Zuletzt gelesenes oder gehörtes Buch

Presko

Don Quijote des Forums
Und Russell erwähnt auch immer wieder, dass die von ihm kritisierten Philosophen einen wichtigen Beitrag geleistet haben und in einer anderen Zeit lebten. Das ist ihm also durchaus bewusst.
Das ihm das bewusst war, nehme ich fest an. Ändert halt nix an der grundsätzlichen Kritik.
Ich hab jetzt extra nochmal ein bisschen drin rumgelesen, und bin wieder in meiner Meinung bestärkt.
Ich persönlich würds gerade als Einführungswerk oder allgemeine Darstellung der wichtigsten philosphischen Strömungen nicht empfehlen. Als unterhaltsame Lektüre im Bewusstsein, dass man hier Russels sehr subjekte Einordnung und Bewertung liest, hingegen kann es schon funktionieren.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Emile M. Cioran - Dasein als Versuchung

Pessimistische Texte über Gott und die Welt, wieder toll geschrieben.

Fritz Leiber - Die Frau, die immer verschwand

Eine Sammlung von unheimlichen Erzählungen, die zwischen 1941 und 1982 entstanden.

Atmosphärisch und sehr gut geschrieben. "Rauchgeist" und "Belsen-Express" kannte ich schon vorher, aber alle anderen Geschichten waren für mich neu.
Meiner Ansicht nach hat Leiber das Horrorgenre modernisiert, indem er die Handlung in Großstädten spielen ließ und die (jeweils) aktuellen Themen mit einbaute. Hier gibt es Wolkenkratzer, Fabriken, Straßenbahnen, Aufzüge, die Werbeindustrie etc. Ich erinnere mich an eine Doku über Stephen King ("Shining in the Dark"), in der Mick Garris behauptet hat, dass Stephen King das Horrorgenre neu erschaffen hat, weil seine Geschichten in unserer Modernen Welt spielen und nicht mehr in abgelegenen Schlössern in Transsilvanien. Fritz Leiber hat es aber schon 30 Jahre früher gemacht und auf eine anspruchsvollere Art und Weise (wobei ich Kings Bücher keineswegs herunterziehen will - sie sind halt mehr "Pop" als die Sachen von Leiber).
Die älteren Geschichten sind teilweise vom Zweiten Weltkrieg geprägt, obwohl keine Story wirklich an der Front spielt.
Anspruchsvoller urbaner Horror und Weird Fiction - sehr empfehlenswert.

Louis-Ferdinand Celine - Krieg

In diesem Kurzroman (entstanden ca. 1934) erzählt Celine von seiner Verwundung im Ersten Weltkrieg und seiner Zeit im Krankenhaus.
Man merkt schon, dass das Manuskript nicht vollständig überarbeitet wurde. Die Namen von manchen Figuren ändern sich (zum Glück wird man in den Anmerkungen darauf hingewiesen) und die ersten 10 Seiten des Manuskripts fehlen. Obwohl es zwischen "Reise ans Ende der Nacht" und "Tod auf Kredit" entstand, unterscheidet es sich stilistisch von den beiden (z.B. werden hier nicht andauernd die berühmten Auslassungspunkte benutzt) und ist auch expliziter, was die Sexszenen betrifft.
Unter dem Strich fand ich es ganz gut, aber an die beiden oben genannten kommt es bei weitem nicht heran.

J.G. Ballard - Die Dürre

Zählt zu den Frühwerken (1965) von Ballard und ist einer von seinen Öko-Katastrophen-Romanen. Die chemischen Industrieabfälle behindern den Wasserkreislauf, was zu einer Dürre, einer Wasserknappheit und dadurch zu einem Zusammenbruch der zivilisierten Welt führt.

Es ist wieder sehr gut geschrieben und voll mit interessanten Charakteren, die sich nie ganz durchschauen lassen. Überhaupt ist die Handlung unvorhersehbar, obwohl viele typische Elemente von Ballard darin vorkommen - Zerstörung, Verwilderung, verlassene Städte. Das Ganze ist sehr bildhaft beschrieben und würde auch einen guten Film abgeben.
Hat mir sehr gut gefallen.

