So, dazu muss ich jetzt einfach doch noch was schreiben. Denn der war so grossartig, ich kann das einfach nicht zurückhalten.
Zum Film also:
Freddie (Phoenix) ist ein gebrochener Typ, sowohl psychisch wie physisch. Der Film beginnt damit, wie er mit anderen unter Stresssymptomen leidenden jungen Soldaten aus dem Pazifikkrieg heimkehrt und auf einer Insel durch die Gegend geistert. Er braut sich seine eigenen Drinks aus Alkohol, Sprit und anderen Flüssigkeiten zusammen. Gesöffe, die einen Mann einmal fast umbringen und Dobbs (Seymour Hoffman) später im Film begeistern werden. Seinen späteren Job als Fotograf verliert Freddie, als er unvermittelt auf einen Kunden losgeht. Man wird nicht schlau, was in diesem unberechenbaren Menschen vorgeht. Eines Nachts landet er auf dem Schiff von Dobbs und dessen Familie u. Freunden. Dobbs ist sofort fasziniert von diesem kaputten Kerl und lädt ihn ein, bei ihnen zu bleiben. Dobbs ist Autor, Physiker, Doktor etc. etc., wie er selbst zu sagen pflegt. Und Schriftsteller natürlich. Sein Ziel, und damit das seiner ihm treu ergebenen, ja hörigen Jünger ist es, den Geist von Körper- und Zeitschranken zu befreien (so in der Art jedenfalls). Die Menschen sind gemäss seiner Theorie versklavte, in ihren Körper und der Zeitlichkeit eingesperrte Wesen, die nichts mehr von ihrer wahren Natur wissen. Mittels Übungen, Sitzungen und Befragungen will Dobbs die Mitglieder wieder an die höhere Geistesstufe heranführen, die ihnen eigentlich innewohnt.
Freddie gibt das perfekte Versuchsobjekt für all seine Verfahren ab, die Dobbs für sein zweites Buch noch entwickeln und verfeinern will. Freddie lässt sich auf das Experiment nicht nur ein, nein, eine Art Faszination bindet ihn förmlich an Dobbs, diese Master, der zwischen Selbstbeherrschung und kurzen Wutausbrüchen hin und herschwankt, vor allem ein Mann mit riesigem Charisma ist und der Freddie fordert und ihn tatsächlich dazu bringt, sich mit seinen inneren Dämonen zu befassen. Freddie wird nicht nur zu Dobbs Versuchsobjekt, sondern auch zu dessen Wachhund, der alles und jeden zerfetzt, der seinem Meister schaden will. Zwischen Dobbs und Feddie entwickelt sich eine verzerrte Form von Freundschaft. Sie wissen wohl selbst nie so ganz, was sie eigentlich an den anderen bindet. Dobbs Umfeld beobachtet diese Freundschaft kritisch. Freddie wird als Gefahr wahrgenommen. Die Freundschaft bedeutet zudem ein Kampf um Freddies Individualität. Platz an Dobbs Seite, in der Mitte seiner Anhängerschaft kann er nur haben, wenn sich Freddie in absehbarer Zeit den Regeln und der Uniformität der Gruppe unterwirft und sich in seiner Unberechenbarkeit zügeln lässt.
Ein merkwürdiger Film, dieser „the Master“. Die Story ist eigentlich sehr dünn. Die Figuren machen wenig Entwicklung durch und keine der Figuren bietet sich einem so richtig als Identifikator an. So klein die Story ist, so wuchtig sind die epischen, teils atemberaubenden Bilder. Der Soundtrack pendelt zwischen schräg, orchestral und zeitgenössischen (50er/60er) Klassikern hin und her.
Das Schauspiel, das geboten wird ist phänomenal. Phoenix ist eine Wucht, wie er unberechenbar, physisch ausdruckstark seinen verrückt-traurigen Eigenbrötler gibt. Hoffman legt seine Darstellung weniger exzentrisch an. Ist zurückhaltender, aber nicht minder beeindruckend. Man weiss nicht recht, was man von diesem Dobbs halten soll. Manchmal ist man erstaunt von dessen Charisma, mit der all diese Leute packt, er kann freundliche und spassig kumpelhaft wirken, doch unverhofft verwandelt er sich gleich so in das Bild eines dicken, verschwitzen Möchtegerns, der jähzornig versucht, seine „Familie und seine Rolle darin“ nicht zu verlieren.
Die Nebendarsteller machen ihre Sache alle sehr gut. Jede Rolle hat ihren Platz inne und keine ist überflüssig. Auch wenn sich die Bedeutung meist auf jeweils eine zentrale Szene beschränkt. Bis auf Amy Adams. Sie ist neben Hofmann und Phoenix der geheime dritte Star. Sehr zurückhaltend, ruhig, genauso hart, wie einfühlsam und dann wieder bedrohlich.
Um was geht es in dem Film eigentlich? Um eine Männerfreundschaft? Um die Frage nach der Macht eines charismatischen Führers und den Prozessen, die sich zwischen ihm und seinen Mitläufern abspielen? Geht es um die Mechanismen in einer Sekte? Geht es um die Anfänge Scientologys?
Es gibt zu eigentlich all diesen Themen die ein oder andere eindrückliche Szene, aber ich glaube dennoch, in erster Linie geht es tatsächlich um eine Freundschaft und in zweiter Linie um Individualität. Was bedeutet es, ein Individuum zu sein und was bedeutet es, Individualität aufzugeben? Macken, Exzentrik, Traumatas, Schwächen, ja sogar Psychosen, sind sie Teil der Individualität oder zerstören sie die Individualität – müssen sie ausgemerzt werden oder geht mit ihnen ein Teil des eigenen Selbst verloren? Was kostet es, einen unbequemen Menschen zu bändigen?
Diese Fragen und das Portrait einer äusserst merkwürdigen Männerfreundschaft bilden meiner Ansicht nach das Zentrum dieses Filmes. Und ja, ich fand ihn grossartig.
Für den Anfang, weil ich rein gar nichts zu bemängeln habe, gibts 10/10 Punkte.