sorgen um den Ruf seines Schützlings. Wenn diese Peinlichkeit vor Gericht und durch die Presse groß aufgebauscht würde und dann noch herauskäme, dass ein sechzigjähriger Opa für die Sache verantwortlich war ... nicht auszudenken.
Also bequatschte er Steven so lange, bis dieser zähneknirschend einwilligte und es wurde eine Vereinbarung ausgearbeitet, dass Seagal die Klage fallen lassen würde, wenn LeBell sich vertraglich dazu verpflichtete, diese Anekdote niemals wieder zu erwähnen.
LeBell, immerhin von Berufsverbot in Hollywood bedroht, unterschrieb und wiederholt seitdem immer, wenn er gefragt wird, ein- und denselben Satz: "Steven Seagal ist ein ausgezeichneter Schauspieler und ein hervorragender Kampfkünstler." Mehr sagt er zu dem Thema nicht