Dann habe ich versucht, "Zwei erbauliche Reden" von Sören Kierkegaard zu lesen, aber nach dreißig Seiten abgebrochen. Das war überhaupt nicht erbaulich, sondern nur verblendet-religiös und dogmatisch. Nichts für mich.
 

Bambi

hat verrückte Rehkitzideen
Dark Clouds - Der Regen ist dein Untergang von Thilo Falk.
Viele Protas mit nicht ganz so abgelutschten Namen, aber kaum Tiefe . Umgebungen war mir etwas zu deutlich beschrieb.Ich fand die Auflösung interessant und gleichzeitig gruselig. Nachwort weniger. Würde 7 von 10 Stofftieren geben
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Daniel Guerin - Anarchismus. Begriff und Praxis (1965)

Die Geschichte der anarchistischen Bewegung.
War ziemlich interessant, obwohl ich das meiste schon wusste. Anfangs ging der Anarchismus Hand in Hand mit dem Kommunismus und dem Sozialismus, aber die Wege mussten sich unvermeidbar trennen, weil der erstere jede Art von Regierung ablehnte, was die letzteren beiden nicht taten. Mehrere der "Gründerväter" (darunter auch Bakunin) hatten gewarnt, dass daraus schließlich eine Diktatur entstehen würde.
Hier sollte man aber auch bedenken, dass es viele Arten von Anarchisten gibt. Die sind sich keinesfalls alle einig, wie eine ideale (oder "richtige") Form von Anarchie aussehen sollte.

Ambrose Bierce - Gesammelte Werke

In diesem Buch sind diverse Erzählungen, Gedichte, Fabeln und Essays von Bierce gesammelt.

Viele Seiner Erzählungen drehen sich um den amerikanischen Bürgerkrieg, in dem er (auf der Seite der Nordstaaten) freiwillig gedient hat. Es geht um Tapferkeit und Verrat, Helden und Deserteure. Seine militärische Prägung merkt man auch daran, dass einige Geschichten mit dem Namen und dem Dienstgrad der Hauptfigur beginnen. Eine paar davon kannte ich schon (z.B. die mit der Brücke), die meisten aber nicht. Entgegen meinen Erwartungen kommen nur selten wirklich übernatürliche Elemente darin vor; häufiger ist es eher eine "Fügung des Schicksals". Sein oft ironischer Schreibstil lässt sich gut lesen.
"Stärker als Moxon" dürfte die älteste Geschichte über Künstliche Intelligenz sein. Natürlich gibt es hier keine Computer, aber einen Schachautomaten, der ein Eigenleben entwickelt und böse wird.

John Marks - Der Vampir

Eine Reporterin fährt nach Rumänien, um einen mysteriösen Mafioso zu treffen. Keine gute Idee.

Hat einige Anspielungen auf Dracula und erinnert auch an "Interview mit einem Vampir", zieht aber im Vergleich den Kürzeren. Die Ideen, die nicht von Genreklassikern übernommen wurden, fand ich nicht überzeugend, dafür teilweise klischeehaft und etwas konfus. Besonders gut geschrieben ist es auch nicht. Es gibt ein paar interessante Ansätze, aber unter dem Strich war ich alles andere als begeistert.

Anthony Burgess - Tremor

Eine Parodie auf den Spionage-Roman vom Autor von "Uhrwerk Orange". Hier wird der Kalte Krieg thematisiert.

Ziemlich kurzweilig und unterhaltsam. Der Erzählstil ist stellenweise experimentell, aber nicht so extrem wie in Uhrwerk Orange. Das Ende wirkte etwas dahingeklatscht, als hätte der Autor die Lust verloren.
Eine andere Sache, die mir ein wenig missfallen hat, war die hier vertretene Meinung, dass es nichts Schlimmeres als Neutralität gibt. Ich sehe es nämlich anders. Die aggressive Seite zu unterstützen ist in meinen Augen schlimmer, als sich aus einem Konflikt herauszuhalten. Wobei ich kaum einschätzen kann, welche Seite im Kalten Krieg die aggressivere gewesen war. Ein Grund mehr, neutral zu bleiben. Die Verteufelung der Neutralität erinnert mich zu sehr an die in sämtlichen Diktaturen geltende Regel: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
(Im aktuellen "Zweiten Kalten Krieg" ist es schon eindeutiger und deswegen bin ich in diesem Fall nicht neutral. Aber das nur am Rande.)
Da dieses Buch aber (anscheinend nicht allzu ernst gemeint ist, hat mich diese Haltung nicht so sehr gestört.

