Was McKenzie sagt ist schon mal ein ziemlich wichtiger Punkt, finde ich. Der ganze Film ist dominiert von Beherrschung und Zurückhaltung, von einer Liebe der Unsicherheit, Ungewissheit, die etwas vermeintlich Verbotenes umgibt und sich deshalb lange Zeit nur über sehnsüchtige Blicke, vorsichtige Berührungen und einer öffentlichen Maskerade ausdrückt. Da ist dieser so intime Moment auch privat im doppelten Sinne, weil privat nicht nur das Privat- und Liebesleben der beiden meint, sondern auch das Miteinander der beiden im Privaten, wenn sie völlig ungestört sind, nur unter sich. Es passiert ja auch, wenn sie außerhalb der Stadt sind, nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern weit entfernt von allen Menschen ihres öffentlichen Bekanntenkreises.
Die Initiation dieses Moments ist doch auch ganz großartig gelöst, wenn über den Spiegel, an dem Therese sitzt, das Motiv der Betrachtung weitergeführt wird, wenn die Abstraktion des Beobachtens nun zu einem Ende kommt und beide erstmalig die andere Person gegenüber wahrnehmen und dabei richtig wahrnehmen. Ich übernehme einfach mal frech einen Satz, den ich neulich zum Film gelesen habe: Sich verlieben heißt zu betrachten/beobachten, zu lieben heißt zu sehen. Das macht die Schlussszene so immens kraftvoll, aber für diesen "Point of no return" zwischen Carol und Therese brauchte es mehr, weil sich hierdurch etwas ändert. Nicht ausschließlich durch den Sex, sondern durch die Tage davor, den Moment davor und dadurch, was der Sex bedeutet.
Dass Carol ihren Bademantel öffnet ist nicht nur ein körperliches Signal zur Bereitschaft von etwas Körperlichen, sondern auch im übertragenen Sinn ein Zeichnen der Öffnung, nun jede Zurückhaltung, jede falsche Scheu, jede Form des gesellschaftlich akzeptierten Standards für Anstand abzulegen, sich für Therese zu öffnen. Für beide wird die Beziehung erst ab diesem Moment zu einer wirklichen Grenzüberschreitung - wir erinnern uns, wer bzw. was gerade im Nachbarzimmer passiert. Das ist kein Zufall, genau darum geht es. Vorher war es ein Flirt, ein Prozess des Sich-verliebens, der für beide nicht ohne Probleme, nicht ohne Gefahr ist. Und so eine Grenzüberschreitung, genau wie eben der erste vollkörperliche Akt zwischen Liebenden grundsätzlich - aus Zuneigung, Vertrauen und Geborgenheit mehr denn als aus Lust -, kann man nicht einfach über einen Kuss, mag er noch so leidenschaftlich sein, darstellen. Nicht ohne Grund ist ja auch die Darstellung relativ freizügig; jetzt nicht auf dem Level von "Blau ist eine warme Farbe", aber dennoch in seiner Funktion nicht unähnlich, aber eben auch auf mehreren Ebenen.