jak12345 schrieb:
also punkte mäßig is noch alles drin
Na gut, dann werde ich mal etwas konkreter
Vermutlich wird es jetzt hier zur Tradition, dass man erstmal sagt, wie man zu den Raimifilmen steht, bevor man sich zur Webb-Version äußert
Also: Ich mag die Raimi-Filme, ich bin ihnen dankbar, dass sie den Weg geöffnet haben für die ganzen Comicverfilmungen. Und ja, die ersten beiden Teile haben ja auch viele viele Stärken und ich werde sie immer mögen. Aber: Dieser unglaublich weinerliche Milchbubi-Parker, diese halbzeitdepressive MJ, diese teils überdramatisierten Kitsch-Momente. Das alles störte mich. In den besten Momenten konnte man von philosophischem Anspruch sprechen, in den schlimmsten von einem Spiderman mit angezogener Handbremse.
Es gab in meinen Augen also vieles, was besser geht. Ja, und jetzt sind wir in einer Situation, die hier für viele, viele, viele Diskussionen sorgen wird. "The amazing Spiderman" macht nämlich tatsächlich vieles (teils bei weitem) besser, aber auch tatsächlich einiges Sachen etwas schwächer! Jede Version hat seine Vor- und Nachteile. Und es wird wohl letztlich der subjektive Geschmack eines jeden sein, der darüber entscheidet, welche Version einem mehr ans Herz wächst.
Für mich ist die Sache klar: Der Spiderman aus dem Jahr 2012 ist einfach mehr mein Ding!
Es sind gerade die Charaktermomente, die bei Webb viel besser funktionieren. Die Gespräche unter den Charakteren sind wesentlich natürlicher. Überhaupt: Es ist beinahe so, als nähme man einen märchenhaften Schleier der Überzeichnung, der über Raimis Versionen lag, weg und sieht nun zum ersten Mal eine wirkliche, eine reale Version des spinnernden Heldenstoffes. Genau das führt dazu, dass man bei einem unvermeindlichen tragischen Schicksalsschlag, der, zugegeben, näher an der Verfilmung von 2002 ist als erwartet, mehr, viel mehr, mitfühlt. In diesem Moment, der frei von jeglichem Kitsch ist, dafür echte Dramatik liefert, schleicht sich ein sehr ungutes Gefühl beim Zuschauer ein. Und ab diesem Moment entwickelt der Film einen Sog, eine mitreißende Spannung, die sich auch eine lange Zeit halten kann.
Bis es zu diesem Moment kommt, vergeht jedoch Zeit. Die Einführung der Charaktere nimmt viel Platz ein. Und was bei manchen Heldenfilmen schnell dröge wirkt, gelingt Webb ungemein spannend. Das ist umso überraschender, als dass ja bereits vieles der Entstehungsgeschichte bereits vor zehn Jahren durchgekaut wurde. Doch die Schauspieler sind in diesem Fall so hervorragend gewählt, die Auswahl der Szenen ist so toll zwischen dramatischen und amüsanten ausgewogen, dass man sehr gerne noch einmal Zeuge des Spinnenbisses wird. Ja, mehr noch: "The amazing Spiderman" gelingt es, zusammen mit "Batman Begins" und "Iron Man" die beste Origin-Story zu erzählen.
Doch wo Licht, da auch Schatten: Wo die Charaktere bei Webb viel besser gezeichnet sind, enttäuschen leider einige der Szenen, in denen Peter seine Kräfte kennen lernt. Davon ist keine schlecht, doch der Punkt geht - und der Vergleich sei verteufelt - eher an Raimi. Genau wie die Darstellung der Tante May (so geschrieben?), die im Gegensatz zur ultra-guten-Märchenoma bei Webb eher blass bleibt - Was aber auch an der Neuauslegung liegt, die im Falle der anderen Charaktere ja auch super funktioniert.
Ok, Webb kann also gut Charaktere in Szene setzen. Das wussten wir nun auch schon seit seinem tollen "500 Days of Summer". Aber wie sieht es mit der Action aus? Atmet auf: Auch hier ist alles im grünen Bereich und durchgehen auf hohem Niveau. Keine Wackelkamera, gute Choreografie, gute Ideen: Webb weiß mit den Fähigkeiten seines Helden umzugehen. Die verschiedenen Auseinandersetzungen sind abwechslungsreich gestaltet, ohne sich jemals im sinnlosen Bombast zu verlieren. Ganz selten sehen wir, wie auch im Teaser, die Welt aus Spidermans Augen - Jedoch immer nur Sekundenbruchteile. So verkommt ein guter Regie-Einfall nicht zum Selbstzweck, sondern bleibt seines sparsamen Einsatzes wegen eine willkommene Abwechslung. Der Lizard ist ebenfalls ein gelungener Gegner - toll gespielt, arg mächtig, gut in Szene gesetzt. Und ja, in einer kurzen Sequenz darf er sogar seinen Kittel tragen.
Verzeiht mir, das sollte eigentlich gar keine Kritik werden, sondern nur einige erste Eindrücke
Daher ist das jetzt nicht alles wohl überlegt. Aber ich denke, meine Meinung kommt rüber: Ich will unbedingt mehr sehen aus dieser Spiderman-Welt.
Stellen wir nun also noch die unausweichliche Frage: War dieser Reboot nun nötig? Nun, auch da kann man nun endlos diskutieren. Nachdem Raimi im dritten Teil Venom so unfassbar versaute war es aber in meinen Augen eine gute Entscheidung. Letztlich unterscheidet sich "Amazing Spiderman" vom 2002er Film nicht so sehr, wie er sich hätte unterscheiden können - Aber genug, um eine Daseinsberechtigung zu haben. Aber abseits dieser Reboot-Problematik bleibt festzuhalten, dass "Amazing Spiderman" einer der unterhaltsamsten Filme des Jahres geworden ist.
Also: 8/10 nicht weinenden Peter Parkers.