Oleg Postnow - Angst

Ein gotisch angehauchter Roman über einem Mann, der als Kind mit einer Hexe "verheiratet" wurde. Es spielt in der Ukraine (bis zum Zerfall der UdSSR) und später in den USA.

Kann man sich als eine Mischung aus Gogol und Nabokov vorstellen. Es ist sehr gut geschrieben und hat eine recht dichte Atmosphäre. Für meinen Geschmack hat der Autor zu viele Klassiker zitiert (um eine Situation zu beschreiben, heißt es bei ihm manchmal: "wie Nabokovs Pnin", oder "wie bei Poe" oder "wie bei Dostojewski" etc.) - da ging wohl der Philologe in ihm durch.
 

jimbo

Administrator
Teammitglied
Aber das ist doch einfach nur eine simpel Schachmaschine. Also das stelle ich mir zu simpel vor als das sie die Möglichkeiten hätte Menschen zu töten. Also ich stelle mir da einfach ein etwas dickeres Schachbrett vor, welches intern die Figurenbewegung steuert. Aus welchem Jahr ist die Geschichte denn? Oder ist da ein riesiger Arm der die Figuren bewegt?
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
@jimbo: Nee, im 19. Jahrhundert gab es "Schachautomaten". Das war nicht nur ein Brett, sondern ein ganzer Mechanismus mit einem Männchen dran. Edgar A. Poe hatte damals bewiesen, dass es Schwindel ist und dass sich darunter ein kleinwüchsiger Mensch verbergen muss.

EDIT: Man nannte die Dinger auch "Schachtürke".
 

foo7777777

Well-Known Member
Niklas Natt och Dag - 1793, 1794, 1795
(Winge und Cardell ermitteln Band 1-3)
2019-2022, Taschenbuch, 500+ Seiten, 1 Buch/Woche gelesen

Historische Kriminalromane im Stockholm des 18. Jahrhunderts...
[Also dieser Stempel hätte mich eher abgeschreckt, als motiviert sie zu lesen.]

Ja, die Kategorisierung trifft zu, sie sind aber weit mehr als das. Ein Zeitbildnis, eine Geschichtsstunde, ein Alptraum, einfallsreich, überraschend, beeindruckend bildlich, stellenweise sehr (sehr) extrem, aber eben auch unheimlich fesselnd, mit glaubhaften Charakteren.

Die Geschehnisse der ersten beiden Bände sind nach den vier Jahreszeiten gegliedert, jedoch in jeweils unterschiedlichen Reihenfolgen, aber stets nachverfolgbar.
Der letzte Band zeigt nacheinander die gleichen Jahreszeiten aus drei parallel laufenden Blickwinkeln und führt am Ende alle zusammen.
Die Geschichte könnte nach dem ersten Buch abgeschlossen sein, wird aber gut weitergesponnen, wobei Buch 2 und 3 nahtlos ineinander über gehen.

Es sind relativ kurze Kapitel, das finde ich persönlich immer besser zu lesen.
Könnte ich mir als Serienverfilmung vorstellen.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
@foo7777777: die Titel mit den Jahreszahlen erinnern mich an die Bücher von David Peace (1974, 1977, 1980 und 1983). Sind auch Kriminalromane/Thriller. Ich habe nur den ersten gelesen, aber der war echt gut.
 

foo7777777

Well-Known Member
Ich kannte vorher nur 1984. Ich mag einfache Buchtitel, gekünstelte Titel und/oder Cover schrecken mich total ab.

Danke für die Info, werde 1974 mal auf meine Liste setzten.
 
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